Der göttliche Wotan (Johan Reuter) in Verhandlungen mit Fasolt (Thorsten Grümbel) und Fafner (Phillip Ens, re.).

Foto: Staatsoper

2013 droht also das Richard-Wagner-Jahr, der 200. Geburtstag des Musikdramatikers wird begangen; und überall wird fleißig geplant, geübt, gelitten und also nach geeigneten Regieköpfen für die Auslegung des Unbescheidenen gesucht. Wer als Opernhaus etwas auf sich hält, muss natürlich auch danach trachten, gleich einen Ring zu schmieden. Und wen die Wagner-Pflicht plagt, wie die Bayreuther Festspiele, der braucht sowieso einen. Doch lässt sich aus dem monströsen Weltentwurf Wagners, aus der Tetralogie, in der die Regeln aufstellende Gottheit selbst Regeln bricht, noch etwas Originelles herausquetschen?

Schwierig. Seinerzeit, als Wolfgang Wagner auf dem Grünen Hügel noch das Sagen hatte, gab es schon die liebe Engagementnot. Filmer Lars von Trier sagte ab, Tankred Dorst ließ den Ring dann immerhin doch noch stattfinden. Und nun, für 2013, hat Katharina Wagner - die sich bemüht, Bayreuths Aufführungen nun auch in Kinos unterzubringen - schon von Filmemacher Wim Wenders einen Korb bekommen. Wobei: Auch Thomas Ostermeier wurde gefragt und selbst Filmer Tom Tykwer, der aber gleich vier Regisseure an die Arbeit lassen wollte. So wurde es Frank Castorf. Alles sehr mühsam offenbar.

Ob Regisseur Andreas Kriegenburg für die Bayerische Staatsoper die erste Wahl war, ist schwer zu sagen. So man jemanden gesucht hat, der die Geschichte solide, aber nicht banal buchstabierend erzählt, war Kriegenburg nicht der Falsche. Wobei hier durchaus auch Ideen sichtbar wurden. Sie kommen einem schon vor Beginn der klingenden, einleitenden Rhein-Fluten als mit Statisten und Sängern gefüllte Bühne entgegen, auf der noch ein Häppchen und ein Schlückchen im Liegen und Sitzen genommen wird.

Das menschliche Wasser

Diese üppige Ansammlung von Menschen wird in ihrer Bedeutung bald erhellt: Es entkleiden sich die Massen bis zur hautfarbenen Unterwäsche, beschmieren einander mit blauer Farbe und gruppieren sich dann zu jenen Pärchen, die schließlich in malerischen und zärtlichen Bewegungen jene Wasserformen darstellen, welche die Rheintöchter umgarnen (ausgezeichnet alle drei, also Eri Nakamura, Angela Brower, Okko von der Damerau).

Kriegenburg hat hier also auf ein lebendes Bühnenbild gesetzt. Auf einer zwar sehr mobilen, trichterartigen, aber leeren Bühne, die durch Verengung nur noch Platz an der Rampe lässt oder sich so formiert, dass hinten nur ein kleiner Schlitz offenbleibt, wird dieser Ansatz auch später beibehalten. Dann gruppieren sich die Statisten langsam zur Andeutung jener von den Riesen (glänzend: Thorsten Grümbel als Fasolt und Phillip Ens als Fafner) erbauten Burg. Das hat natürlich etwas von desillusionierendem Werkstattcharakter, etwas von einer Backstage-Oper, in der man nicht nur das Regieergebnis, vielmehr auch dessen vorbereitende Rituale vermittelt bekommt. Allein, es ist da mehr; bezüglich Personalführung sind durchaus eindringliche Momente zu erleben.

Wie die Riesen um den Ring in einem im Inneren aus Goldbarren bestehen Safe-artigen Raum kämpfen und wie Fafner mit einem von Loge (markant, aber etwas grell in der Ausstrahlung: Stefan Margita) an ihn gereichten Dolch den Bruder ersticht - das hat immerhin Theaterleben.

Tolle Ensembleleistung

Und: Es wirkt Wotan (intensiv: Johan Reuter) immerhin einmal nicht als starr umherwankende Figur, eher wie ein reichlich zerrütteter Mann mit Zukunftsängsten und gröberen Problemen, den man stützen muss, damit er am Ende auch das für ihn errichtete Domizil überhaupt erreicht. Überragend bleibt insgesamt indes allein die vokale Leistung des Ensembles. Besonders Johannes Martin Kränzle (als Alberich) besticht mit ungeheuerer Klarheit und Intensität; aber auch Sophie Koch (als Fricka), Levente Molnar (als Donner), Thomas Blondelle (als Froh), Aga Mikolaj (als Freia), Catherine Wyn-Rogers (als Erda) und Ulrich Reß (als Mime) müssen erwähnt werden. So eine Besetzung wünscht man Bayreuth.

Dass sie gut hörbar blieb, ist Dirigent Kent Nagano zu danken. Er ist der fein an den Strukturen feilende Analytiker, der allerdings nur an wenigen Stellen seine Einsichten als dynamisch-gleißende Musikenergie entfesseln kann. Das war dann doch bisweilen Subtilität, die an Unscheinbarkeit grenzt. Nun, es ist noch Zeit für Regie- und Orchesterarbeit. Bis 30. Juni will man in München ja den ganzen Ring stemmen. Von Publikumsseite her gab es fürs Rheingold vorerst jedenfalls überwiegend aufmunterndes Lob. (Ljubisa Tosic aus München  / DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2012)