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Alle mögen's blond
Von Joachim Lange
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Fotos von Hans van den Bogaard
Am Ende haben nicht nur alle brav auf Miss Monroe gewartet, sondern auch eine gehörige Portion Marilyn bekommen. So ungefähr jedenfalls. Und sofern es auf einer Opernbühne überhaupt möglich ist, sich einer solchen Ikone anzunähern. Dabei kommen der niederländische Opernkomponist Robin de Raaff (Jahrgang 1968) und seine Librettistin Janine Brogt zumindest nicht so weit vom Wege ab, dass nur ein fastfood musical rauskommt. So wie bei Mark-Anthony Turnage letztes Jahr in London mit seinem Versuch, die Biographie von Anna Nicole Smith auf die Bühne zu stellen. Dass Raaff, die Inszenierung von Lotte de Beer und Laura Aikin in der Hauptrolle diesen britischen Versuch, der mehr auf neue Zuschauersegmente als auf einen ernsthaften Beitrag zum Genre zielt, locker in die Tasche stecken, liegt natürlich auch an ihrem Gegenstand. Marilyn Monroe (1926-1962) ist auch fünfzig Jahre nach ihrem Tod noch so lebendig, stilbildend und attraktiv, dass man in der Amsterdamer Stadsschouwburg, in der Waiting for Miss Monroe jetzt als Koproduktion von Holland Festival und De Nederlandse Opera uraufgeführt wurde, allemal mit der Aura des Originals aufwarten kann. Miss Monroe (Laura Aikin)
Aus drei Tagen ihres Leben werden drei Akte: Ein Arbeitstag am Filmset oder eben auch nicht, dem Happy-Birthday-Mr.-President und ihrem Todestag. Dabei wird natürlich keins der unverwüstlichen Klischees ausgelassen. Der blonde Star, den alle umschwirren, der aber innerlich zutiefst verunsichert ist, die Trophäe gleich beider Kennedy-Brüder samt Sex im Weißen Haus, und dann die einsam verlassene und jung und an allem möglichen sterbende Marilyn, die sich nur ihrem Tonband anvertraut. Auch auf ihre beiden berühmtesten Roben muss niemand verzichten. Die Ausstatter Clement &Sanôu lassen es sich weder entgehen, das berühmte weiße Kleid, das überm U-Bahn Schacht so einmalig hochwehte, gleich fünf Doubels überzuziehen, noch für Laura Aiken das hautfarbene, lange Glitzerschmuckstück nachzuschneidern, das sie bei ihrem Auftritt zum Präsidentengeburtstag im Madison Square Garden trug. Ein Arbeitstag am Filmset Beim exzentrischen Stargezicke am Set oder daheim auf der Sonnenliege oder beim Fototermin wirkt die amerikanische Sopranistin noch etwas bieder, legt dann aber atemberaubend zu. Nicht nur mit ihrem bis hin zur Koloratur auf exzentrisch gebürsteten Gesang, sondern auch darstellerisch. Gerade beim Auftritt vor dem großen Auftritt schlechthin läuft, tanzt, schwankt und schreitet Laura Aikin zur darstellerischen Hochform auf: Mit ihren Zusammenbrüchen am Schminktisch. Beim alptraumgrotesk überdrehten Auftauchen der Kennedybrüder (die sich bei John Tessier und Daniel Belcher wie uniformierte Collegeboys aufführen) oder von Ex Joe DiMaggio (Tom Randle) und Clark Gable (Alain Coulombe). Und beim selbstlosen Kampf der Garderobiere Paula (wunderbar mezzosatt: Helen Rasker) und des Make-up Boys Whitey (Counter David DQ Lee) um ihr Kleid, ihre Maske und sie selbst. Raaffs Musik, der sich das Nederlands Kamerorkest mit Steven Sloane am Pult mit offenkundiger Spielfreude und Emphase annehmen, setzt aufs große Orchester, verstört nicht durch avantgardistischen Ehrgeiz, zitiert souverän. Sie illustriert das Lamentieren der ewig am Set auf ihren Star wartenden Filmtruppe um das Hollywood-Musterexemplar Fox (für den Dale Duesing sich ziemlich quälen muss), lässt den Dialogen Raum, auch im Saal anzukommen. Meist ist sie aber darauf gestimmt, dass dieses Leben wohl nicht im sonnenbeschienenen Ruhestand enden kann. Lotte de Beer verschiebt für ihre angemessene szenische Umsetzung mit raumgreifender Geste die Kulissen für Filmset, Marilyns Domizil oder ihre Garderobe und macht aus dem Vorhang eine Filmblende. Für Momente der Besinnung und der Selbstreflexion wechseln Licht und Tempo. Das Ständchen für den Präsidenten gibt es nur aus der Backstage-Perspektive, wie in einem Albtraum eines mit den Projektionen der anderen letztlich überforderten Stars.
Diese Marilyn-Monroe-Oper funktioniert als Theater. Sie ist kurzweilig, steigert sich in den zweieinhalb Stunden vor allem dank der atemberaubenden Laura Aikin, auch wenn sie am Ende den Klischees doch nur für Augenblicke entkommt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Ausstattung und Licht
Solisten
Marilyn Monroe
John F. Kennedy
Robert F. Kennedy
Clark Gable
Joe DiMaggio
Norma Jeane
Fox
Eve Maria Kowan
Paula
Whitey
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