München Vogt begeistert als Wagner-Held

München · Was machen nun die Menschen in der "Walküre", die das baldige Ende der Götter überleben werden und die Regisseur Andreas Kriegenburg in seiner Münchner Neuinszenierung des "Ring des Nibelungen" zurück an den Weltenanfang schickt? Die Ursache der Götterdämmerung (zwei Abende weiter) haben die Menschen im "Rheingold" miterlebt. Nun engagieren sie sich in hilfreichen Funktionen, wie es Menschen halt so tun. Sie nehmen in einer leuchtenden Händekette Sieglinde den Becher ab, mit dem sie Siegmund erfrischendes Wasser reichen, stören aber die Einsamkeit und das Sichnähern dieses dadurch entfremdet wirkenden Geschwisterpaares.

Kriegenburg konzentriert sich auf die drei Paare, die in der "Walküre" das Drama markieren. Er führt ein Kammerspiel auf. Dirigent Kent Nagano nimmt die szenischen Kontraste auf. Seine Tempi gestaltet er manchmal so sehr im Adagio, dass die Dynamik fast erstirbt.

Man kann kaum glauben, dass Siegmund im Vorspiel zum ersten Akt gehetzt und atemlos in Hundings Hütte stürmt, so wenig dräuend jagen ihn die Tonfolgen. Doch dann erhebt sich nach schleppender Phase das große Erwachen mit einem Accelerando, das dem Orchester die Rolle des großen Erzählers einfühlsam und bewegt zurückgibt.

Die Sänger erwidern es dankbar und machen das Wälsungenpaar Klaus Florian Vogt und Anja Kampe zum Paar des Abends. Beide faszinieren durch ihre darstellerische und stimmliche Brillanz. Vogt könnte der Typ eines neuen wagnerischen Heldentenors werden. Dazu gesellt sich in Ain Anger als Hunding ein finsterer Gegenspieler. Eher durchschnittlich: Katarina Dalayman als Brünnhilde.

Auf der Bühne herrschen endloser Krieg und Tod. Damit drückt Kriegenburg der "Walküre" einen Stempel auf. In der Esche in Hundings Wohnraum steckt nicht nur das vermeintliche Rettungsschwert Notung. In ihrem Geäst hängen die verwesenden Kadaver der gefallenen Krieger. Die Leichen anderer Gefallener werden im Hintergrund von Frauen gewaschen und in Leichentücher gehüllt.

Noch auffälliger ist der Tod auf dem Walkürenfelsen präsent. Ihren stürmischen Ritt vollführen die Walküren zwischen den auf Stangen gespießten Leibern der Krieger, die sie auf dem Schlachtfeld ausgesucht haben. Entwertet wird dieses Szenarium durch eine Regieidee, die das Publikum zum Protest trieb. Bevor die Musik zum "Walkürenritt" einsetzt, trampelt eine Horde von in Pferden verwandelte Frauen minutenlang lautstark wiehernd und Mähne werfend über die Bühne. Da lag Klamauk in der Luft.

Kriegenburg gelingen wunderbare Bilder. Wie in einer Pietà hält Siegmund, dem drohenden Geschehen fern, seine schlafende Schwester im Schoß. Aber richtig Neues ist nicht (oder noch nicht?) erkennbar. Trotz seines Bekenntnisses zum Mut der Lücke und ausstatterischen Schlichtheit bleibt die Frage nach der Schlüssigkeit seiner Ideen immer noch offen.

(RP)
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