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Musiktheater
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Il ritorno d'Ulisse in patria
(Die Heimkehr des Odysseus ins Vaterland)


Oper mit einem Prolog und drei Akten
Libretto von Giacomo Badoaro
nach den Gesängen XIII - XXIV aus der Odyssee von Homer
Musik von Claudio Monteverdi
eingerichtet für die Oper Köln von Konrad Junghänel


Aufführungsdauer: ca. 3h 20' (eine Pause)

Premiere im Palladium Köln-Mühlheim am 25. Februar 2012
(rezensierte Aufführung: 29. Februar 2012)

Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Kein Mann für die Tupperparty

Von Stefan Schmöe / Fotos: © Paul Leclaire

20 lange Jahre wartet Penelope auf Odysseus, 10 Kriegs- und 10 Friedensjahre. In so langer Zeit ändert sich manches. Wäre Odysseus im zweiten Weltkrieg zum Russlandfeldzug eingezogen und erst 20 Jahre später heimgekehrt, er wäre in eine wirtschaftlich prosperierende Gesellschaft gekommen, in der es mancher (vielleicht auch seine Gattin) zum Eigenheim gebracht hat, nicht unbedingt groß, aber für einen Vorgarten mit gepflegtem Rasen und akkurat beschnittener Buchsbaumhecke reicht's. Man feiert die Normalität bei Tupperpartys und Diaabenden. Für müde Kriegshelden allerdings ist da kein Platz, schon weil sie das reinlich bezogene Bett dreckig machen.

Szenenfoto Der Kriegsheimkehrer Odysseus (Mirko Roscjhkowski) begutachtet sein neues Eigenheim

Ungefähr so erzählt Regisseur Bernd Mottl die Geschichte von der Rückkehr des Odysseus ins Vaterland, ohne sich historisch festzulegen (auch wenn die Kostüme auf die 60er-Jahre hinweisen). Auch geht es ihm nicht um eine realistische Darstellung, vielmehr ist alles in ein ziemlich butes Comicformat übertragen, das sich genüsslich in Klischees ausbreitet. Im Häuschen der Penelope sorgt die strenge Ericlea mit milder Großtantenstrenge für Ordnung (Hilke Andersen singt und spielt das mit viel Witz und Charme), und die smarten, mit Goldkettchen behängten Herren Antinoo, Pisandro und Anfinomo sind zur Pyjamaparty mit Bowle eingeladen (Young Doo Park, Dmitry Egorov und John Heuzenroeder halten, stimmlich sehr agil, virtuos die Balance zwischen Komödie und einem Rest an Ernsthaftigkeit). Und der beleibte Schmarotzer Iro hat nichts anderes zu tun als zu essen und zu trinken und hin und wieder einen vermeintlich Schwächeren zu demütigen (Robert Wöhrle mit markantem Tenor gibt eine glänzende Charakterstudie). Dazwischen turteln Melanto (Regina Richter mit jubilierendem Sopran) und Eurimaco (Peter Gijsbertsen mit hellem Spieltenor) und raten Penelope, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und sich einen Liebhaber zuzulegen. Fröhliche Spießbürgerwelt allerorten, zu bunt und schön, um wahr zu sein.

Szenenfoto

Penelope (Katrin Wundsam, rechts) gibt sich auf der Tupperparty reserviert - anders als Melanto (Regina Richter)

So holzschnittartig das auf den ersten Blick wirkt - die Texte werden sinnigerweise auf angedeutete Sprechblasen projiziert – so komplex ist die Angelegenheit auf den genaueren zweiten Blick. Mottl und seinem durchweg hinreißend spielenden Ensemble gelingt das Kunststück, hinter dieser (sehr amüsanten und kurzweiligen) Überzeichnung der Figuren auch deren Ängste zu zeigen. Die heile Welt ist teuer erkauft, ahnt man schnell, und das funktioniert nicht nur wegen der vielen Nuancen in der Personenregie, sondern auch (und gerade), weil Regie und Musik Hand in Hand gehen.

Es funktioniert aber auch, weil Penelope stoisch und unantastbar trauernd diese Welt an sich abperlen lässt. Sie ist ganz sicher die schönste, hinreißendste Witwe seit Jackie Kennedy. Katrin Wundsam verleiht ihr keine sehr große, keine heroische Stimme, sondern apart eingedunkelte, warme und tragfähige Töne, die der Figur auch musikalisch eine würdevolle Aura geben, sie von ihrer Umgebung abgrenzen. Nur – Witwe ist sie ja gar nicht, und die Rückkehr des Gatten stürzt sie geradezu vom Sockel, macht aus der geheimnisvollen Unnahbaren die (immer noch schöne, aber plötzlich kleinbürgerlich rollenbewusste) Ehefrau, die dem Gatten als erstes die Pantoffeln hinstellt. Es ist ein böser Schluss, den Mottl sich ausgedacht hat. Das große Weltendrama, die Sage von, nun ja: antiker Größe, droht kleinbürgerlich zu enden. Das Finale singt man aneinander vorbei. Ein happy end ist das nicht.

