Oper Graz: Hokuspokus, Hexenschuss!

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Weihnachtspremiere: Viel Jubel in der Oper Graz für Brigitte Fassbaenders kundig-klugen Deutung von Humperdincks nverwüstlichem Meisterwerk „Hänsel und Gretel“. Ein sehr gelungener Premierenabend.

Kinder brauchen Märchen. Erwachsene auch, das wissen wir seit Bruno Bettelheims Klassiker der modernen Märcheninterpretation. In der Oper Graz kommen beide auf ihre Rechnung: Brigitte Fassbaender ist es mit ihrer  Interpretation von Humperdincks unverwüstlichem Meisterwerk geglückt, kindlich-märchenhaften Zauber und eine stringente psychologische Regie in ein überzeugendes, im besten Sinn nostalgisches Ganzes zu gießen.

Bereits zu den Klängen des Orchestervorspiels ist ein Schwarz-Weiß-Film zu sehen, der die Atmosphäre der Handlung vorausdeutet, ohne in Klischees des „deutschen Waldes“ zu verfallen, man ahnt die existenzielle Bedrohung und ist gleichzeitig doch fasziniert vom ungezähmten Wald. Deshalb wirkt dann im ersten Akt der Übergang vom Inneren der Hütte in die Offenheit dieses Waldes so archetypisch berührend, und auch die Darstellung des Knusperhäuschens als (vor-)moderne Schoko-Manufaktur geht ästhetisch glatt auf. Goethes „kindlich-unüberwindliche“ Frömmigkeit beim Abendsegen, drastische Komik in den Hexenszenen und ein unverhohlen positiv gedeutetes Happy End, all diese kontrastierenden Stimmungen werden so unverkrampft wie unmittelbar sinnenfällig bühnenwirksam veranschaulicht.

Domingo Hindoyan entlockt dem gelöst aufspielenden Grazer Philharmonischen Orchester opulente Wagner-Klänge, ohne Humperdincks feinsinnige Lyrismen zu unterschlagen (besonders delikat die Mischungen zwischen Hörnern und Klarinetten), zum orchestralen Höhepunkt geriet die weit ausschwingende „Lebkuchen“-Kantilene im zweiten Akt. David McShane und Hermine Haselböck geben ein vokal wie darstellerisch differenziert agierendes, durchaus nicht einseitig negatives Elternpaar, Manuel van Senden genießt das komödiantische Potenzial seiner Knusperhexenrolle in vollen Zügen, lässt auch deren bösartige Dimension nicht vermissen. Sieglinde Feldhofer moduliert als Gretel, bisweilen mit der Größe des Hauses kämpfend, ihren hellen Sopran überlegt und gekonnt in kindliche Naivität und Reinheit, die berührende Gestaltung des Hänsel durch Dshamilja Kaiser ist die Glanzleistung dieses sehr gelungenen Premierenabends. hasl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2012)

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