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Musiktheater
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Violanta

Oper in einem Akt
Libretto von Hans Müller
M
usik von Erich Wolfgang Korngold

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus des Stadttheaters Bremerhaven am 2. Juni 2012
(rezensierte Aufführung: 07.06.2012) 

 

 



Stadttheater Bremerhaven
(Homepage)

Der Fluch der Schwester

Von Thomas Molke / Fotos von Heiko Sandelmann

Erich Wolfgang Korngold trägt seinen Zweitnamen nicht nur aufgrund der Verehrung seiner Eltern für Mozart. Der Anfang seiner Karriere ließ die Musikwelt ein neues Wunderkind entdecken, das bereits mit elf Jahren als erstes Bühnenwerk eine Ballettpantomime komponierte, die zwei Jahre später in der Orchestrierung seines Lehrers Alexander von Zemlinsky an der Hofoper Wien uraufgeführt wurde. Im zarten Alter von 16 Jahren entstanden dann unter dem Einfluss seines ehrgeizigen Vaters Julius Korngold die beiden Operneinakter Der Ring des Polykrates und Violanta, die 1916 unter großem Beifall in der Münchner Staatsoper uraufgeführt wurden. Von da an zählte er mit Strauss zu den bedeutendsten und am häufigsten gespielten zeitgenössischen Komponisten, wozu der große Erfolg seines heute bekanntesten Werkes Die tote Stadt sicherlich ebenfalls beigetragen hat. Auch die Filmmusik in Hollywood hat Korngold entscheidend geprägt, bevor er dann in den 50er Jahren erkennen musste, dass seine spätromantische farbige Orchestrierung nicht mehr gefragt war. So wurde das einstige Wunderkind von Wien bereits am Ende seines Lebens 1957 vergessen und rückt erst in den letzten Jahren genau wie Franz Schreker und Alexander von Zemlinsky wieder mehr ins musikalische Bewusstsein. Das Stadttheater Bremerhaven hat nun Korngolds zweiten Einakter Violanta auf den Spielplan gesetzt.

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Violanta (Kirsten Blanck) überredet ihren Mann Simone (Sangmin Lee) dazu, den Prinzen auf ein Zeichen zu töten (im Hintergrund der Herrenchor).

Die Handlung spielt zur Zeit des Karnevals im Venedig der Renaissance. Alfonso, der Prinz von Neapel, ist angereist, um neue Liebesabenteuer zu suchen. Einst hatte er die junge Nerina, eine Novizin, verführt, die mit der Schande nicht leben konnte und sich ins Meer stürzte. Nun sinnt ihre Schwester Violanta, die mit Simone, einem Hauptmann von Venedig, verheiratet ist, auf Rache. Sie lockt Alfonso zu einem Rendezvous, um ihn dort von ihrem Ehemann auf ein Zeichen ermorden zu lassen. Simone ist zunächst über ihr Vorhaben erschüttert, lässt sich aber schließlich mit dem Versprechen, dass sie sich ihm anschließend nicht mehr verweigern würde, umstimmen. Als Violanta dem Prinzen gegenüber tritt und diesem ihr Vorhaben offenbart, schwinden plötzlich ihre Rachegefühle, da diesen aufgrund seiner Suche nach wahrer Liebe schon lange Todesgedanken quälen. So erkennt Violanta ihre Liebe zu Alfonso, stellt sich bei Simones Versuch, den Prinzen zu töten, schützend vor ihn und sinkt tödlich verwundet zu Boden.

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Ankunft des Prinzen Alfonso (Hans-Georg Priese) in einer Barke (umgeben von zahlreichen Bräuten (Mitglieder des Damenchors).

