Bild nicht mehr verfügbar.

Falko Hönisch und Tim Serverloh in 'Verkehr mit Gespenstern'.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Vielleicht müssen einen, der sich mit Gespenstern abgibt, ja unausweichlich die Geister der Vergangenheit einholen. Und aus ihrem beharrlichen Spuk ergibt sich dann womöglich notgedrungen ein gewisser Wiederholungszwang. Das Wort "Kammer-Musiktheater", mit dem Hans-Jürgen von Bose seinen Einakter Verkehr mit Gespenstern versehen hat, ließe sich dann nicht nur als Hinweis auf seine Kleinstbesetzung verstehen, sondern ebenso auf jene Enge, die das Stück ausstrahlt.

Kafka hat den gebürtigen Münchner, Jahrgang 1953, über die letzten zehn Jahre in seinen Bann gezogen. Die Uraufführung in der vom Theater an der Wien bespielten Kammeroper ist sein drittes Bühnenwerk, das aus dieser Beschäftigung entstand.

Ihrerseits in den Bann ziehen die langatmigen 70 Minuten trotz ihrer Aufteilung in 24 kurze Szenen allerdings kaum. Dabei könnte das Ensemble aus Countertenor (Tim Severloh), Bariton (Falko Hönisch), Akkordeon (Martin Veszelovicz) und Cello (Luis Zorita) einen solchen Abend im Prinzip durchaus tragen.

Am Engagement aller Beteiligten mangelt es nicht, auch verbinden sich in der Inszenierung und Ausstattung von Peter Pawlik sparsame Tristesse mit Verzweiflungsgesten, die im gewählten Rahmen so vielfältig wie möglich sind. Sonderliche Originalität lässt sich der Szene freilich nicht bescheinigen: Alle vier Akteure sind Wiedergänger von Franz Kafka (fallweise kommen noch zwei Kinder dazu) mit Anzug, Mantel, Hut, Krawatte, werfen mit Papier um sich oder befetzen sich anderweitig - Selbstbezichtigungen auf Basis monomanisch repetierter Textfragmente inklusive, an denen sich auch die beiden Instrumentalisten mit wechselndem Nachdruck beteiligen.

Dass dies alles nur wenig motiviert wirkt, liegt vor allem an einer unentschlossenen Klangsprache, die sich nicht einmal dafür entscheiden kann, ziellos umherzuschweifen. Die Deklamationen der Singstimme klingen durch atonale Intervalle zumeist nach früher Moderne, die Melodien des Cellos - wenn es sich nicht gerade auf Johann Sebastian Bach bezieht - nach neoromantischen Sehnsüchten und empathisch-schwülen Gefühlsentladungen.

Und das gläserne Akkordeon mit seinen langgezogenen Klängen wirkt wie eine Anbiederung an jene, die dieses Modeinstrument zeitgenössischer Komponisten mit Modernität gleichsetzen. Nach eigenem Bekunden möchte Bose "Postmoderne" und "Moderne" miteinander verbinden. Und so lässt er denn auch mitunter das Schreckgespenst der Neuen Musik mit der hässlichen Fratze des Geräuschklangs hervorlugen, flüchtet sich dann wieder in Pathos und wehleidige Kantilenen.

Da hat jemand die musikalische Mottenkiste einen Spalt geöffnet und dabei weder Geist noch Gespenst, dafür aber den Spuk der Wahllosigkeit und Beliebigkeit zutage gefördert.    (Daniel Ender, DER STANDARD, 7./8./9.12.2012)