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Osud (Schicksal)

Oper von Leoš Janáček
Libretto vom Komponisten unter Mitarbeit von Fedora Bartošová


Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Premiere im Nationaltheater Brno (Brünn) am 16. November 2012

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Nationaltheater Brno (Brünn)
(Homepage)

Wenn aus einer alten Liebe und einer großen Katastrophe eine Oper wird

Von Joachim Lange / Fotos von J. Hallonova


Szenenfoto

Knappe Ressourcen hin oder her: einen Standortvorteil hat die mährische Metropole Brno in Sachen Janáček: den Genius loci. Wozu in dem speziellen Falle vor allem die Muttersprachlichkeit der Interpreten gehört. Gerade bei Leoš Janáček (1854-1928) ist nämlich die Musik im Graben der Musikalität der tschechischen Sprache abgelauscht. Der echte Schulterschluss zwischen Musik und Wort ist zwar im Detail nur für Tschechen wirklich überprüfbar. Aber dass sich der Chor und jeder der Interpreten in Brünn in der eigenen Sprache bewegte, sich also voll und ganz dem musikalischen Ausdruck widmen kann und sich nicht auf die phonetischen Klippen des Tschechischen Idioms konzentrieren muss, das ist ein Pfund, mit dem das aller zwei Jahre abgehaltene Internationale Janáček-Festival wuchern kann.

Szenenfoto

Diesmal wurde es mit der selten gespielte Oper Osud (Schicksal) eröffnet. Und der Meininger Intendant Ansgar Haag, den es als Regisseur gerne 'mal in den Osten zieht, hat inszeniert. Dabei ist er in bester Gesellschaft. Ebenfalls zum Festival eingeladen sind nämlich Die Sache Makropulos, die der kanadische Regiestar Robert Carsen schon in Straßbourg heraus gebracht hat und die zuletzt in Nürnberg zu sehen war, und Harry Kupfers Katja Kabanova, die von der holländischen Opera Zuid Maastricht den Weg nach Brünn fand. Dazu gibt es bis zum 25. November noch Erich Wolfgang Korngolds Das Wunder der Heliane sowie eine ganze Reihe weiterer Angebote aus dem zeitlichen und ästhetischen Umfeld Janáčeks. Wobei sich in diesen Einladungen wohl auch die merkwürdige Diskrepanz zwischen der mittlerweile außerhalb Tschechiens zu beobachtenden Akzeptanz, ja Popularität Janáčeks und der alten Weisheit widespiegelt, dass der sprichwörtliche Prophet im eigenen Lande offenbar nicht ganz so viel gilt. So beliebt wie die anderen beiden tschechischen Weltmusiker Smetana und  Dvorak scheint Janáček daheim noch nicht zu sein. Bei den zahlreichen (meist exzellenten und höchst überzeugenden jüngsten Inszenierungen etwa von Jenufa (in Zürich), Katja Kabanova (in Basel), der Sache Makropolus (in Frankfurt) oder dem Schlauen Füchslein (in Leipzig) gerät das Publikum jedenfalls mehr in Verzückung als daheim.

Szenenfoto

Seine (nach Jenufa) zweite tragische Oper hatte Janáček auch als Lebenshilfe für sich selbst komponiert. Bereits 1904/05 fertiggestellt, kam sie erst dreißig Jahre nach dem Tod des Komponisten, 1958 in Brünn, zur szenischen Uraufführung. Was aber keinen Durchbruch für das Werk bedeutete. Seinen Ruf, ein gescheiterter Versuch zu sein, wurde es nicht los. Es gab nur vereinzelte Nachfolgeinszenierungen. David Pountney an der Englisch National Opera 1984 in London und in Bremen und Joachim Herz 1991 in Dresden, Roberto Wilson in Prag vor zehn Jahren und zuletzt Jossi Wielers gerade in Erfurt mit dem FAUST ausgezeichnete Inszenierung in Stuttgart. Dort hatte man sie mit Arnold Schönbergs Einakter Die glückliche Hand kombiniert. Osud hat allerdings auch allein genug Substanz, um einen Opernabend zu tragen.

