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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2012 - 23.08.2012


Il viaggio a Reims

Cantata scenica in einem Akt
Libretto von Luigi Balocchi
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Wiederaufnahme-Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 14. August 2012
(Produktion von 2001)


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Rossini Opera Festival

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Kreuzfahrt ohne Ziel

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)


Während in diesem Jahr in Bad Wildbad eine Aufführung von Rossinis Adina mit einem ausschließlich jungen Ensemble ein Novum der dortigen Nachwuchsförderung darstellte, hat dieses Verfahren beim Rossini Opera Festival schon eine lange Tradition. Seit 2001 steht jedes Jahr an zwei Vormittagen Rossinis letzte auf ein italienisches Libretto komponierte Oper Il viaggio a Reims in einer Inszenierung von Emilio Sagi auf dem Programm, die Elisabetta Courir beim Festival Giovane mit jungen Sängerinnen und Sängern der Accademia Rossiniana erarbeitet. Die Cantata scenica, die Rossinis erstes Werk als künstlerischer Leiter am Théâtre Italien in Paris markiert, bietet jungen Künstlern, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, aufgrund der zahlreichen Rollen mit relativ gleichberechtigtem sängerischen Anspruch die Möglichkeit, zum einen Erfahrungen zu sammeln, die ihre jungen Stimmen nicht schädigen dürften, zum anderen sich für Intendanten und Festspielleiter auf der Suche nach künftigen Sängern zu empfehlen. So ist beispielsweise Elena Tsallagova, die letztes Jahr in dieser Produktion als Corinna debütierte, in der diesjährigen konzertanten Abschlussveranstaltung Tancredi als Amenaide an der Seite der renommierten Daniela Barcellona zu erleben. Den Festspielbesuchern bieten diese Veranstaltungen die Chance, die ersten musikalischen Schritte der Stars von morgen mitzuerleben.

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Madama Cortese (Anna Pegova, vorne Mitte) gibt Maddalena (Silviya Angelova, vorne links) und dem Personal (von links: Davide Luciano, Ilona Mataradze, Mattia Olivieri, Alize Rozsnyai, Lorenzo Nincheri, Raffaella Lupinacci, Davide Giusti und Lilly Jørstad) letzte Anweisungen vor der Ankunft der Gäste.

Die Inszenierung der Oper über eine illustre Reisegruppe, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen, dort aber nie ankommt, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht, deshalb im Hotel bleibt und dort ihr eigenes Fest veranstaltet, bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird nur mit neuen Interpreten umgesetzt. Emilio Sagi siedelt die Szene auf einem Schiff an, das, wie der blaue Hintergrund andeutet, nirgends ankommt. Während das Personal des Kurhotels in der weißen Kleidung mit den Namensschildern eher an Krankenpfleger erinnert und die Gäste einheitlich in weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, wechseln alle Figuren, wenn klar ist, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann und folglich im Hotel gefeiert werden soll, die Kleidung und legen schwarze Abendgarderobe an, in der sie nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff ihre eigene Party feiern. Dass am Ende der Aufführung zum feierlichen Schlussgesang Corinnas der König Karl X. als Kind mit Krone höchstpersönlich auftritt und mit drei Luftballons als Szepter Hände schüttelnd durch den Zuschauerraum schreitet, wird von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, so dass er sich schließlich an der Bühnenrampe niederlässt und, während die anderen mit Champagner feiern, sich seinem Butterbrot und einem Softdrink widmet.

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Entspannung auf Deck (vordere Reihe von links: Barone di Trombonok (Filippo Fontana), Don Profondo (Davide Luciano), Don Alvaro (Lorenzo Nincheri), Marchesa Melibea (Lilly Jørstad) und Conte di Libenskof (Miloš Bulajič), hintere Reihe von links: Antonio (Fumiyuki Kato), Delia (Alize Rozsnyai), Modestina (Raffaella Lupinacci), Maddalena (Silviya Angelova) und Madama Cortese (Anna Pegova))

Das junge Ensemble, dem bei der Gestaltung der Bühnenfiguren im Rahmen des Regiekonzeptes großer Freiraum eingeräumt wird, besteht aus 16 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. So fallen direkt zu Beginn Silviya Angelova als etwas hektisches Dienstmädchen Maddalena und Mattia Olivieri als Hotelarzt Don Prudenzio mit großem Spielwitz auf, wobei Angelova in ihrem expressiven Spiel stellenweise jedoch ein wenig übertreibt. Lilly Jørstad gibt die Zofe der Contessa di Folleville, Modestina, als ein leicht schnoddriges junges Mädchen, das mehr Interesse an den neuesten Modetrends als an den Bedürfnissen ihrer Herrin hat. Ein wunderschönes Bild entsteht in der dritten Szene, wenn Anna Pegova als Madama Cortese ihren Angestellten mit sehr beweglichen Koloraturen die letzten Anweisungen vor dem Erscheinen der Gäste gibt und das Personal mit Seifenblasen dazu eine verträumt kitschige Atmosphäre schafft. Es folgt der Auftritt Hulkar Sabirovas als Contessa di Folleville, die mit ausdrucksstarker Darstellung ihrem Namen alle Ehre macht. Mit leicht dunkel eingefärbter Stimme präsentiert sie mit ihrer vorgetäuschten Ohnmacht eine regelrechte Karikatur einer französischen Adeligen, die sich im weiteren Verlauf mit Ilona Mataradze als Corinna in den Ensembles mit wetteifernden Koloraturen herrliche Zickenduelle liefert, aber auch durch beinahe unauffällige Gesten den stets flirtenden Cavalier Belfiore, der von Davide Giusti mit höhensicherem Tenor präsentiert wird, an seinen Platz in dieser Gesellschaft erinnert.

