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Die Regimentstochter -
La fille du régiment

Opéra-Comique in zwei Akten
Text von Jules Henri Vernoy Marquis de Saint-Georges und Jean François Alfred Bayard
Musik von Gaetano Donizetti

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Dialoge in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Nürnberg am 16.06.2012
(rezensierte Aufführung: 01.07.2012)


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Staatstheater Nürnberg
(Homepage)

Slapstick-Komödie mit Marschmusik 

Von Thomas Molke / Fotos von Jutta Missbach


Gaetano Donizettis Opéra-Comique La fille du régiment genoss bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs gewissermaßen den Status einer französischen Nationaloper. So wurde dieses Werk regelmäßig am Abend des 14. Juli zur Erinnerung an den Sturm auf die Pariser Bastille 1789 auf den Spielplan gestellt, wobei die schmissige Cabaletta "Salut à la France" bald als zweite französische Nationalhymne galt, wenn nicht ohnehin am Ende der Oper auf der Bühne und im Publikum die "Marseillaise" angestimmt wurde. Das Staatstheater Nürnberg setzt nun mit dieser Komödie über den Krieg, in der Donizetti gekonnt französische mit italienischen Stilelementen verbindet, seine erfolgreiche Belcanto-Reihe fort, die der Intendant Peter Theiler in Nürnberg seit vier Jahren sorgfältig pflegt und die seit Theilers Weggang aus Gelsenkirchen im Ruhrgebiet etwas stiefmütterlich behandelt wird.

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Die Marquise von Birkenfeld (Leila Pfister) benötigt erst einmal eine Beruhigungsspritze von Hortensio (Yong Yae Moon) (im Hintergrund: der Chor).

Erzählt wird die Geschichte der Marketenderin Marie, die als kleines Kind von den Soldaten des 21. Regiments aufgenommen worden ist und seitdem als Regimentstochter ein glückliches Leben führt. Ihr einziges Problem ist, dass sie den Zivilisten Tonio liebt, als Regimentstochter aber nur einen Mann aus dem Regiment heiraten darf. Tonio überlegt nicht lange und ist bereit, obwohl er als Tiroler eigentlich ein Feind der Franzosen ist, dem Regiment als Soldat beizutreten, um diese Auflage zu erfüllen. Doch die Marquise von Birkenfeld, die in den Wirren des Krieges ins Soldatenlager geflüchtet ist, erkennt in Marie ihre uneheliche Tochter, die das Ergebnis einer Liaison mit dem französischen Hauptmann Robert ist. Marie gegenüber gibt sie sich als Tante aus und nimmt sie mit auf ihr Schloss Birkenfeld, um ihre angebliche Nichte in die adelige Gesellschaft einzuführen und mit dem einflussreichen, aber alten Herzog von Krakentorp zu vermählen. Marie kann sich nur schwer an das Leben im Schloss gewöhnen, ist aber bereit, aus Pflichtgefühl den Herzog zu heiraten. Da stürmt Tonio kurz vor der Unterzeichnung des Ehevertrags mit dem Regiment das Schloss und droht der Marquise, ihr Geheimnis auffliegen zu lassen, wenn sie sich nicht Marie als Mutter zu erkennen gibt. Als Marie auch für ihre Mutter bereit ist, den Ehevertrag mit dem Herzog zu unterschreiben, zerreißt die Marquise selbst den Vertrag und ist bereit, Tonio die Hand ihrer Tochter zu gewähren.

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Die Marquise (Leila Pfister, rechts) erklärt Marie (Leah Gordon, Mitte) den Verhaltenskodex in der adeligen Gesellschaft (links: die Klavierlehrerin (Teresa Rizzoli)).

Andreas Baesler verlegt die Handlung, die eigentlich in Tirol kurz vor Ende der napoleonischen Kriege im 19. Jahrhundert spielt, in die 40er beziehungsweise 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, was sich vor allem in den Kostümen von Gabriele Heimann ausdrückt. Die Alpen spielen dabei nur in zwei Gemälden an der rechten und linken Bühnenwand und in den Horntönen aus dem Orchestergraben als Schauplatz eine Rolle. Kaspar Zwimpfer hat für den ersten Akt ein Bühnenbild konzipiert, das einen nach vorne gekippten Raum darstellt, so dass der Fußboden die Rückseite der Bühne darstellt. An der Rückwand hängen ein Sofa mit einer alten Lampe und ein Schreibtisch. Der Teppich mit Leopardenmuster deutet an, dass es sich bei dem umgekippten Raum um das Schloss der Marquise handeln könnte, da sie ebenfalls in ihren Kostümen und auf ihren Koffern das Leopardenmuster aufnimmt. Immerhin befinden sich im zweiten Akt der Schreibtisch und das Sofa auf dem Boden. Auch die gleichen Gemälde schmücken die rechte und die linke Bühnenwand, dieses Mal richtig aufgehängt. Nur die Lampe ist nicht identisch, mit der Lampe, die im ersten Akt an der Wand hing. Während sich im ersten Akt bei den zahlreichen Trümmern auf dem Boden auch ein zerstörtes Klavier befindet, steht im zweiten Akt an der gleichen Stelle ebenfalls ein Flügel. Die Rückwand zeigt in der Mitte einen großen roten Vorhang. Wenn Tonio im zweiten Akt mit dem Regiment auftritt, um die Hochzeit zu verhindern, wird diese Rückwand umgekippt und offenbart den gleichen Hintergrund wie im ersten Akt, allerdings ohne Möbelstücke. Wie im ersten Akt wird dieser Hintergrund von einem Panzer eingerissen, wobei allerdings Blumen die Kanone des Panzers zieren, vielleicht, um eine friedliche Absicht anzudeuten.

