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Slapstick-Komödie mit MarschmusikVon Thomas Molke / Fotos von Jutta Missbach
Die Marquise von Birkenfeld (Leila Pfister)
benötigt erst einmal eine Beruhigungsspritze von Hortensio (Yong Yae Moon) (im
Hintergrund: der Chor).
Erzählt wird die Geschichte der Marketenderin Marie, die als kleines Kind von
den Soldaten des 21. Regiments aufgenommen worden ist und seitdem als Regimentstochter ein glückliches Leben führt. Ihr einziges Problem ist, dass sie
den Zivilisten Tonio liebt, als Regimentstochter aber nur einen Mann aus dem
Regiment heiraten darf. Tonio überlegt nicht lange und ist bereit, obwohl er als
Tiroler eigentlich ein Feind der Franzosen ist, dem Regiment als Soldat
beizutreten, um diese Auflage zu erfüllen. Doch die Marquise von Birkenfeld, die
in den Wirren des Krieges ins Soldatenlager geflüchtet ist, erkennt in Marie
ihre uneheliche Tochter, die das Ergebnis einer Liaison mit dem französischen
Hauptmann Robert ist. Marie gegenüber gibt sie sich als Tante aus und
nimmt sie mit auf ihr Schloss Birkenfeld, um ihre angebliche Nichte in die
adelige Gesellschaft einzuführen und mit dem einflussreichen, aber alten Herzog
von Krakentorp zu vermählen. Marie kann sich nur schwer an das Leben im Schloss
gewöhnen, ist aber bereit, aus Pflichtgefühl den Herzog zu heiraten. Da stürmt
Tonio kurz vor der Unterzeichnung des Ehevertrags mit dem Regiment das Schloss
und droht der Marquise, ihr Geheimnis auffliegen zu lassen, wenn sie sich nicht
Marie als Mutter zu erkennen gibt. Als Marie auch für ihre Mutter bereit ist,
den Ehevertrag mit dem Herzog zu unterschreiben, zerreißt die Marquise selbst
den Vertrag und ist bereit, Tonio die Hand ihrer Tochter zu gewähren.
Die Marquise (Leila Pfister, rechts) erklärt
Marie (Leah Gordon, Mitte) den Verhaltenskodex in der adeligen Gesellschaft
(links: die Klavierlehrerin (Teresa Rizzoli)).
Andreas Baesler verlegt die Handlung, die eigentlich in Tirol kurz vor Ende der
napoleonischen Kriege im 19. Jahrhundert spielt, in die 40er beziehungsweise
50er Jahre des 20. Jahrhunderts, was sich vor allem in den Kostümen von Gabriele
Heimann ausdrückt. Die Alpen spielen dabei nur in zwei Gemälden an der rechten
und linken Bühnenwand und in den Horntönen aus dem Orchestergraben als
Schauplatz eine Rolle. Kaspar Zwimpfer hat für den ersten Akt ein Bühnenbild
konzipiert, das einen nach vorne gekippten Raum darstellt, so dass der Fußboden
die Rückseite der Bühne darstellt. An der Rückwand hängen ein Sofa mit einer
alten Lampe und ein Schreibtisch. Der Teppich mit Leopardenmuster deutet an,
dass es sich bei dem umgekippten Raum um das Schloss der Marquise handeln
könnte, da sie ebenfalls in ihren Kostümen und auf ihren Koffern das
Leopardenmuster aufnimmt. Immerhin befinden sich im zweiten Akt der Schreibtisch
und das Sofa auf dem Boden. Auch die gleichen Gemälde schmücken die rechte und
die linke Bühnenwand, dieses Mal richtig aufgehängt. Nur die Lampe ist nicht
identisch, mit der Lampe, die im ersten Akt an der Wand hing. Während sich im
ersten Akt bei den zahlreichen Trümmern auf dem Boden auch ein zerstörtes
Klavier befindet, steht im zweiten Akt an der gleichen Stelle ebenfalls ein
Flügel. Die Rückwand zeigt in der Mitte einen großen roten Vorhang. Wenn Tonio
im zweiten Akt mit dem Regiment auftritt, um die Hochzeit zu verhindern, wird
diese Rückwand umgekippt und offenbart den gleichen Hintergrund wie im ersten
Akt, allerdings ohne Möbelstücke. Wie im ersten Akt wird dieser Hintergrund von einem Panzer
eingerissen, wobei allerdings Blumen die Kanone des Panzers zieren,
vielleicht, um eine friedliche Absicht anzudeuten.