Szenenfoto Verbrüderung: Odysseus (Mirko Roschkowski, links), Eumete (Miljenko Turk) und Odysseus' Sohn Telemaco (Gustavo Quaresma)

Nun ist dieser Odysseus aber auch der denkbar falsche Mann für die Tupperparty: Ein Kriegsveteran im zerschlissenen Kampfanzug, ein Kraftprotz, der traumatisiert und fassungslos in die schöne neue Welt hinein tapst. Der vagabundierende Außenseiter Eumete, der vom Wohlstandsmüll der anderen lebt – Miljeno Turk verleiht ihm imposante baritonale Größe und Würde – steht im näher als sein eigener kreuzbraver, sterbenslangweiliger Sohn Telemaco (den Gustavo Quaresma mit sehr leichtem Tenor singt). Gepflegte Feierabendkonversation ist die Sache eines Veteranen nicht, komme er nun aus Afghanistan, Vietnam oder dem Irak, und so schießt Odysseus die ganze Bagage mit seinem Maschinengewehr über den Haufen – die Regie erspart uns dankenswerterweise Details dieses fürchterlichen Gemetzels (Ericlea entsorgt die Leichenteile später diskret im Hausmüll). Wie Mirko Roschkowski diesem Anti-Helden stimmliche Geschmeidigkeit und Eleganz, aber auch Kraft und Gefährlichkeit verleiht, das ist schon sehr eindrucksvoll.

Die Haupthandlung bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen greller Komik und Tragödie, und es ist schon hohe Kunst, dass sie nicht zu einer Seite hin abstürzt. Etwas schwerer tut sich Mottl mit der Götterwelt, die er als Varietè vorführt. Die Götter als bunte Knallchargen – das kehrt ja eigentlich die intendierten Verhältnisse auf den Kopf. Als Rahmen für das eigentlich wichtige Menschheits- und Gesellschaftsdrama immerhin klappt das ordentlich. Wolf Matthias Friedrich singt als donnernder Neptun den braven Zeus (Peter Gijsbertsen), die etwas dünn zwitschernde Juno (An-Hyun An), sogar die auch stimmlich keck auftrumpfende Fortuna (Claudia Rohrbach) an die Wand.

Szenenfoto

Neptun (Wolf Matthias Friedrich) betrachtet das ganze Spektakel mit Skepsis

Und da ist dann noch das großartige Orchester, bestehend aus Musikern des Gürzenich-Orchesters und einigen Gästen, geleitet von Konrad Junghänel. Der hat die (von Monteverdi gemäß den Gepflogenheiten der Zeit nur rudimentär notierte) Partitur eingerichtet – für zwei räumlich getrennte, sehr farbige Continuogruppen mit Cembalo, Orgel, Harfe, Chitarrone, Lirone, Laute und Gitarre, Streicher in Mini-Besetzung, zwei Blockflöten und zwei Cornetti. Was die Musiker damit an Klangfarben, an dramatischen Effekten und an Stimmungsänderungen erzeugen, das ist schlichtweg phänomenal.


FAZIT

Nach der sensationellen, ganz anders in Szene gesetzten Krönung der Poppea in der vorigen Spielzeit gelingt der Kölner Oper mit dieser ausgesprochen frechen, sehr kurzweiligen und dann doch sehr ernsten Inszenierung der zweite große Monteverdi-Abend auf musikalisch exzellentem Niveau.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Konrad Junghänel

Inszenierung
Bernd Mottl

Bühne und Kostüme
Friedrich Eggert

Licht
Andreas Grüter

Dramaturgie
Georg Kehren
Silke Leopold


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln
& Gäste


Solisten

L'humana fragilità
Dmitry Egorov

Tempo
Wolf Matthias Friedrich

Fortuna
Claudia Rohrbach

Amore
Ji-Hyun An

Giove, Göttervater
Peter Gijsbertsen

Nettuno
Wolf Matthias Friedrich

Minerva
Claudia Rohrbach

Giunone, seine Gemahlin
Ji-Hyun An

Ulisse
Mirko Roschkowski

Penelope
Katrin Wundsam

Telemaco
Gustavo Quaresma

Ericlea, Penelopes Amme
Hilke Andersen

Antinoo
Young Doo Park

Pisandro
Dmitry Egorov

Anfinomo
John Heuzenroeder

Eurimaco
Peter Gijsbertsen

Melanto, Penelopes Zofe
Regina Richter

Eumete
Miljenko Turk

Iro
Robert Wörle


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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