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La vera costanza

Dramma giocoso in drei Akten
Libretto von Francesco Puttini
Musik von Franz Joseph Haydn

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Teatro Real de Madrid, dem Teatro Comunale de Trévise, der Opéra de Saint-Etienne, der Opéra de Rouen-Haute Normandie, dem Teatro die Reggio Emilia und dem Théâtre National de Sofia

Premiere  im Palais Opéra in Liège am 27. Januar 2012



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Schöne Musik zu konfuser Handlung

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Franz Joseph Haydns Opernschaffen gehört im Allgemeinen nicht zum gängigen Repertoire des Musiktheaters in Europa. Da es aber auch unter seinen Werken verborgene Schätze zu heben gilt, hat sich die Opéra Royal de Wallonie in einer Koproduktion mit sechs weiteren europäischen Opernhäusern ein nahezu unbekanntes Werk vorgenommen, dass musikalisch durchaus als Wegbereiter für Wolfgang Amadeus Mozart betrachtet werden kann. Seit 2009 tourt diese Produktion nun schon mit großem Erfolg durch Spanien, Italien und Frankreich und ist jetzt in Liège angekommen, wo die Inszenierung ebenfalls großen Publikumszuspruch erhielt.

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Die Baronessa Irene (Andrea Puja) liebt den Marchese Ernesto (Cosimo Panozzo), kann ihn aber nicht heiraten, solange...

Dabei ist das Libretto sehr abstrus und weist viele Ungereimtheiten auf. Die Baronessa Irene ist auf der Suche nach Rosina, der Schwester des einfachen Fischers Masino, da ihr zu Ohren gekommen ist, dass das junge Mädchen ein Verhältnis mit ihrem Neffen, dem Conte Errico, unterhalte, was die Baronessa nicht dulden kann, da diese Liaison ihren Heiratsplänen mit dem Marchese Ernesto im Wege steht. Deshalb soll Rosina den reichen, aber etwas trotteligen Bauern Villotto heiraten. Rosina ist aber bereits mit Errico verheiratet, hat sogar mit ihm einen gemeinsamen Sohn, von dem dieser jedoch nichts weiß, da er Rosina eigentlich schon wieder verlassen hat. Beim Anblick Villottos wird Errico jedoch eifersüchtig und plant zunächst, ihn zu töten. Als der Marchese Rosina bekniet, Villotto zu heiraten, damit für ihn der Weg zur Baronessa frei wird, wird dieses Gespräch von der Baronessa und Errico missinterpretiert. Empört jagen sie die scheinbar untreue Rosina davon, die mit ihrem Sohn in den Wald flieht. Nachdem Errico sogar Villotto damit beauftragt hat, Rosina zu töten, erfährt er von Lisetta, der Zofe der Baronessa, dass alles ein Missverständnis und Rosina nur ihm treu gewesen sei. So beschließt er, sie im Wald zu suchen, findet sie mit dem gemeinsamen Sohn und bittet sie um Vergebung. Die Baronessa unternimmt einen letzten Versuch, Errico und Rosina zu trennen, indem sie beiden eine Nachricht schickt, in der jeweils der andere die Beendigung der Beziehung ankündigt. Doch Rosina und Errico durchschauen den Schwindel, und so muss die Baronessa schlussendlich doch einlenken und reicht dem Marchese trotzdem ihre Hand. Lisetta und Masino werden ein Paar, und nur Villotto bleibt allein zurück.

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... ihr Neffe Errico (Anicio Zorzi Giustiniani) das Fischermädchen Rosina (Federica Carnevale) liebt, aber...

Dem Regieteam um Elio De Capitani sind die Unstimmigkeiten der Handlung durchaus bewusst. Da man aber auch bei einer Modernisierung des Stoffes die Motivation der einzelnen Figuren nicht nachvollziehbarer machen könnte, verzichtet De Capitani darauf, das Stück in eine andere Zeit zu verlegen, und zeichnet die Adligen und den reichen Bauern recht übertrieben und unnatürlich, so dass ihre Handlungen scheinbar unberechenbaren Launen entspringen. Der Conte Errico wechselt häufig seine mondänen Kostüme, so wie sich auch seine Einstellung zu seiner unstandesgemäßen Ehefrau ändert. Mal liebt er sie, mal bietet er sie dem reichen Bauern an, dann fordert er ihn sogar auf, sie zu töten. Auch die Baronessa tritt in sehr aufwändigen Kostümen (Ferdinando Bruni) mit weitem Reifrock auf und schreitet als kapriziöse Diva exaltiert über die Bühne. Ihre teils heftigen Bewegungen entsprechen dabei ihrem Temperament. So muss man vielleicht auch gar nicht verstehen, wieso ihre Ehe mit dem Marchese davon abhängt, dass Rosina den Bauern Villotto heiratet. Der Marchese Ernesto wirkt in seinen Bewegungen recht feminin und erinnert an eine Karikatur eines Adligen vor der Französischen Revolution. Auch bei Villotto hat sich De Capitani alle Mühe gegeben, ihn möglichst lächerlich darzustellen. Eine lange Hakennase soll sein Äußeres dabei noch unattraktiver machen.

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... aber liebt Errico (Anicio Zorzi Giustiniani, links) sie auch wirklich oder will er sie an Villotto (Gianluca Margheri, rechts) abtreten?