Tonio (Martin Nyvall, links), Marie (Leah Gordon)
und Sulpice (Daeyoung Kim) schmieden einen Plan. In die
Personenregie baut Baesler zahlreiche Slapstick-Elemente ein, um den
komödiantischen Charakter des Werkes zu unterstützen. Marie ist als
Marketenderin nicht nur dafür verantwortlich, dass die Soldaten mit
Hochprozentigem, hier Bierdosen, versorgt werden, sondern ist auch für die Wäsche
zuständig und reicht bei ihrem Abschied vom Regiment am Ende des ersten Aktes
jedem Soldaten noch einmal ein Paar Socken, das diese dann im zweiten Akt -
gebraucht versteht sich - auf Schloss Birkenfeld wieder an Marie übergeben.
Allerdings lassen sich nicht alle Einfälle als gelungen betrachten.
Beispielsweise wird nicht klar, wieso die Marquise als Junkie vorgeführt wird
und in jeder Szene zur Beruhigung den einen oder anderen Schuss benötigt. Auch
warum der Herzog von Krakentorp als Karl Lagerfeld dargestellt wird, erschließt sich nicht,
stört das Publikum allerdings weniger. Dass auch diese Gags amüsiert aufgenommen
werden, mag aber vor allem dem schauspielerischen Talent der Sängerdarsteller
zuzuschreiben sein. So haben auch die gesprochenen Dialoge genügend Tempo und
führen nicht zu einer gewissen Langatmigkeit, die bei Opern und Operetten mit
gesprochenen Zwischentexten häufig zu beobachten ist.
Happy End inmitten des Regiments (Chor): Marie
(Leah Gordon) und Tonio (Martin Nyvall).
Musikalisch bewegt sich die Inszenierung auf hohem Niveau. Lobend zu erwähnen
sind vor allem die Holzbläser der Staatsphilharmonie Nürnberg, die mit sauberem
Klang ein regelrechtes Alpenpanorama zaubern. Auch mit dem restlichen Orchester
erzeugt Christian Hutter einen schmissigen, leicht operettenhaften Klang, der
bisweilen noch ein bisschen deutlicher hätte ausdifferenziert werden können. An
einigen Stellen wäre weniger mehr gewesen, wenn das Orchester im ersten Akt zu
Beginn den gut einstudierten Chor und Extrachor des Staatstheater Nürnberg unter
der Leitung von Tarmo Vaask übertönt. Mit den Solisten geht Hutter dann doch ein
wenig rücksichtsvoller um. Daeyoung Kim gefällt als Sulpice mit kräftigem Bass
und guter Textverständlichkeit. Darstellerisch lässt er den Sergeanten zum
eigentlichen Sympathieträger des Stückes werden. Martin Nyvall meistert die sehr
anspruchsvolle Partie des Tonio mit einem weichen Tenor, dem nur in den Höhen
hier und da die erforderliche Durchschlagskraft fehlt, so dass die zahlreichen
hohen Cs nicht immer ganz sauber intoniert werden. Die Stars
des Abends sind die beiden Damen. Leila Pfister stattet die Marquise von
Birkenfeld mit einem satten Mezzo und ungeheurer Komik aus. Wie sie hektisch
über die Bühne wirbelt, ohne dabei albern zu wirken, sondern immer in der Rolle
glaubhaft bleibt, zeugt von großem schauspielerischem Talent. Leah Gordon
ist optisch und stimmlich eine Idealbesetzung für die Titelpartie. Zum einen
verfügt sie über die jugendliche Ausstrahlung und die Spielfreudigkeit, mit der
sie einerseits ihr unkonventionelles Leben im Regiment zelebriert, andererseits
ihre fehlende Anpassungsfähigkeit in der adeligen Gesellschaft demonstriert, zum
anderen lässt ihr leuchtender Sopran in den zahlreichen Koloraturen keine
Wünsche offen. Eindringlich gelingt ihr die Cavatine "Par le rang et par
l'opulence" im zweiten Akt, in der sie in Hoffnungslosigkeit versinkt.
Großes komödiantisches Talent zeigt sie in ihrer Gesangsstunde zu Beginn des zweiten Aktes,
während sie es bei "Salut à la France" noch einmal so richtig krachen
lässt. So gibt es
am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten.
Musikalisch und szenisch eine Donizetti-Interpretation, die die Fahrt nach
Nürnberg auf jeden Fall lohnt. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
Licht
Dramaturgie
Statisterie Staatstheater Solisten*rezensierte Aufführung
Marie, Marketenderin
Marquise von Birkenfeld
Tonio, ein junger Tiroler
Sulpice, Sergeant
Hortensio, Diener der Marquise
Der Herzog von Krakentorp
Ein Notar
Ein Korporal
Ein Bauer
Die Klavierlehrerin
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