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Eine schöne Leich'Von Stefan Schmöe / Fotos: Paul LeclairHin und wieder tut es ja ganz gut, eine Operninszenierung zu sehen, die nichts anderes will als ganz einfach eine Geschichte erzählen. Die ist im Falle des Rigoletto mit der berüchtigten singenden Leiche im Sack nicht ganz unproblematisch, zu Herzen geht es aber doch, wenn der geläuterte Narr und Vater Rigoletto seine sterbende Tochter Gilda im Arm hält, Sack hin oder her. Dieser Sack immerhin ist durch ein edleres Tuch ersetzt, und ganz romantisch gleiten Gilda und Rigoletto auf einem Kahn durch wallende Nebel einem unbestimmten Ufer entgegen. Und Anna Palimina ist nicht nur eine sehr attraktive und sehr junge Leiche, sie singt auch bis zum letzten Ton hinreißend schön, mit einer jugendlich aufjubelnden Stimme, die den Tod nicht wahrhaben will und der nichts auf dieser Welt etwas anhaben kann. Vielleicht sind da ein paar Spitzentöne eine winzige Spur zu scharf gewesen, und die vom lyrischen Fach kommende Sängerin hat nicht den ganz großen dramatischen Zugriff auf diese Partie, wohl aber Klangfülle und erhebliche Reserven. Man nimmt ihr sofort ab, dass diese Gilda völlig liebesahnungslos auf den ersten besten Mann hereinfällt und auch noch mit Begeisterung für ihn stirbt. Liebe macht blind, die erste Liebe erst recht. Hier sind sie noch Freunde, vereint im Spott: Rigoletto und der HerzogNun ist dieser Herzog, der sich zunächst als Student ausgibt, aber auch ein höchst charmanter und attraktiver junger Mann, bestens durchtrainiert und blendend bei Stimme. Dmitry Korchak hat einen metallisch glänzenden Tenor, nicht übermäßig voluminös und im Klang ein wenig unterkühlt, aber von erheblicher Strahlkraft. Die hohe Lage spricht leicht und elegant an (allerdings sollte Korchak es vermeiden, die Spitzentöne übermäßig zu forcieren, was er gar nicht nötig hat damit handelte er sich ausgerechnet im Schlager La donna é mobile prompt ein Buh ein), das Piano hat viel Substanz. So richtig böse kann man ihm nicht sein, dass er sich die Frauen auch nimmt, die solcher Männlichkeit erliegen. Das ist vielleicht der Haken an dieser Inszenierung, das die Sänger fast schon zu gut passen, die Geschichte allzu routiniert abläuft, zu sehr in der Opernkonvention verhaftet bleibt. Regisseurin Katharina Thalbach tut wenig, um gegenzusteuern die Personenregie ist solide, aber weig originell, Auf- und Abtritte sind handwerklich sauber organisiert, Überraschungsmomente allerdings bleiben aus. Ein Riesenpenis im ersten Bild scheint entbehrlich, damit hat sich das Provokationspotenzial für den Abend aber auch schon erschöpft. Trautes Heim: Rigoletto mit Tochter Gilda und Haushälterin Giovanna Da die marode Bühnentechnik der Kölner Oper nur noch sehr begrenzt einsetzbar ist, hat Ausstatter Ezio Toffolutti mit gemalten Prospekten gearbeitet, und das mit durchaus ordentlicher Wirkung. Man sieht Häuser und Palazzi, aber auf die Seite gedreht oder auf den Kopf gestellt. Das ergibt viel Ambiente, ohne wirklich realistisch zu sein. Zeitlich legt sich das Regieteam nicht fest, unter den Kostümen findet man etliche Moden zwischen 1850 und heute, und die (dezente) Blümchentapete in Gildas Zimmer fügt sich ganz natürlich ein. Die Balance zwischen historisierender Ausstattungsoper und vorsichtiger Modernisierung, auch zwischen realistischer Erzählweise und sanfter Abstrahierung ist gut austariert. Stilistisch hätte man eine solche Produktion eher an einem italienischen oder französischen Opernhaus erwartet als in der vom Regietheater positiv wie negativ geprägten deutschen Stadttheaterlandschaft, und zu oft müssen es solche gut gemachten, aber wenig aufregenden Inszenierungen auch nicht sein. Dass sich in den herzlichen, keineswegs enthusiastischen Applaus für das Regieteam auch deutlich hörbare Proteste mischten, verwundert aber doch. Düsteres Gewerbe: Auftragsmörder Sparafucile mit Schwester MaddalenaViel Jubel gab es, zweifellos zu Recht, für die musikalische Seite. Markus Brück singt einen großformatigen, sehr differenziert gestalteten Rigoletto mit wuchtigen Ausbrüchen. Der vergleichsweise hellen Stimme fehlt es für die ganz genaue Charakterisierung etwas an den dunklen Klangfarben, an den dämonischen Untertönen, aber die Partie ist auf sehr hohem Niveau tadellos gesungen. Oliver Zwarg gibt einen stimmgewaltigen Monterone, Bjarni Thor Kristinsson einen ungeschlachten, aber soliden Sparafucile, Nino Surguladze eine auch stimmlich attraktive Maddalena. Sehr präsent und mit warmem, vollem Klang singt der von Andrew Ollivant einstudierte Chor, wobei die Feinabstimmung mit dem Orchester noch genauer sein könnte. Letzte Fahrt: Rigoletto und Gilda Alain Altinoglu am Pult des fabelhaften Gürzenich-Orchesters dirigiert mit großer Stilsicherheit und Sinn für knallige Effekte. Phrasierungen und Tempovariationen sind immer geschmackvoll gehalten, nie übertrieben. Die Musik ist hier das, was sie wohl auch zu ihrer Uraufführung war: Eine Abfolge effektvoller Arien und Ensembles, die aus dem Moment heraus entstehen, und weniger das geschlossene Musikdrama. Der Vorrang gebührt den Sängern, von denen freilich mitunter auch ordentliches Klangvolumen gefordert wird. Das ist in seinem Verzicht auf eine übergeordnete Interpretation ein bisschen altmodisch, passt damit aber zur Inszenierung: Man hört keinen neuen Rigoletto, aber einen ziemlich guten.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Licht
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Solisten
Herzog von Mantua
Rigoletto
Gilda
Monterone
Graf von Ceprano
Gräfin Ceprano
Marullo
Borsa
Sparafucile
Maddalena
Giovanna
Ein Gerichtsdiener
Ein Page
Brighella
Ein Tänzer
Tänzerinnen
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