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„Joseph Süß“ im Gärtnerplatztheater: Die Premierenkritik

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Joseph Süß und sein Gegenspieler: Während die Titelfigur (re.) bei Gary Martin zwischen Gut und Böse schillert, zeigt Mark Bowman-Hester seinen Weissensee als karrieresüchtigen Schleimer.
Joseph Süß und sein Gegenspieler: Während die Titelfigur (re.) bei Gary Martin zwischen Gut und Böse schillert, zeigt Mark Bowman-Hester seinen Weissensee als karrieresüchtigen Schleimer. © Hermann Posch

München - Klammergriff. Genau den hatten die Macher dieser Premiere am Gärtnerplatz zuvor versprochen. Und so war’s.

Neunzig pausenlose Minuten lang folgt das Publikum gebannt und hoch konzentriert der Münchner Erstaufführung von Detlev Glanerts Oper „Joseph Süß“.

Ein fabelhaftes Stück zu einem heiklen Thema, das den Komponisten auf der Höhe seines Könnens zeigt und auf ein hoch professionelles Inszenierungsteam traf. Hut ab vor dem Gärtnerplatztheater, seinem Orchester, seinem exzellenten Chor, seinem engagierten Ensemble.

Die Jud-Süß-Geschichte hat sich im 18. Jahrhundert zugetragen und wurde unter anderem bekannt durch Lion Feuchtwangers gleichnamigen Roman und – in schändlich pervertierter Form – durch den unseligen Veit-Harlan-Film. Es geht um den als „Hoffaktor“ bei dem maßlos verschwenderischen württembergischen Herzog Karl Alexander zu Geld und Einfluss gelangten Joseph Süß Oppenheimer, der in eine Intrige geriet und gehängt wurde. Glanert erzählt diese Geschichte in der Rückblende: Süß sitzt im Kerker und wird im Traum verfolgt von den Menschen, die an seinem Schicksal im Guten wie im Bösen gewoben haben.

Dazu hat sich Peter Sykora auf der Drehbühne einen eindrucksvollen Raum mit hohen Stelen ausgedacht, über dem der Käfig hängt, in dem Süß schließlich gehenkt wird. Der Raum ist zeitlos, die Kostüme nicht. Die hat er im Perücken-Barock gelassen, mit der durchweg weißen Farbe für alle – aber dabei jeden Realismus vermieden. Nur Süß präsentiert sich im knallroten Prunkrock – Zeichen für seine Eitelkeit und sein Bestreben, auf keinen Fall als Jude zu wirken.

Guy Montavons Regie ist klar, präzise, durchdacht. Er führt die Sänger und den Chor klug durch das Stück, lässt den Süß (Gary Martin) deutlich zwischen Gut und Böse schillern, macht aus dem Herzog (Stefan Sevenich) ein abschreckendes Monster, aus Süß’ Gegenspieler Weissensee (Mark Bowman-Hester) einen karrieresüchtigen Schleimer und Intriganten und fügt den tapferen Einspringer Tobias Scharfenberger als aufrechten Juden Magus sicher ins Ensemble. Die Frauen, alle missbraucht und misshandelt, werden überstrahlt von den Glitzerkoloraturen der Karolina Andersson als Opernsängerin Graziella, die alles durchsetzt, was sie will. Sie schert sich um keinen Konflikt, will nichts als singen und erinnert (gute Stücke sind immer auch aktuell) aufs Haar an eine heute gefeierte Sängerin, die in ihrem Heimatland gerade einen „lupenreinen Demokraten“ unterstützt hat.

Glanerts Musik ist meisterhaft. Der kann alles. Spielt mit Stilen, kann ironisch sein, in einen flotten Dreivierteltakt verfallen, ein einzelnes Instrument charakteristisch hervorheben, düstere Stimmung und lyrischen Schmelz erzeugen. Keine Note zu viel, und jede mit Grund an ihrem Platz. Das Orchester unter dem versierten Roger Epple lässt sich begeistert darauf ein. Applaus noch und noch, auch für den anwesenden Glanert. Keine Angst vor diesem Zeitgenossen!

Beate Kayser

Nächste Vorstellungen am 7., 11., 20., 22., 26. sowie 30. März;

Telefon 089/ 21 85 19 60.

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