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Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)
Premiere im Opernhaus Hannover am 21. Oktober 2012 Dimitri
Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk gehört
nicht zum
selbstverständlichen Repertoire deutscher Opernhäuser,
erfährt aber in den
letzten Jahren immer mehr Beachtung und so bieten sich dem
Operninteressierten reizvolle
Möglichkeiten, dieses außergewöhnliche Werk in
verschiedenen Produktionen zu
erleben. Außergewöhnlich erscheint diese Oper heutzutage vor
allem, weil Sex,
Gewalt und Brutalität auf den Bühnen zwar allgegenwärtig
sind, hier jedoch tatsächlich
einmal in aller drastischen Darstellung auch hingehören, denn sie
stehen
geradezu plastisch realistisch im Libretto und noch viel intensiver in
der
Partitur. Für die Staatsoper
Hannover hat Frank Hilbrich diese Oper inszeniert und die Handlung in das
Gebäude eines
modernen Unternehmers verlegt. Volker Thiele hat höchst
ansprechende
Bühnenbilder geschaffen. Er hat das Haus der Ismailows ein
Stück erhöht auf die
Drehbühne gestellt, so, dass die beengte bürgerliche Welt
auch optisch sichtbar
wird. Wohn- und Schlafzimmer, sowie die Diele mit Treppe bilden die
Räume auf
dieser Ebene. Darunter, quasi im Keller, liegt Müll, der durch das
Gebälk
hindurch sichtbar ist. Der Bühnenboden und das Proszenium werden
symbolhaft als
zweite Spielebene genutzt. Wenn Katerina und Sergej aus der geordneten
Bürgerlichkeit ausbrechen, umwabern Nebel die Bühne auf der
Bühne, das Haus
wird auf die Hinterbühne geschoben und die beiden legen sich zum
Beischlafen
ins Freie.
Ihr Scheitern zeigt der Regisseur
nicht als Verurteilung und Marsch in die Gefangenschaft und
Zwangsarbeit,
sondern als Abstieg in den untersten Teil der Gesellschaft, dorthin, wo
Menschen und Ratten im Müll nach Brauchbarem suchen.
Dementsprechend zeigt das
letzte Bild eine Müllhalde. Schon zuvor, nach dem Mord an Sinowi
weht immer wieder
Müll auf die Bühne, sammelt sich dort und verdeutlicht so,
dass es sich um
einen schleichenden oder gärenden Prozess handelt. Die Ratten sind
hier genauso zu
finden wie im sonst so edlen Haus. Sowohl Ratten als auch Müll
sprechen eine
symbolische Sprache. Die Ratten, die im Haus die Lebensmittel
wegfressen,
werden auch im Text erwähnt. Soweit ist das Ganze nachvollziehbar
–
andererseits aber eben auch die Crux dieser Inszenierung. Müll als
Symbol ist
so plump und platt und so überstrapaziert – zum Stöhnen
lästig. Da könnte einem
Regisseur doch auch einmal etwas anderes einfallen. Ivan
Turšić (Sinowi), Kelly God
(Katerina) Das ist ganz besonders
bedauerlich, weil Frank Hilbrich eine richtig gute Personenregie
erarbeitet hat,
die hochmusikalisch auch die Brüche und Vielfältigkeiten der
Partitur aufnimmt.
Absolut glaubhaft erscheint die gepflegte Langeweile, die Katerina im
edlen
Ambiente des Hauses ertragen muss. Bedrohlich langsam füllt sich
die Diele mit
Männern, bevor es zur Vergewaltigung der Putzfrau kommt, die, sich
bückend die
Treppe schruppt und mit ihrer Rückansicht die Männer erregt.
Die Umdeutung von
Köchin (Partitur) zu Putzfrau kann in diesem Zusammenhang wirklich
überzeugen.
Blutig brutal wird Sergej von Boris ausgepeitscht. Mit dessen Blut
besudelt
krepiert der Alte danach selbst durch Rattengift. Ganz köstlich
sind beispielsweise
die Auftritte des Popen und der Polizei überzeichnet –
karikaturenhaft, ohne dabei ins peinlich
Alberne abzurutschen
und passend zum ironischen Ton der Musik. Quasi allgegenwärtig in
der
Unternehmerwelt ist der so genannte Schäbige, der eigentlich zur
Ratten/Müll-Gesellschaft gehört. Auch die Verlagerung der
Handlung in ein
modernes Unternehmen ist trotz einiger unlogischer Reibungen ein
interessanter Einfall. Bei einer nicht gerade
häufig
gespielten Oper ist es eine echte Herausforderung, einen Ersatz zu
finden, wenn
die Sängerin der Titelpartie wegen Krankheit ausfällt. Als
Katerina Lwowna
Ismailowa konnte für die hier besprochene Aufführung
Gitta-Maria Sjöberg von
der Königlichen Oper in Kopenhagen gewonnen werden. Nach nur einem
Tag proben
gelang es ihr, sich wie selbstverständlich in dieser Produktion zu
bewegen und sie
erhielt zu Recht am Ende des Abends besonders herzlichen Dank von
Mitwirkenden
und Publikum.