Petra Luisa Meyer setzt einen Schwerpunkt ihrer Inszenierung auf Violantas Beziehung zu ihrer verstorbenen Schwester Nerina. So sitzen die beiden bereits während der Ouvertüre hinter einem Prospekt auf einem Sessel auf der rechten und linken Bühnenseite und hängen ihren Erinnerungen nach. Nerina trägt ein weißes Hochzeitskleid, was wohl andeuten soll, dass sie gehofft hat, für Alfonso mehr als nur ein Liebesabenteuer zu sein, und betrachtet alte Fotos, die sie nach und nach auf einen Beistelltisch stellt und die dann von einer Kamera auf den Bühnenprospekt projiziert werden. Im Laufe des Stückes tritt sie immer wieder auf, um das Handeln ihrer Schwester zu dirigieren, ohne dabei aber direkt in das Geschehen einzugreifen. Dies ändert sich erst am Ende, wenn sie erkennen muss, dass Violanta sich ebenfalls in Alfonso verliebt und ihren Racheplan aufgegeben hat. Wenn Simone auftritt, um den Prinzen zu erdolchen, und Violanta sich ihm in den Weg stellt, ist es Nerina, die aus Wut die Schwester in Simones gezückten Dolch stößt, um dann mit ihr Hand in Hand die Bühne zu verlassen. Nun nehmen Simone und Alfonso verstört auf den beiden Sesseln Platz, während hinter ihnen das fröhliche Karnevalstreiben tobt.

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Simone (Sangmin Lee, links) ist bereit, Alfonso (Hans-Georg Priese, rechts) zu töten (in der Mitte von links: Violanta (Kirsten Blanck) und Nerina (InesWemme)).

Okarina Peter und Timo Dentler haben ein treffendes Bühnenbild entworfen, das den psychologischen Ansatz des Stückes und der Regie unterstützt. In der Mitte der Bühne ist ein Karree mit weißen Fädenvorhängen umgeben, hinter dem sich das bunte Treiben des Karnevals abspielt. Noch bewegen sich Simone und Violanta außerhalb des Karnevals. Erst wenn sie mit ihrem Mordplan Teil der Feierlichkeiten werden, rahmen weitere Fädenvorhänge die komplette Bühne ein. Wenn Alfonso mit seinem Boot ankommt, stellt Nerina eine kleine Barke vorne auf die Bühne, die mit der Kamera auf die mittleren Fädenvorhänge projiziert wird. Wenn diese Vorhänge in den Schnürboden hochgezogen werden, wird Alfonso inmitten einer Schar von Bräuten sichtbar, die alle an Nerina erinnern. Sind es die weiteren Opfer seiner Liebesabenteuer, die er mit gebrochenem Herzen hinter sich gelassen hat? Die Kostüme der Damen weisen viel weißen Tüll auf. Auch Violantas Kleid ist von mehreren Tüllröcken umgeben, die sie im eindringlichen Liebesduett mit Alfonso nacheinander ablegt. Damit wird klar, dass die Liebe zwischen den beiden eine andere Dimension hat als Alfonsos frühere Liebesabenteuer.

Die Männer tragen als Karnevalskostüme Tierköpfe, um den animalischen Charakter des Festes zu unterstreichen. Violantas Verehrer Matteo tritt mit einem Eselskopf auf, was zeigt, wie dumm und erfolglos es ist, Violanta anzuhimmeln. Alfonso wirkt in seiner silbernen Glitzerhose wie ein Popstar, der die Herzen junger Mädchen höher schlagen lässt. Gelungen ist auch die Symbolik der Schneekugel mit dem berühmten Campanile des Markusdoms in Venedig, die Nerina am Anfang schüttelt. Die Protagonisten scheinen sich im Laufe des Stückes in dieser Schneekugel zu befinden, da aus dem Schnürboden ebenfalls der Schnee herabrieselt, während der Campanile auf den Vorhang projiziert wird.