Im Gegensatz dazu stehen die Figuren aus dem einfachen Volk, die mit diesen verrückten Adligen fertig werden müssen. Rosina und ihr Bruder Masino werden von Ferdinando Bruni wesentlich bodenständiger eingekleidet. Auch ihre Bewegungen sind ruhiger. Lisetta, die Zofe, entspricht zwar optisch mit dem etwas kürzeren Reifrock und den knallroten Haaren der abgedrehten vornehmen Gesellschaft, wird aber von De Capitani häufig als Beobachterin in diversen Szenen eingesetzt, wodurch verständlich wird, dass sie auf Rosinas Seite steht und ihr gegen die Anfeindungen der Baronessa hilft. Dass sich dabei eine Liebesgeschichte zwischen ihr und Masino entspinnt, ergibt sich gewissermaßen automatisch. So schafft es De Capitani mit einer geschickten Personenregie zumindest einen Teil der dramaturgischen Unstimmigkeiten abzumildern. Der Einsatz einer Artistengruppe, die zu Beginn der Oper beim großen Sturm, in dem das Schiff der Baronessa Schiffbruch erleidet, mit großen hellblauen Tüchern das Toben des Meeres imitiert und später bei Erricos Vision der Geliebten in einem Wald Salti und andere Kunststücke vollzieht, erklärt sich jedoch nicht.

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Weniger Verwirrung über ihre Gefühle herrscht bei Masino (Elier Muñoz) und Lisetta (Arianna Donadelli).

Neben den schönen Kostümen ruft auch das fantasievolle Bühnenbild von Carlo Sala Begeisterung hervor. So wird mit relativ einfachen Mitteln zu Beginn der Oper ein irrendes Schiff auf sturmgepeitschten Wogen gezeigt. Besonders gelungen ist auch das Bild im zweiten Akt, wenn hinter einem Renaissance-Gemälde, das eine einsam durch den Wald irrende Frau zeigt, Rosina zwischen einzelnen Bäumen sichtbar wird. Der von Sala konstruierte Wald mit moosbedeckten Stämmen und überbordenden Wipfeln erinnert fast schon an einen Zauberwald aus dem Sommernachtstraum oder Hänsel und Gretel. Die Briefe, mit denen die Baronessa im kurzen dritten Akt den letzten Versuch unternimmt, die Liebenden zu entzweien, werden als große weiße Tücher aus dem Schnürboden herabgelassen. Errico und Rosina verknoten diese Tücher und wickeln sich in ihrem letzten Duett darin ein, was zeigt, dass dieser Trennungsversuch die beiden nun noch enger miteinander verbunden hat.

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Am Ende finden sich dann doch die richtigen Paare: von links: Masino (Elier Muñoz), Lisetta (Arianna Donadelli), Errico (Anicio Zorzi Giustiniani mit einem Statistenkind als Sohn) Rosina (Federica Carnevale), Baronessa Irene (Andrea Puja), Marchese Ernesto (Cosimo Panozzo) und Villotto (Gianluca Margheri)

Auch die musikalische Umsetzung trägt trotz der bekannten Akustikprobleme in der Halle zum großen Erfolg des Abends bei. Andrea Puja singt und spielt die Baronessa mit leuchtendem Sopran, der in den Parlando-Passagen bisweilen etwas Schwierigkeiten hat, über den Orchestergraben zu kommen. Gleiches gilt für Arianna Donadelli als ihre Zofe Lisetta, die in den Arien und Duetten mit keckem Sopran aufhorchen lässt. Cosimo Panozzo interpretiert den Marchese mit weichem Tenor und sauberen Bögen. Anicio Zorzi Giustiniani verfügt als Conte Errico in seinen Arien über tenoralen Schmelz und eine gut geführte Stimme, teilt aber in den Parlando-Passagen das gleiche Schicksal wie Puja und Donadelli. Für sie wäre die Bühne des Stammhauses, das ab September 2012 wieder bespielt werden kann, wohl etwas dankbarer. Elier Muñoz lässt als Masino mit kräftigem Bass aufhorchen, auch wenn seine Stimme in der Auftrittsarie ein wenig rau klingt. Stars des Abends sind Gianluca Margheri, der mit beweglichem Spiel und voluminösem Bariton als trotteliger Villotto über die Bühne fegt und sich für keine Albernheit zu schade ist, und Federica Carnevale, die mit wohl-timbriertem Mezzo der Rosina zu einer gewissen Tragik in dieser komischen Oper verhilft. Ganz großes Lob gilt auch dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie, das unter der Leitung von Jesús López-Cobos Haydns Musik zum Leben erweckt und belegt, dass dieses Werk zumindest musikalisch ein verborgener Schatz ist, den es zu heben gilt.


FAZIT

Elio De Capitani tut gut daran, in dieser Inszenierung auf zwanghafte Modernisierungen zu verzichten. So hat man die Möglichkeit, ein nahezu unbekanntes Werk wiederzuentdecken. (Termine in Liège noch bis zum 4. Februar 2012, ab 6. April 2012 an der Opéra de Rouen-Haute)


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jesús López-Cobos

Inszenierung
Elio De Capitani

Bühne
Carlo Sala

Kostüme
Ferdinando Bruni

Licht
Nando Frigerio


Orchester der
Opéra Royal de Wallonie

 


Solisten

*rezensierte Aufführung

Rosina
*Federica Carnevale /
Sandra Ferrández

La Baronessa Irene
Andrea Puja

Lisetta
Arianna Donadelli

Il Conte Errico
*Anicio Zorzi Giustiniani /
Yuri Gorodetski

Il Marchese Ernesto
*Cosimo Panozzo /
Pablo García López

Masino
Elier Muñoz

Villotto
Gianluca Margheri


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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