Per Bach Nissen singt ganz
großartig mit gewaltigen Tönen und großem Stimmvolumen
einen angemessen
brutalen Seniorchef Boris. Ivan Turšić gibt dem impotenten Sinowi auch
stimmlich den Charakter, der seine Frau in fremde Arme treibt. Mit
schönen,
aber eben nicht kernigen Klängen gestaltet er damit ganz und gar
überzeugend
diese Figur. Da ist es kein Wunder, dass sich
die untreue Gattin von Sergej verführen lässt, zumal Alexey
Kosarev alles hat,
was ein Liebhaber braucht. Eine attraktive männliche Erscheinung
und einen
kraftvollen, wohltimbrierten, höchst ansprechenden und nicht zu
hell klingenden
Tenor. Michael Dries ist ein köstlich
spielender und singender Pope, Julie-Marie Sundal eine
verführerische Sonjetka
und Edward Mout ersingt sich als Schäbiger mit
herzzerreißend innigen,
wunderschön klingenden Passagen besondere Aufmerksamkeit. Auch das
weitere
Ensemble zeigt, dass in dieser Produktion insgesamt ein hohes Niveau
erreicht
wird.
Musiktheater
auf musikalisch sehr
hohem Niveau und auch szenisch erlebt man in Hannover eine spannende
Inszenierung in eindrucksvollen, aufwändigen Bühnenbildern -
wenn nur der Müll
nicht wäre… Musikalische
Leitung
Inszenierung
Bühnenbild Kostüme Chor Dramaturgie
Chor und Extrachor Solisten Sinowi Ismailow Katerina Lwowna Ismailowa Sergej Axinja Der Schäbige Verwalter Pope Polizeichef/Stepanitsch Lehrer Sonjetka Ein
Ausgestoßener Hausknecht Erster
Vorarbeiter/ Dritter Vorarbeiter Mühlenarbeiter Polizist Weitere
Informationen
Lady
Macbeth von Mzensk
Oper in vier Akten
Text von Alexandr Preis und Dimitri Schostakowitsch
nach der gleichnamigen Novelle von Nikolai Leskow
Musik von Dimitri Schostakowitsch,
Urfassung von 1932
In russischer Sprache mit deutschen
Übertiteln
(rezensierte Aufführung: 26.10.2012)
Staatsoper Hannover
(Homepage)
Faszinierend -
wenn nur der Müll nicht wäre...
Von Bernd
Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk
Das gilt auch für Chor, Orchester
und Dirigentin. Hannovers Generalmusikdirektorin Karen Kamensek bewirkt
mit
knappen, exakten, dabei aber sehr dynamischen Gesten genau die richtige
Kombination von Präzision und Emotionalität. Ein durch und
durch packendes
Dirigat. Das Staatsorchester folgt ihr in Höchstform. Ein
besonderes Lob geht
an das die Leidenschaften darstellende Blechbläserensemble auf der
Bühne.
Angemessen prachtvoll-gewaltig klingt der Chor, den Dan Ratiu bestens
einstudiert hat.
FAZIT
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Produktionsteam
Karen Kamensek
Frank Hilbrich
Volker Thiele
Gabriele Rupprecht
Dan Ratiu
Susanne Reinhardt
Klaus Angermann
Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover
der Staatsoper Hannover
Per Bach Nissen
Ivan Turšić
Gitta-Maria Sjöberg
für die erkrankte Kelly God
Alexey Kosarev
Christine Graham
Edward Mout
Marek Durka
Michael Dries
Brian Davis
Tivadar Kiss
Julie-Marie Sundal
Daniel Eggert
Peter Michailov
betrunkener Gast
Marek Popinski
Zweiter Vorarbeiter/
Kutscher
Vladi Slobinov
Seok-Ho Park
Sang-Ho Lee
Valentin Kostov
Corinna Jeske
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Hannover
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