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Opernhaus Zürich: Die Revolution ist ausgeblieben

Matthias Schulz wird zur Saison 2025/26 neuer Intendant der Oper Zürich. Seine Wahl steht für Kontinuität.

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Der designierte Intendant des Zürcher Opernhauses, Matthias Schulz.

Der designierte Intendant des Zürcher Opernhauses, Matthias Schulz.

Christoph Ruckstuhl / NZZ

Mit dem deutschen Kulturmanager Matthias Schulz, der zur Spielzeit 2025/26 als neuer Intendant die Leitung der Oper Zürich übernehmen wird, haben Findungskommission und Verwaltungsrat eine sichere und sehr solide Wahl getroffen. Schulz kommt von der Berliner Staatsoper Unter den Linden, einem der traditionsreichsten Opernhäuser Deutschlands.

Auf den ersten Blick mag diese Personalie, die wegen der internationalen Ausstrahlung der Zürcher Bühne von der Kulturwelt mit Spannung erwartet wurde, sogar ein bisschen defensiv wirken. Allzu wagemutig ist sie tatsächlich nicht, künstlerische Achterbahnfahrten sind mit dem «Neuen» nicht zu erwarten. Das mag diejenigen enttäuschen, die sich stärkere programmatische Akzente, ästhetische Experimente oder gar eine radikale Neuaufstellung der grössten Schweizer Kulturinstitution gewünscht hätten. Weite Teile des hiesigen Stammpublikums, Abenteuern von jeher wenig zugeneigt, dürften dagegen erleichtert sein.

Schulz steht für eine Kontinuität, die Gewachsenes und Bewährtes aus den beiden prägenden Intendanzen von Alexander Pereira und Andreas Homoki fortführen und allenfalls mit ein paar modernen Vorzeichen versehen wird. Das muss weder langweilig noch vorhersehbar sein; es kann für das Zürcher Opernhaus sogar einen strategischen Vorteil bedeuten.

Eine tragfähige, breite Publikumsbasis und die Verankerung in der Gesellschaft dürften nämlich für die ebenso kostbare wie kostspielige Kunstform Oper in den kommenden Jahren überlebensnotwendig werden. Umso mehr, als der soziale, technische und demografische Wandel auch vor den Toren von so traditionsreichen Einrichtungen wie der Tonhalle oder dem Opernhaus nicht haltmacht. Die Oper wird auf neue Hör- und Sehgewohnheiten reagieren müssen, aber auch auf geänderte gesellschaftliche Erwartungen, wenn sie die millionenschwere Unterstützung durch die öffentliche Hand weiterhin rechtfertigen will. Gefragt sind bei dieser Weiterentwicklung der über 400 Jahre alten Gattung keine Umstürzler oder vom Zeitgeist getriebene Hitzköpfe, sondern besonnene Moderatoren.

Einen solchen holt man sich mit Matthias Schulz ans hiesige Opernhaus. Schulz hat schon in Berlin bewiesen, dass er ein schwer zu steuerndes Traditionshaus wie die Lindenoper, der er seit 2017 vorsteht, auf Kurs bringen und zugleich behutsam modernisieren kann. Als hilfreich hat sich dabei erwiesen, dass Schulz – wie Alexander Pereira – den Typus des Kulturmanagers ohne eigene künstlerische Ambitionen verkörpert. Auch in Zürich wird man mit ihm also nach 2025 eine Abkehr vom hybriden Prinzip des Künstler-Intendanten vollziehen, der – wie Andreas Homoki seit 2012 – selber am Haus Regie führt.

Schulz sieht das als Vorteil, weil es ihm ermögliche, als neutrale Instanz in Konfliktfällen zu entscheiden. Auch eine Bevorzugung von Regie und Szene gegenüber der in der Oper mindestens gleichberechtigten Musik soll auf diese Weise vermieden werden. Dass ihm die Mediatorenrolle liegt, hat Schulz in Berlin bewiesen, als kurz vor der Corona-Pandemie Vorwürfe gegen den Führungsstil seines Generalmusikdirektors Daniel Barenboim laut wurden. Barenboim wird allerdings nicht mit Schulz nach Zürich wechseln, was man wegen seines Renommees bedauern, aber künstlerisch verschmerzen kann.

Auf Vermittlung setzt Schulz nicht zuletzt bei derzeit auch auf den Bühnen hochkochenden Identitäts- und Gender-Themen. Schulz sieht die Diskussion um diese Fragen – etwa das sogenannte Blackfacing bei Verdis «Otello» – als legitim an. Von Verboten hält er dagegen nichts. Gut so, denn aus Dogmatismus ist noch nie gute Kunst entstanden.

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Werner Moser

Ein Opernhaus ist ein "Opernhaus" - ist ein Operhaus!  Ganz besonders in Zürich, welches künstlerisch auf hervorragende Leistungen stolz sein kann. In einem solche Umfeld kann es nicht verwundern, dass besagte Revolution ausgblieben ist. Viel mehr wird der neue Intendant gefordert sein, die bestehende künstlerische Leistungskraft bestätigen zu können. Dass mit dieser Wahl die Kontinuität gesucht wird, ist nachvollziehbar. Alleine das wäre schon eine respektable Leistung. Viel Glück sei auf jeden Fall gewünscht!

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