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Witz komm raus, Du bist umzingeltVon Joachim Lange / Fotos von Jörg LandsbergSchauspieler kriegen immer mal wieder Lust, in ihrem Job die Fronten zu wechseln. Aus Frust oder Lust. Oder aus beidem. Gründe finden sich. Seien es die altersabhängigen Rollenangebote, die eingefahrenen Handschriften von Regisseuren oder eine an den Theatern jeweils vorherrschende Ästhetik. Man kann aber auch nachvollziehen, dass kreative Schauspieler den Drang verspüren, aus der Rolle der Reproduzierenden auszusteigen und gleichsam selbst die Herrschaft über ihr Bühnen-Alter-Ego zu übernehmen. Selten freilich sind sie damit so erfolgreich wie Herbert Fritsch, der es von seiner Schauspielerkarriere weit jenseits des Debütantenalters aus dem Stand in die Spitzengruppe der vom Feuilleton und von seiner wachsenden Fangemeinde bejubelten Schauspiel-Regisseure brachte. Und - sozusagen als biographische Pointe - seinem früheren Arbeitgeber, der Volksbühne, saalfüllende Kultproduktionen wie der Spanischen Fliege oder Murmel, Murmel bescherte. Da sind sie, die Bremer BanditenSchon weil bei Fritsch auf der Bühne alles immer etwas schneller geht, sei es nun das Reden und Rennen, das Plappern und Fallen, der Slapstick und die pure Alberei, und weil er dabei weder Furcht vor Shakespeare noch Brecht kennt, war es nur eine Frage der kurzen Zeit, wann er im wirklichen Leben die Opernbühne entert. Das steht zwar noch mit den Drei Schwestern von Peter Etvös in Zürich bevor, aber die Operettenbühne hat er schon mal mit Anlauf gestürmt. Ganz im Ernst und mit allem heiligen Unernst in einem. Das nach einer Flaute wieder mit dem Wind (und einem Shootingstar wie Benedikt von Peter als Operndirektor-Steuermann am Ruder) Fahrt aufnehmende Theater in Bremen bot dafür den Unterschlupf. Die Räuberhöhle. Das Komödianten-Spielzimmer - also die Bühne, das Ensemble und die Musiker mit dem fabelhaft selbst mitspielenden Dirigenten Titus Engel am Pult des Bremer Orchesters. Und es bot das richtige Stück nämlich Jacques Offenbachs schon im Original ziemlich verrückte Operetten-Räuberpistole die Banditen. In Deutsch natürlich und von Tobias Schwencke fritschgerecht bearbeitet. Räuberbraut mit Biss Bei diesen Räubern gibt es einen, der das Ausrauben der Bank (anders als bei Brecht) doch dem Dasein als Banker vorzieht. Es gibt dämliche Ordnungshüter und einen Finanzminister, der mit vollen Händen ausgibt, was er nicht hat. Auch die Vertreter der Obrigkeit bekommen hier ihr Fett weg. Und dann gibt's die obligate Lovestory - zwischen Räubertochter Fiorella (Steffi Lehmann) und dem Neuräuber Fragoletto (Nadine Lehner). Alles beginnt mit einem großen, pyrotechnisch luxuriös aufgemotzten Knall. Ganz so, als hätten etwas depperte Bankräuber die Sprengladung falsch dosiert und nicht nur den Tresor, sondern gleich die ganze Bank gesprengt. Jedenfalls beherrscht ein Riesenloch die Bühne, in das man dann Herzenslust den ganzen Abend immer wieder fallen kann und das von oben durch eine Strickleiter zu erreichen ist. Was artistische Kondition verlangt und nicht ganz ungefährlich ist, wie Räuberhauptmann Falsacappa (Hubert Wild) bei den Proben schmerzhaft erfahren musste. Wirtsleuten, die so freundlich sind, ist nicht zu trauenSicher sind da manche Anzüglichkeiten Geschmacksache. Ein paar Mal weniger ans Gemächt gegriffen (dem Musterbanditen Pietro bewahrt Bastian Reiber aber auch als Dauerrammler vom Dienst noch seine Sympathien) oder gegen die Wand gerannt, würde immer noch reichen. Und sicher ist da manches schräge verbale Aussteigen aus dem Sanges- oder Redefluss in die ausgestellte Groteske, weniger ein Nachschmecken als ein überlautes Nachschmatzen. Aber die Geschichte entfaltet in dieser Beschleunigung schnell ihren ganz eigenen Reiz, provoziert wenige, amüsiert viele, funktioniert in der Übertreibung fabelhaft. Wohl auch, weil die Bühne und die Kostüme von bestechender ästhetischer Stimmigkeit sind. Sänger und Schauspieler können sich eben wie die Aufziehpuppen bewegen, wenn sie so opulent schräge Fantasie-Kostüme haben wie die von Victoria Behr. Und man kann diesen Räuber-Cancan entfesseln, wenn der farbintensive, eigentlich aber formenstreng abstrakte Raum so stimmig ist wie der, den sich Fritsch gebaut hat. Gendarmen, die sich einwickeln lassen, sind aus Räubersicht viel wert Obwohl es auf den ersten Blick also nicht so aussieht und sich manchmal auch nicht so anhört, kommen sie alle zusammen Offenbachs subversivem Witz damit ziemlich nahe. Manchmal sieht man sie nur als Köpfe oder als Schattenriss. Doch wohin sie sich auch immer verirren: Am Ende landen sie allemal in einem mitreißenden Finale. Und der bei Fritsch immer mitinszenierten Applausordnung, zu dem das gesamte Ensemble mit trötenden Kazoos das Getrampel der Gendarmen als Ohrwurm des Abends wiederholt.
Herbert Fritsch kidnappt am Theater Bremen Jaques Offenbachs Banditen und erzählt sie so lange gekonnt als Witz bis (fast) jeder lacht. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Bühne
Kostüme
Licht
Chöre
Dramaturgie
Solisten
Falsacappa, Banditenchef
Fiorella, seine Tochter
Fragoletto, ein junger Bauer
Pietro, Falsacappas Vetrauter
Carmagnola, ein Bandit
Domino, ein Bandit
Barbavano, ein Bandit
Cicinella, Bauernmädchen
Zerlina, Bauernmädchen
Herzog von Mantua
Antonio, Schatzmeister
Der Kapitän der Karabinieri
Prinzessin von Granada
Adolphe von Valladolid, ihr Page
Graf von Gloria-Cassis
Baron von Campo-Tasso
Marquise, Mätresse des Herzogs
Baronesse, Mätresse des Herzogs
Pipo, Gastwirt
Pipa, seine Frau
Pipetta, deren Tochter
Staatskurier
Karabiniere mit zwei Trompeten
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