„Lucia di Lammermoor“ am Staatstheater Wiesbaden : Verirrt im schottischen Nebel
Das im Rückblick als romantisch Empfundene des 19. Jahrhunderts ist auch Ausdruck eines unaushaltbaren Aufgespanntseins zwischen historischen Überhängen und unerfüllten Visionen einer Gesellschaft im Umbruch. Die Titelheldin von Gaetano Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“ ist seit jeher Paradigma der resultierenden Katastrophe: Lucias leidenschaftlicher Liebhaber Edgardo postuliert das Primat der Gefühle, wohingegen ihr Bruder Enrico den Vorrang der Familieninteressen einfordert, einschließlich der Vernunfthochzeit mit dem reichen und politisch potenten Arturo Bucklaw. Dieser erwartet nach der Trauung auch den physischen Vollzug der Ehe und das macht das Maß voll: Die junge Frau ersticht den Gatten im Ehegemach, verfällt dem Wahnsinn und stirbt binnen Stunden.