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Le nozze di Figaro    
(Die Hochzeit des Figaro)

Oper in vier Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart 

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 20' (eine Pause)

Premiere im Palladium am 12. Oktober 2012


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Oper Köln
(Homepage)

Hinter der Buffo-Fassade

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Paul Leclaire

Mozarts 1786 in Wien uraufgeführtes Werk Le nozze di Figaro ist seine erste Zusammenarbeit mit Lorenzo da Ponte: Eine „Opera buffa“ mit leicht grotesk burlesk verspielt dramatischen Momenten, deren tragik-komische, differenzierte Charakterzeichnung sich besonders in den Ensembles und Aktfinali zeigt. Welch musikdramatisches Meisterwerk sich dahinter verbirgt, offenbaren im Palladium das Gürzenich-Orchester und Konrad Junghänels historisch geprägte, lebendig inszenierte, wunderbar akzentuierte, sprechend gestaltete Interpretation.

Barbarina sucht verzweifelt die Nadel. Figaro im Hintergrund.

Vor diesem Hintergrund entwickelt Benjamin Schad, der kurzfristig für den ehemaligen Intendanten Uwe Eric Laufenberg eingesprungen ist und für die Kölner Inszenierung von Benjamin Brittens „The Turn of the Screw“ 2012 mit dem Götz-Friedrich-Regiepreis ausgezeichnet wurde, das Szenario einer sich im Umbruch befindenden Gesellschaft. Thema ist die Liebe zwischen Besitzansprüchen, Macht und Eifersucht. Gemeinsam mit der Musik entsteht eine versöhnlich endende, zwischen Tragik und Komik changierende, hintersinnige Momentaufnahme, in der Gefühle und Wünsche der Protagonisten detailliert und anspielungsreich beleuchtet werden. Aus der „Opera buffa“ ist eine „Oper in 4 Akten“ geworden.

Zu Beginn lachen den Zuschauer noch ein männlich- und weibliches Strichmännchen auf einer schwarzen Hauswand an. Sie sind  mit weißer Kreide gezeichnet und fassen sich an den Händen. Jemand hat einen violetten, erigierten Riesenpenis hinzugefügt. Zur Ouvertüre zeigt Schad, wer wie reagiert. Vorbei gehen, Ignorieren, Lachen, sich abwenden, Augen zuhalten, den Penis wegwischen, verkleinern wollen, aber – oh Malheur, das Wischen zieht einen Riesenfleck nach sich – was lachend vom Publikum kommentiert wird. Einfalls- und anspielungsreich weiß Schad mit den Erwartungen und Emotionen des Publikums zu spielen. Die Außenwand wird in der ersten Szene zu einem mit Schaukelpferd garnierten, an eine Baustelle erinnernden Innen, das der Graf überraschend betritt, in dem er sich umständlich durch „zarte“ Plastikhaut kämpft.

Ensembleszene aus dem 4. Akt 

Schritt für Schritt zerfällt jedoch die Buffa-Motorik, macht einer tragik-komischen Suche Platz, in der die Geschlechter sich eifersüchtig belauern, verletzen und aneinander vorbei agieren. Die nächtlichen Verwirrungen des vierten Aktes entwickeln sich zu einer Art psychoanalytischer Traumlandschaft. Tobias Flemming hat dazu den Bühnenraum mit schwebenden, gesichtslosen, sinnlich-üppigen an Botero-Skulpturen erinnernden Stoffpuppen ausgestattet. Dazu tanzen barocke Pärchen mit fantasievollen Turmfrisuren Menuett. Im Hintergrund lenkt der intrigante Basilio die erotischen Geschicke. Nicht nur die Figur der Marcellina wird mit ihrer normalerweise gestrichenen Arie im vierten Akt aufgewertet. Mit viel Einfühlungsvermögen beleuchtet Schad auch den tragik-komischen Charakter Cherubinos. Mit Lockenkopf und Pagenoutfit verkörpert Adriana Bastidas-Gamboa eine naive, tollpatschige Putte, die zugleich tragik-komische Projektionsfläche der Anderen ist. Wie sie körperlos, mehr hauchend als singend, schlank, in ruhigem Zeitmaß die Melodietöne von „Voi que sapete“ aneinander zieht, führt die ganze Tragik dieser Figur, die sich aussichtslos gegen ihre Verkleidung wehrt, vor Augen und wurde vom Premierenpublikum mit viel Applaus bedacht.