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Finale (von links: Dario Shikhmiri, Silviya Angelova, Mattia Olivieri, Anna Pegova, Lorenzo Nincheri, Hulkar Sabirova, Randall Bills, Ilona Mataradze, Baurzhan Anderzhanov, Miloš Bulajič, Lilly Jørstad, Alize Rozsnyai, Fumiyuki Kato und Raffaella Lupinacci)

In der nächsten Szene präsentiert Raffaella Lupinacci die polnische Witwe Marchesa Melibea als regelrechten Vamp, der mit wohl timbriertem Mezzo gleich zwei Herren um den Verstand bringt. Während Dario Shikhmiri einerseits optisch als spanischer Edelmann Don Alvaro die bessere Figur macht, kann er andererseits auch mit recht voluminösem Bass punkten, wohingegen Alessandro Luciano als Conte di Libenskof vor allem in den tenoralen Höhen mit der Partie ein wenig überfordert ist. Das fehlende Stimmvolumen versteht er jedoch, mit expressivem Spiel wettzumachen. So müssen die anderen Gäste bei seinen Eifersuchtsattacken stets verhindern, dass er mit einem Hocker oder anderen Gegenständen auf den spanischen Edelmann losgeht. Lupinacci genießt dabei sichtlich ihr Spiel mit den beiden Männern. Ilona Mataradze zieht als Corinna darstellerisch Parallelen zur Marchesa, da ihr Verhalten den Männern gegenüber ebenfalls nicht ganz so glockenrein ist, wie ihr Sopran in ihrer ersten Szene, wenn sie aus einer Loge im Publikum zu den sanften Klängen der Harfe mit warmem, beweglichem Sopran die aufgeheizte Stimmung auf der Bühne beruhigt, glauben lässt. So ist sie den ständigen Avancen des Cavaliers grundsätzlich nicht abgeneigt und hat auch kein Problem, mit diesem Verhalten den sie anschmachtenden Lord Sidney zu verletzen. Baurzhan Anderzahnov überzeugt in der Rolle des Lords mit profundem Bariton und herrlicher Melancholie, die von Pegova, Angelova, Jørstad und Alize Rozsnyai mit roten, ausgeschnittenen Papierherzen die im Takt der Musik schlagen, herrlich karikiert wird.

Aufhorchen lässt auch Davide Luciano, der mit beweglichem Buffo-Bass als Literat Don Profondo für komische Momente sorgt. Seine Arie "Medaglie incomparabili", in der er eine Liste von Wertgegenständen für die Reise erstellt, wird zu einem Höhepunkt des Vormittags. Wie Luciano dabei die einzelnen Nationalitäten in ausdrucksstarkem Spiel und Gesang persifliert, sorgt beim Publikum für große Begeisterung und bringt ihm stürmischen Applaus ein. Ähnliches Talent zeigt das Ensemble zu Beginn der letzten Szene, wenn vor Corinnas Lobgesang auf König Karl X. die einzelnen Gäste eine traditionelle Melodie ihrer Heimat anstimmen. Für deutsche Ohren besonders amüsant ist dabei immer wieder, dass Rossini für den deutschen Barone di Trombonok bereits mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhunderts komponierte, die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat. Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch die von Pegova und Luciano vorgetragene Melodie "Più vivace e più fecondo", mit der die traditionellen Klänge der Alpenmusik persifliert werden. Abgerundet wird die Vormittagsveranstaltung durch das akkurat aufspielende Orchestra Sinfonica G. Rossini, das Piero Lombardi mit sicherer Hand in fein abgestimmten Tempi durch die vielschichtige Partitur führt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch Elisabetta Courir einreiht, die diese Inszenierung mit den jungen Sängerinnen und Sängern erarbeitet hat.

FAZIT

Es ist immer wieder ein Erlebnis, wie junge Sängerinnen und Sängern der gleichen Inszenierung jedes Jahr durch ihre Darstellung einen individuellen Stempel aufdrücken.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Piero Lombardi

Regie und Bühne
Emilio Sagi

Szenische Leitung
Elisabetta Courir

Kostüme
Pepa Ojanguren

 



Orchestra Sinfonica
G. Rossini



Solisten

*rezensierte Aufführung

Corinna
*Ilona Mataradze /
Mariangela Sicilia

Marchesa Melibea
*Raffaella Lupinacci /
Lilly Jørstad

Contessa di Folleville
Hulkar Sabirova

Madama Cortese
Anna Pegova

Cavalier Belfiore
*Davide Giusti /
Randall Bills

Conte di Libenskof
*Alessandro Luciano /
Milo
š Bulajič

Lord Sidney
Baurzhan Anderzhanov

Don Profondo
Davide Luciano

Barone di Trombonok
Filippo Fontana

Don Alvaro
*
Dario Shikhmiri /
Lorenzo Nincheri

Don Prudenzio
Mattia Olivieri

Don Luigino / Gelsomino
*Lorenzo Nincheri /
Dario Shikhmiri

Delia
Alize Rozsnyai

Maddalena
Silviya Angelova

Modestina
*Lilly Jørstad /
Raffaella Lupinacci

Antonio / Zefirino
Fumiyuki Kato

 

 

 


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