Opernspannung für Groß und Klein: Sieglinde Feldhofer (als Gretel) und Dshamilja Kaiser (als Hänsel).

Foto: Grazer Oper / Dimo Dimov

Graz - Brigitte Fassbaender macht Kindern und erwachsenen Opernfreunden eine Inszenierung von Hänsel und Gretel aus einem Guss zum Geschenk. Sie ist märchenhaft, realistisch, weise und ironisch. Es gelingt ihr, Idylle und Sentimentalität auszusparen, aber viel Zauber aufzubauen, der die Fantasie reizt. Helfried Lauckner stellte ein karges heutiges Haus auf die Bühne. Der Wald ist nah, in den geht es tief hinein. Der Nachbarin, die Milch bringt, kann man nicht trauen, und im Dachbodenfenster erscheint manchmal das zweite Gesicht der Mutter. Es ist böse.

Wie kann man das Unfassbare erklären? Die Eltern kämpfen ums Überleben und sind manchmal gedankenlos. Sie essen und scherzen miteinander und denken erst dann an die Kinder. Peter Besenbinder (David McShane) ist nicht unsympathisch, kommt aber betrunken nach Hause. Die überforderte Mutter (Hermine Haselböck) trägt rote Strümpfe wie die Hexe. Doch die Kinder haben einander: Sieglinde Feldhofer entzückt als glaubhafte Gretel, die sich auch stimmlich steigert. Fleißig und pflichtbewusst ist Gretel, aber eben ein Kind wie ihr Bruder Hänsel, den Dshamilja Kaiser mit sattem Mezzo ausstattet.

Im Wald, unter dem riesigen Baum, ist es schön, aber bald bekommen die beiden Angst. Sandmännchen Nazanin Ezazi beruhigt sie mit glockenreiner Stimme, das Unheimliche ist aber immer da - in Gestalt der Nachbarin, in der weißhaarigen Köchin, die so aussieht wie auf Mehlpackungen und die hungrige Kinder mit Süßigkeiten lockt. Manuel von Senden erfreut als überzeugende Knusperhexe. Und: Es wird richtig spannend in der Backstube, wo Lichter blinken und Funken stieben und sich bald die ganze Bösartigkeit der Kinderfresserin zeigt. Hänsel und Gretel merken es schnell und handeln geistesgegenwärtig. So kommt es doch noch zum guten Ende, das alle vereint und die verzauberten Lebkuchenkinder der Singschul' befreit. Aber siehe da - auch die Hexe ist wieder hier!

Jubel gab es auch für Domingo Hindoyan, der mit dem Orchester romantisch melodiös und ohne scharfe Kontraste musizierte, jedoch eine drohende Note ständig aufrecht hielt. (Beate Frakele, DER STANDARD, 18.12.2012)