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Tonio (Martin Nyvall, links), Marie (Leah Gordon) und Sulpice (Daeyoung Kim) schmieden einen Plan.

In die Personenregie baut Baesler zahlreiche Slapstick-Elemente ein, um den komödiantischen Charakter des Werkes zu unterstützen. Marie ist als Marketenderin nicht nur dafür verantwortlich, dass die Soldaten mit Hochprozentigem, hier Bierdosen, versorgt werden, sondern ist auch für die Wäsche zuständig und reicht bei ihrem Abschied vom Regiment am Ende des ersten Aktes jedem Soldaten noch einmal ein Paar Socken, das diese dann im zweiten Akt - gebraucht versteht sich - auf Schloss Birkenfeld wieder an Marie übergeben. Allerdings lassen sich nicht alle Einfälle als gelungen betrachten. Beispielsweise wird nicht klar, wieso die Marquise als Junkie vorgeführt wird und in jeder Szene zur Beruhigung den einen oder anderen Schuss benötigt. Auch warum der Herzog von Krakentorp als Karl Lagerfeld dargestellt wird, erschließt sich nicht, stört das Publikum allerdings weniger. Dass auch diese Gags amüsiert aufgenommen werden, mag aber vor allem dem schauspielerischen Talent der Sängerdarsteller zuzuschreiben sein. So haben auch die gesprochenen Dialoge genügend Tempo und führen nicht zu einer gewissen Langatmigkeit, die bei Opern und Operetten mit gesprochenen Zwischentexten häufig zu beobachten ist.

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Happy End inmitten des Regiments (Chor): Marie (Leah Gordon) und Tonio (Martin Nyvall).

Musikalisch bewegt sich die Inszenierung auf hohem Niveau. Lobend zu erwähnen sind vor allem die Holzbläser der Staatsphilharmonie Nürnberg, die mit sauberem Klang ein regelrechtes Alpenpanorama zaubern. Auch mit dem restlichen Orchester erzeugt Christian Hutter einen schmissigen, leicht operettenhaften Klang, der bisweilen noch ein bisschen deutlicher hätte ausdifferenziert werden können. An einigen Stellen wäre weniger mehr gewesen, wenn das Orchester im ersten Akt zu Beginn den gut einstudierten Chor und Extrachor des Staatstheater Nürnberg unter der Leitung von Tarmo Vaask übertönt. Mit den Solisten geht Hutter dann doch ein wenig rücksichtsvoller um. Daeyoung Kim gefällt als Sulpice mit kräftigem Bass und guter Textverständlichkeit. Darstellerisch lässt er den Sergeanten zum eigentlichen Sympathieträger des Stückes werden. Martin Nyvall meistert die sehr anspruchsvolle Partie des Tonio mit einem weichen Tenor, dem nur in den Höhen hier und da die erforderliche Durchschlagskraft fehlt, so dass die zahlreichen hohen Cs nicht immer ganz sauber intoniert werden.

Die Stars des Abends sind die beiden Damen. Leila Pfister stattet die Marquise von Birkenfeld mit einem satten Mezzo und ungeheurer Komik aus. Wie sie hektisch über die Bühne wirbelt, ohne dabei albern zu wirken, sondern immer in der Rolle glaubhaft bleibt, zeugt von großem schauspielerischem Talent. Leah Gordon ist optisch und stimmlich eine Idealbesetzung für die Titelpartie. Zum einen verfügt sie über die jugendliche Ausstrahlung und die Spielfreudigkeit, mit der sie einerseits ihr unkonventionelles Leben im Regiment zelebriert, andererseits ihre fehlende Anpassungsfähigkeit in der adeligen Gesellschaft demonstriert, zum anderen lässt ihr leuchtender Sopran in den zahlreichen Koloraturen keine Wünsche offen. Eindringlich gelingt ihr die Cavatine "Par le rang et par l'opulence" im zweiten Akt, in der sie in Hoffnungslosigkeit versinkt. Großes komödiantisches Talent zeigt sie in ihrer Gesangsstunde zu Beginn des zweiten Aktes, während sie es bei "Salut à la France" noch einmal so richtig krachen lässt. So gibt es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Musikalisch und szenisch eine Donizetti-Interpretation, die die Fahrt nach Nürnberg auf jeden Fall lohnt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gábor Káli /
*Christian Hutter

Inszenierung
Andreas Baesler

Bühne
Kaspar Zwimpfer

Kostüme
Gabriele Heimann

Choreinstudierung
Tarmo Vaask

Licht
Olaf Lundt

Dramaturgie
Kai Weßler


Chor und Extrachor des
Staatstheater Nürnberg

Statisterie Staatstheater
Nürnberg

Staatsphilharmonie Nürnberg


Solisten

*rezensierte Aufführung

Marie, Marketenderin
Heidi Elisabeth Meier /
*Leah Gordon

Marquise von Birkenfeld
Leila Pfister

Tonio, ein junger Tiroler
Tilman Lichdi /
*Martin Nyvall

Sulpice, Sergeant
Daeyoung Kim

Hortensio, Diener der Marquise
Dariusz Siedlik /
*Yong Yae Moon

Der Herzog von Krakentorp
Hartmut Schmiedner

Ein Notar
Erik Raskopf

Ein Korporal
Michael Kunze

Ein Bauer
Luzuko Mahlaba

Die Klavierlehrerin
Teresa Rizzoli


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
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