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Stürmende Wucht

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Cavaradossi (Luis Olivares Sandoval). ·
Cavaradossi (Luis Olivares Sandoval). · © Foto: Landsberg

Bremen - Von Ute Schalz-LaurenzePatricia Andress, die Sängerin der Tosca, wurde in einem Interview gefragt, ob denn Giacomo Puccinis Wunsch, mit der Oper das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen aufzurütteln, angesichts unsterblich schöner Melodien und kraftvoll-plakativer Orchestermalerei gelingen könnte.

„Wenn wir unseren Job gut machen, ja!“, sagte sie. Und für jedes schlechte Urteil über das „Kinodrama“ (Oscar Bie) oder den „notorischen Kitsch“ (Richard Strauss) machte sie die jeweilige Aufführung verantwortlich. Nach der Premiere am Theater Bremen kann man nun ihr und dem ganzen Ensemble bestätigen: Der Job wurde gut gemacht, sehr gut sogar.

Eine wahre Begebenheit: An einem Junitag 1800 kämpfen napoleonische Republikaner und napolitanische Royalisten um Rom, das vom Polizeichef Scarpia und seinem Geheimdienst mit unerbittlicher menschenverfolgender Gewalt regiert wird. Der Maler Cavaradossi wird verdächtigt, den flüchtigen Angelotti zu decken, seine Geliebte, die Sängerin Floria Tosca, verrät sein Versteck, um ihren Maler von der Folter zu befreien. Der Preis für seine Freiheit ist sie selbst: sie ersticht den Tyrannen. Doch der hat Macht über seinen Tod hinaus: die angebliche Scheinerschießung Cavaradossis hoch oben auf der Engelsburg ist eine echte und Tosca stürzt sich in die Tiefe.

Die Regisseurin Vera Nemirowa, der man wirklich nicht nachsagen kann, dass sie platt eins zu eins historisierend arbeitet, entschied sich in diesem Falle doch für einen Realismus, der allerdings alles andere als vordergründig ist. Pompös das „Te Deum“ am Ende des ersten Aktes, mit Weihrauch und Messdienern und Kardinal. Doch die Geheimpolizei stürmt den Gottesdienst, etliche werden erschossen. Dazu schwelgt Scarpia in seiner Gier nach Tosca.

Der dritte Akt beginnt nicht auf der Dachterrasse der Engelsburg, sondern im Staatsgefängnis, in das man Tosca hereinlässt. Ob es allerdings sein muss, dass Cavaradossi zum Vorspiel des dritten Aktes blutverschmiert vor dem Vorhang hin- und hertorkelt, ist zu bezweifeln.

Trotzdem: Nemirowa vertraut einfach den singenden Protagonisten, die Puccini mit einem Übermaß an Emotionen ausgestattet hat. Das ist absolut gelungen, denn es wird nicht nur sängerisch, sondern auch schauspielerisch mitreißend gearbeitet: Patricia Andress, einst als Pamina nach Bremen gekommen, wächst nach „Turandot“ und der Mozartschen Elektra nun als Tosca in das große dramatische Fach hinein und sie tut es mit Bravour, einer verführerischen Menge von Zwischentönen und mutig direkten Emotionen. Eine große Entwicklung, die ebenso bei Luis Olivares Sandoval zu hören und sehen ist: ein großes und betörendes Timbre macht seinen Cavaradossi schlichtweg ergreifend. Auch Loren Lang als Scarpia ist glanzvolle Besetzung: alle drei machen in differenzierter Körperhaltung und unendlichen vielen Gesten die politische und menschlich-verzweifelte Verquickung miteinander deutlich.

Auch vom Orchester, den Bremer Philharmonikern unter der Leitung von Daniel Montané gibt es gutes zu berichten: auch hier das Bemühen um die Genauigkeit von Zwischentönen, was nicht eben einfach ist bei der vorwärtsstürmenden Wucht der Musik. Das Bühnenbild von Jens Kilian hatte erfreulicherweise nichts Pompöses, sondern fiel einfach durch seine Zurückhaltung positiv auf. Ebenso die zeitgenössischen Kostüme von Marie Luise Strandt: Das passte alles.

Weitere Vorstellugnen: 31. Mai, 2. Juni, jeweils 19.30 Uhr.

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