Musikalisch verlangt Korngolds Einakter den drei Hauptpartien enorm viel ab. Dabei stand die rezensierte Aufführung unter keinem guten Stern, da Kirsten Blanck in der Titelpartie wegen einer noch anhaltenden Virusinfektion als indisponiert entschuldigt wurde und Hans-Georg Priese als Alfonso aufgrund eines Bühnenunfalls ebenfalls um Rücksicht gebeten hatte. So war von den drei Hauptpartien eigentlich nur Sangmin Lee als Simone im Vollbesitz seiner stimmlichen und körperlichen Kräfte und stattete den Hauptmann mit voluminösem und dunklem Bass aus, der teilweise im Gegensatz zur Unentschlossenheit des Charakters der Figur stand. Hans-Georg Priese gefiel mit leidenschaftlichem Spiel und überzeugte vor allem in seiner großen Arie "Sterben wollt' ich oft", in der Alfonso seiner Todessehnsucht Ausdruck gibt. An manchen Stellen klang Prieses Tenor in den Höhen ein wenig angestrengt. Kirsten Blanck meisterte die Kräfte zehrende Partie der Violanta gut, wobei nicht verborgen bleiben konnte, dass sie stimmlich angeschlagen war, so dass man fast ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie in diesem Gesundheitszustand eine solch anstrengende Partie sang. Allerdings wäre es wohl sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich, gewesen, für diese unbekannte Partie einen Ersatz zu finden, so dass ihr das Publikum zu Recht dankte, dass sie den Abend nicht platzen ließ. Eindringlich gelang ihr Abschluss-Duett mit Priese, in dem die beiden sich ihre Liebe gestehen. Die kleineren Partien hatten mit Ausnahme von Andrey Telegin teilweise Schwierigkeiten, sich gegen das laut aufspielende Orchester durchzusetzen. Auch der von Ilia Bilenko einstudierte Chor wirkte stimmlich etwas blass, überzeugte aber darstellerisch.

Stephan Tetzlaff, der das Werk bereits 1993 im Staatstheater Darmstadt einstudiert hatte, führte das Städtische Orchester Bremerhaven sicher durch die farbenreiche Partitur, die in spätromantischen Klängen mit breiter Orchestrierung schwelgt und stellenweise stark an Filmmusik erinnert, was nicht verwunderlich ist, da Korngold ja in seinen späteren Jahren in Hollywood die amerikanische Filmmusik auf ein Niveau führte, das sie in ihren früheren Jahren vermissen ließ. Dabei war auch Tetzlaff gesundheitlich angeschlagen, da er aufgrund einer Knieoperation vor zwei Tagen in seinen Bewegungen recht eingeschränkt war. Seine Arme waren allerdings nicht beeinflusst, so dass er einen faszinierenden Klang aus dem Orchestergraben zauberte, in den man regelrecht eintauchen konnte und der - wie die Solisten und der Chor auch - mit verdientem Applaus belohnt wurde. Schade war nur, dass die zweite Aufführung bereits viele leere Plätze aufwies.

 

FAZIT

Bewegende Opernrarität in einer stimmigen Inszenierung. Es ist für die Opernlandschaft gut, wenn auch Komponisten wie Korngold, Schreker und Zemlinsky in Zukunft wieder häufiger ihren Weg auf die Spielpläne finden. Nun müssen nur noch die Zuschauer auch hingehen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stephan Tetzlaff

Inszenierung
Petra Luisa Meyer

Ausstattung
Okarina Peter
Timo Dentler

Chor

Ilia Bilenko

Dramaturgie
Juliane Piontek

 

Opern- und Extrachor des
Stadttheaters Bremerhaven

Städtisches Orchester
Bremerhaven



Solisten

*rezensierte Aufführung

Simone Trovai, Hauptmann von Venedig
Sangmin Lee

Violanta, seine Gattin
Kirsten Blanck

Alfonso, Prinz von Neapel
Hans-Georg Priese

Giovanni Bracca, ein Maler
Thomas Burger

Matteo
Daniel Kim

Bice
Lilli Wünscher

Barbara, Violantas Vertraute
Kathrin Verena Bücher

1. Magd
*Pinelopi Argyropoulou /
Elena Zehnoff

2. Magd
Nina Böhlke /
*Ann Juliette Schindewolf

Soldat
Andrey Telegin

Nerina, Violantas verstorbene Schwester
Ines Wemme

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Stadttheater Bremerhaven
(Homepage)



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