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Parsifal

Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 45' (zwei Pausen)

Premiere am 12. Juni 2012, De Nederlandse Opera, Amsterdam


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De Nederlandse Opera
(Homepage)
Eine Welt im Spiegel

Von Joachim Lange / Fotos von Hans van den Bogaard


Mit der nächsten Spielzeit wird Pierre Audi ein Vierteljahrhundert die Nederlandse Opera in Amsterdam leiten. Da schließen sich schon mal bestimmte Kreise. Klaus Michael Grübers legendärer Parsifal gehörte zu den ersten Stücken einer ästhetisch offenen Spielplanstrategie, mit der er dem Haus an der Amstel nachhaltig einen vorderen Platz in der europäischen Opernlandschaft gesichert hat. So überrascht es nicht, wenn er, mit dem Wagnerjahr vor Augen (und seinem eigenen, reaktivierbaren Ring in den Magazinen), jetzt das erste Mal selbst Parsifal inszeniert.


Vergrößerung

Dass er sich dazu Anish Kapoor als Bühnenbildner einlädt, folgt nicht nur dem Trend, aus der erhofften ästhetischen Reibung mit einem bildenden Künstler Funken zu schlagen und einen Aufmerksamkeitsbonus mitzunehmen. Audi und Kapoor haben beide einen Hang zum großformatigen Effekt und obendrein auch schon zusammengearbeitet. Bei der Salzburger Uraufführung von Wolfgang Rihms Dionysos hatte der Amsterdamer Langzeitintendant zudem die exzentrisch assoziative Ausstattung von Jonathan Meese sinnvoll integriert. Im Falle des Parsifal ist das Resultat jetzt nicht ganz so eindeutig. Die drei archaischen Riesenfelsbrocken des ersten Aufzuges sind ein ziemlich konventionelle Pappmaschee-Kulisse, der Amfortas allzu dicht an einem Passionsspiel Jesus. Bei der Gralsenthüllung durchdringt sein Blut ganz direkt ein Tuch, wobei dessen bloßer Anblick für die Arbeiter im Steinbruch des Herrn zum Aufladen der Batterien reichte. Beim „Zum Raum wird hier die Zeit“ dagegen zieht sich Kapoor jedoch aus der Affäre - und die Technik einfach den Vorhang. Auch der Karfreitagszauber wird szenisch einfach übergangen.

Immerhin geht es im zweiten Aufzug deutlich in Richtung eigentlichem Kapoor und Abstraktion. In Klingsors Reich beherrscht ein gewaltiger runder Hohlspiegel den ansonsten leeren Raum. Mit allen zufälligen Spiegel- und Akustikeffekten, die das hat. Mehr zufällig tauchen da die Protagonisten oder auch mal das Orchester auf. Von oben schwebt ein Licht (der Erkenntnis?) herab und illuminiert gebrochen die vokal eskalierende, fast konzertante Auseinandersetzung zwischen Kundry und Parsifal. Bei den Blumenmädchen, die erst bis aufs Gesicht vollverhüllt sind (und dann berüschte Standbilder), muss Parsifal schon hellsehen können, um deren Verführungskraft zu erkennen. Beim Untergang von Klingsors Reich lässt er per Handzeichen den Speer zerspringen, so dass man sich in einem ganz anderen Wagnerstück wähnt. Im dritten Aufzug steht nur eine Wand mit kreisrunder Öffnung quer auf der Bühne. Die Ritter marschieren in schlichten schwarzen Anzügen auf, sind mit einem Kreuz bemalt. Wenn sich am Ende der Kapoor-Spiegel über dem Loch herabsenkt, dann ist das eher das abstrakte Zeichen einer Implosion als eines für irgendeine Art von Hoffnung, die in der Komplettierung ja auch liegen könnte. Der zurückgehende Parsifal sticht mit dem inzwischen wieder vollständigen Speer Amfortas nieder, geht einfach und Audi zieht für das restliche Personal den Stecker. Die gehen allesamt zu Boden. Nur Gurnemanz bleibt aufrecht, als Schatten seiner selbst oder vielleicht als der Chronist des Nichts. Vielleicht laufen ja die sparsamen Installationen Kapoors zu Audis konventionell erzählender Personenführung darauf hinaus, das Aufgehen des Raums im Klang zu postulieren.

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Bleiben szenisch so mehr Fragen und Zweifel, so bot die musikalische Seite dieses Parsifal vokale Gewissheiten und bewusstseinserweiterende Antworten. Sängerische Qualität gehört zum Markenzeichen des Intendanten Audi. Und so gibt es auch hier kaum etwas auszusetzten. Christopher Ventris ist ein sich wunderbar steigernder, strahlkräftiger und mitfühlender Parsifal, Petra Lang eine erstklassig hochdramatische Kundry, die auch für exzessive Stöhnzugaben genug Kraft hat, Alejandro Marco-Buhrmesters gehört zu den besten Amfortas-Interpreten und auch Mikhail Petrenko macht aus seinem Klingsor (und gleich noch aus Titurel) eine eindrucksvolle Studie der Verzweiflung. Dass Falk Struckmann wohl nicht mehr von seiner manierierten Artikulation abzubringen ist, lässt sich bei seinem militant zugespitzten Gurnemanz ohne jede balsamische Güte verschmerzen, zumal es weder beim übrigen Ensemble noch beim Chor ernsthafte Einwände gibt. Das eigentliche Parsifalereignis kommt aus dem Graben. Iván Fischer flutet den Saal geradezu mit all der transparenten Klangopulenz, zu der Hollands Nobelorchester im Stande ist, dabei bevorzugt er eine eher flotte Gangart, die gleichwohl nicht gehetzt wirkt, trägt die Stimmen und sorgt für den Zauber und das große Mitfühlen, das auf der Bühne über weite Strecken nur Behauptung bleibt.


FAZIT

In Amsterdam blieb Anish Kapoor mit seiner Ausstattung von Pierre Audis Inszenierung hinter den Erwartungen zurück, Iván Fischer am Pult des Concertgebouw Orchesters und die Solisten machten gleichwohl ein musikalisches Ereignis aus dieser Produktion. Der Jubel war – wie in Amsterdam üblich – kurz aber heftig, und einhellig für alle.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Iván Fischer

Regie
Pierre Audi

Bühne
Anish Kapoor

Kostüme
Christof Hetzer

Licht
Jean Kalman

Choreographie
Gail Skrela

Choreinstudierung
Martin Wright

Dramaturgie
Klaus Bertisch



Chor der Nederlandse Opera

Königliches Concertgebouworkest


Solisten

Amortas
Alejandro Marco-Buhrmester

Titurel
Mikhail Petrenko

Gurnemanz
Falk Struckmann

Parsifal
Christopher Ventris

Klingsor
Michail Petrenko

Kundry
Petra Lang

Gralsritter
Jean-Léon Klostermann
Roger Smeets

Knappen
Lisette Bolle
Rosanne van Sandwijk
Erik Slik
Jeroen de Vaal

Blumenmädchen
Lisette Bolle
Oleksandra Lenyshyn
Inez Hafkamp
Tomoko Makuuchi
Melanie Greve
Rosanne van Sandwijk

Stimme aus der Höhe
Marieke Reuten





Weitere Informationen
erhalten Sie von
De Nederlandse Opera
(Homepage)



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