Zu Beginn des 2. Aktes führt Schad mit Fantasie und Liebe zum Detail kleine, den Protagonisten nachempfundene Spielfiguren in das turbulente Geschehen ein. Während Contessa Almaviva - von Maria Bengtssons klangvollem Sopran mit Empfindsamkeit und Grandezza zugleich ausgestattet - in einem schmucklosen, weißen Raum voller Schmerz über die enttäuschte Liebe, die Figuren einzeln vor die weiße Kiste platziert und ihren kleinen Ersatzgatten an sich drückt, um am Ende der Kavatine verzweifelt am Boden zu liegen, schleudert ihr tobender, eifersüchtiger Gatte die Cherubino-Ersatzfigur auf den Boden, benutzt Figaro sie, um seine Pläne zu erläutern.

Gärtner Antonio beschwert sich. Im Hintergrund von links nach rechts: Susanna, Graf, Gräfin und Figaro.

Überhaupt lassen Orchester und das transparent und musikalisch gestaltende Gesangsensemble in Arien und Ensembles hier im zweiten Akt die ganze Charakterisierungskunst Mozarts aufblitzen. Eine zwischen Stillstand und Bewegung pendelnde Dramatik der Handlung und eine noch komplexere Dramatik der Musik fließen nahtlos ineinander, sodass ein wunderbares, mal be-, mal entschleunigtes Dialogisieren entsteht. Zu dem wundervoll besetzten Gesangsensemble zählt auch Claudia Rohrbach, die für die erkrankte Ofelia Sala einsprang. Sie ist eine mal schlank, mal leicht vibrierende, mit ihrer Stimme dynamisch und artikulatorisch auch in den Rezitativen ausdrucksstark singen- und spielende Susanna. Matias Tosis klangvoller, klarer, lyrischer Bass-Bariton verkörpert einen herausfordernden Figaro. Mark Stone charakterisiert den Conte Almaviva flexibel, mal lyrisch schmeichelnd, mal dramatisch, brustig aufbrausend. Hilke Andersens stellt eine naive, koloraturbewegte Marcellina dar. Gilles Cachmaille überzeugt in seiner Arie als virtuoser, rachelüsterner Bartolo.

FAZIT

Eine musikalisch überzeugende, einfallsreich inszenierte, die tragik-komischen Seiten der Mozart-Oper auslotende Inszenierung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Konrad Junghänel

Inszenierung
Benjamin Schad

Bühne
Tobias Flemming

Kostüme
Stephan F. Rinke

Licht
Nicol Hungsberg

Dramaturgie
Olaf Schmitt

Chorleitung
Andrew Ollivant

Choreografische Mitarbeit
Yasha Wang


Chor der Oper Köln
Statisterie der Bühnen Köln
Gürzenich-Orchester Köln

Hammerflügel

Chloé Ghisalberti



Solisten

* Besetzung der Premiere

Conte Almaviva
Mark Stone

Contessa Almaviva
Maria Bengtsson

Susanna
Claudia Rohrbach*

Figaro
Matias Tosi

Cherubino
Adriana Bastidas Gamboa

Marcellina
Hilke Andersen

Basilio
Martin Koch

Don Curzio
Alexander Fedin

Bartolo
Gilles Cachemaille

Antonio
Ulrich Hielscher

Barbarina
Ji-Hyun An

Mädchen
Aoife Miskelly

Mädchen
Marta Wryk


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