Musikalisch sowieso, denn die besondere Farbigkeit des streicher- und bläsergemischten Orchesterklanges, die an die Sprache geschmiegte Melodik mit ihren witzig lockeren Anklängen das entfaltet auch in Osud eine suggestive Kraft. In diesem ganz eigenen, irgendwie untergründig katastrophengeschwängerten und sich dann immer wieder vom flinken Parlando in den großen Bogen aufschwingenden Janáček-Sound behaupten das Orchester der Brünner Janáček Oper unter Leitung von Jakub Klecker hörbar Authentizität. Doch auch dem Libretto kann man durchaus etwas abgewinnen. Selbst gebastelt erreicht es zwar auch durch die Mithilfe einer 19jährigen Lehrerin nicht die packende Dramatik und Geschlossenheit der großen Frauen-Opern, die um das Schicksal Jenufas, Katjas und der Elena Makropulos kreisen, aber der vollmundige Titel Schicksal steht doch für ein Mittelding zwischen tragischer Liebes- und Lebensgeschichte und Künstleroper - bei der die Entstehung der Oper selbst in der Oper vorkommt, was natürlich als selbstreferenzielle Pointe einen gewissen Reiz hat.

Szenenfoto

Im ersten Akt trifft der Komponist Živný auf der Kurpromenade seine Jugendliebe Míla wieder. Trotz gemeinsamem Kind von der bösen Schwiegermutter auseinander gebracht, führt das Schicksal die beiden hier nach Jahren wieder zusammen. Nur eben zu einer Kleinfamilie mit dieser Schwiegermutter! Die stürzt dann samt Frau und Kind vom Balkon und den Komponisten in eine Lebenskrise, die er schöpferisch in eine Oper ummünzt, die von genau diesem Schicksal berichtet.

Als dieses Werk schließlich von Studenten aufgeführt werden soll und der allseits geschätzte, verehrte Komponist von der Entstehung des Werkes berichtet, wird er am Ende von der Macht der Erinnerung überwältigt und das Werk bricht – wie unvollendet - plötzlich ab. Bei Ansgar Haag taucht Mila für Momente (nur für uns und Živný sichtbar) da noch einmal auf. Ansonsten erzählt er die Geschichte in einem Zeitkolorit, das bei Simona Vachálková (Kostüme) zwischen der Opulenz bürgerlicher Kurgäste und der studentischen Bescheidenheit changiert. Der exzellente Chor gibt sein Bestes, die plaudernde Geschäftigkeit der Promenierenden und dann den Eifer der Musikstudenten glaubhaft zu verkörpern. Hier hat Ansgar Haag mit beachtlichem Erfolg gegen vorherrschende Konventionen aninszeniert. Sonst stellt er seine Personenführung in den Dienst der Nachvollziehbarkeit der Geschichte. Wobei man sich den Schicksalsschlag Fenstersturz in den locker gestellten, gemusterten Wänden von Kerstin Jacobssen sicher noch spektakulärer vorstellen kann. Vom durchweg überzeugenden Ensemble werden der Živný des markanten Ondrej Šaling, die aufblühende Mila Pavla Vykopalová und der Schwiegermutterdrachen von Iveta Jiřiková ganz zu Recht besonders gefeiert.


FAZIT

Das Festival bietet ein interessantes Programm mit ambitionierten Inszenierungen. Ansgar Haags Osud verhilft einem wenig beachteten Werk Leoš Janáčeks als Auftakt zu seinem Recht. Die Zustimmung war allgemein.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jakub Klecker

Inszenierung
Ansgar Haag

Bühne
Kerstin Jacobssen

Kostüme
Simona Vachálková

Dramaturgie
Patricie Èástková


Chor und Orchester des

Nationaltheater Brno


Solisten

Živný
Ondrej Šaling

Míla Válková
Pavla Vykopalová

Matka Mílina
Iveta Jiřiková

Dr. Suda
Petr Levíèek

Lhotský
Jiří Klecker

Koneèný
Roman Janál

Sleèna Stuhlá
Tereza Merklová Kyzlinková

Doubek (dítì)
Tomáš Dalecký

Poeta/Student
Ondřej Koplík

1.dáma
Martina Králíková

2.dáma / Sl. Pacovská
Lucie Kašpárová

Paní majorová
Lenka Ïuricová

Stará Slovenka
Jitka Zerhauová

Paní radová
Jana Sobotková

Mladá vdova
Jitka Kleèanská

Inženýr
Milan Rudolecký

Verva, elév
Petr Císař

Souèkova, elévka
Andrea Kopřivová

Doubek
Ondřej Koplík

Skleník
Tomáš Krejèiřík



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Nationaltheater Brno
(Homepage)



Da capo al Fine

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