SN.AT / Salzburg / Kultur

Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele

Die letzte Opernpremiere der Festspielsaison galt Bernd Alois Zimmermanns 1965 uraufgeführten "Soldaten". Werk und Aufführung feierten einen triumphalen Erfolg.

Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele
Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele
Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele
Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele
Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele
Nachtkritik: "Die Soldaten": Eine Großtat der Festspiele


Endlich, gerade einmal zehn Tage vor Ende dieser in ihrer Gesamtheit doch sehr beliebigen und sehr oft belanglosen Saison, zeigten die Salzburger Festspiele, was das Einzigartige ihres Anspruchs sein kann und sein muss. Die letzte Opernpremiere, "Die Soldaten" von Bernd Alois Zimmermann, geriet am Montag in der Felsenreitschule zur denkwürdigen Modellaufführung.

Sie ruht, kollektiv betrachtet, auf einem beispielhaften Ensemblegeist, wo von den Pferdeführern bis zur Trägerin der Hauptrolle (fabelhaft: Laura Aikin als Marie), von jedem einzelnen der grandios musizierenden Wiener Philharmoniker bis zu den Komparsen der Wille spür- und erlebbar war, Außerordentliches zu leisten und zu geben.

Warum diese Aufführung aber - bei Einwänden im szenischen Detail, die nach diesem ersten Eindruck noch zu sortieren und zu formulieren sein werden - in die Geschichte der Festspiele eingehen wird, hat mit dem Dirigenten zu tun: Ingo Metzmacher übertraf sich nach seinen Meisterleistungen für Luigi Nono ("Prometeo", "Al gran sole") noch einmal selbst.

Unglaublich allein die dirigiertechnische Souveränität, mit der er die Monsterpartitur überblickt und gestaltet, unfassbar die orchestrale und vokale Übersicht, die mehr ist als die Beherrschung von Material und Apparat. Metzmacher gelingt es so, dem Werk eine glühende, leidenschaftliche und zugleich auch zärtlich "menschliche" Leuchtkraft und eine jederzeit stringente strukturelle Klarheit zu geben, die schwerlich überbietbar sein dürfte.

Den mustergültigen Ensemblegeist stärken perfekt besetzte Sänger in Spitzen- und Nebenpositionen, im Solo und in der Gemeinschaft, neben Laura Aikin besonders Tomasz Konieczny als Stoltzius, Daniel Brenna als Desportes, Alfred Muff als Wesener, Renée Morloc als Stoltzius´Mutter und Gabriela Benackova als Gräfin de la Roche, sowie eine Regie (Alvis Hermanis), die über die eindrucksvoll beherrschte Breite der Bühne ein imposantes, präzise durchgezeichnetes Gesellschaftspanorama in minutiösen Genreszenen ausmalt.

Das mag, unterm Strich, zu wenig an direkt fühlbarer Empathie zeigen, wie sie in einem geschlosseneren Rahmen wohl leichter herstellbar ist, trifft sich aber durchaus mit Zimmermanns Intentionen, mehr als eine geradlinige "Geschichte" zu erzählen. Es werde, so formulierte der Komponist, vielmehr "eine Situation dargestellt, noch genauer gesagt: der Bericht über eine Situation vorgelegt, die von der Zukunft her die Vergangenheit bedroht … insofern wir darin ständig verwickelt sind, in der rotierenden Kugel der Zeit ständig Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft begegnend." Und: "Nicht das Zeitstück, das Klassendrama, nicht der soziale Aspekt, nicht auch die Kritik an dem Soldatenstand (zeitlos vorgestern wie übermorgen) bildeten für mich den unmittelbaren Beziehungspunkt, sondern der Umstand, wie alle Personen der 1774-75 von Lenz geschriebenen Soldaten unentrinnbar in eine Zwangssituation geraten, unschuldig mehr als schuldig, die zu Vergewaltigung, Mord und Selbstmord und letztenendes in die Vernichtung des Bestehenden führt."

Das Publikum hat die Herausforderung angenommen. Der frenetische Beifall übertraf in Phonstärke und Dauer locker jenen nach "La Bohème". Auch das sollte den Verantwortlichen dieser Festspiele zu denken geben.

KULTUR-NEWSLETTER

Jetzt anmelden und wöchentlich die wichtigsten Kulturmeldungen kompakt per E-Mail erhalten.

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.

KOMMENTARE (0)