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Kultur

Die Geisel Gottes an der Salzach

Kein Jubelgesang: Händels "Tamerlano" in Salzburg

Sein Ruf in der Geschichte ist der beste nicht: Der mittelasiatische Eroberer Tamerlan alias Timur Lenk, berüchtigt für seine Grausamkeit, trägt wenig schmeichelhafte Beinamen wie "Geißel Gottes" oder "Brandfackel des Universums". Aus den Totenschädeln seiner Feinde errichtete er schmucke Pyramiden. Auch in Georg Friedrich Händels Oper "Tamerlano" von anno 1724 ist er alles andere als eine Lichtgestalt, obwohl er am Ende Gnade vor Unrecht ergehen lässt. Bezwungen hat ihn sein Gegenspieler, der von ihm besiegte, aber moralisch nicht zu brechende osmanische Sultan Bajazet. Dessen Selbstmord durch Gift, ein Abgang voll hasserfüllter Würde, gehört zum Faszinierendsten, was Händel je geschrieben hat. Und die konzertante Aufführung im Großen Festspielhaus wurde dank Idealbesetzung zum Triumph.

Die vertrackte Handlung von Francesco Hayms Libretto: Der blutige Despot Tamerlano, Prinzessin Irene von Trapezunt versprochen, möchte Bajazets ebenfalls gefangene Tochter Asteria, die ihn naturgemäß verabscheut, zur Frau; sein Verbündeter Andronico, der Geliebte Asterias und eher ein sogenanntes Weichei, soll mit Irene abgespeist werden. Das sehr plötzliche, der Barockkonvention geschuldete "lieto fine", also der gute Ausgang mit dem Schlusschor "Schon strahlt ein schöner Tag / in seinem Glanz", wird von Händel in düstere Farben getaucht. Es ist, dem zutiefst ernsten Grundcharakter des Werks angemessen, kein Jubel-, sondern ein expressiver Trauergesang in Moll.

Bajazet gilt als eine der ersten wirklichen Tenorhauptrollen, dem Starsänger Francesco Borosini auf Leib und Stimme komponiert. Kein Wunder, dass der 71-jährige und buchstäblich nimmermüde Domingo, der vor 37 Jahren in Salzburg debütierte, nicht mit strahlenden Spitzentönen prunken kann. Indes macht jahrzehntelang bewährte musikalische Intelligenz das mehr als wett - durch kraftvoll kernige Eleganz und imponierende Charakterisierungskunst.

Händels "Tamerlano" benötigt, um volle Wirkung zu entfalten, zwei Weltklasse-Countertenöre. Mit Franco Fagioli als Andronico und Bejun Mehta in der Titelpartie stehen sie in Salzburg zur Verfügung. Fagiolis Technik ist stupend, noch die kniffligsten Koloraturen geraten bei ihm brillant. Trotzdem gebührt Mehtas Tamerlano die Palme des Sieges, das heißt: Er heimste den lautesten Jubel ein. Seine Arien und Rezitative sind leuchtende Klangrede von ungeheurer Intensität, auf den Punkt gebrachte Emotion. Nach der Arie "Schon erzürnt mein Herz sich mehr und mehr" explodiert der Beifall geradezu, auch Dirigent und Orchester schließen sich ihm an. Marc Minkowski am Pult seiner Musiciens du Louvre Grenoble atmet mit den Solisten, rollt ihnen einen allerfeinst gewebten Klangteppich aus - von kammermusikalischer Transparenz bis zu, bei Bedarf, dramatischer Wucht.

Zu den Damen ist der Maestro von ausgesuchter Höflichkeit - wahrlich keine übertriebene Geste. Denn die junge russische Sopranistin Julia Lezhneva als Asteria betört mit Reinheit der Linienführung, ist fabelhaft im verhauchenden Pianissimo, das sich sogar im Riesenauditorium gespannteste Aufmerksamkeit verschafft. Auch die dunkler gefärbte Irene von Marianne Crebassa will man in diesem Musiktheater der Affekte keinesfalls missen. Die fast vier Stunden vergingen wie im Fluge. Genau so muss sich ein Luxusfestival anhören.

Nochmals am 12. August

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