Nichts als Nichtstun

«Les Aventures du roi Pausole», die Operette von Arthur Honegger aus dem Jahre 1930, gerät am Genfer Grand Théâtre zu einem grossartig feinsinnigen Spass.

Peter Hagmann
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Richten und schlichten, das Tagesgeschäft von König Pausole, in Genf. (Bild: pd)

Richten und schlichten, das Tagesgeschäft von König Pausole, in Genf. (Bild: pd)

Arthur Honegger, das ist nicht nur «Pacific 231», nicht nur «Jeanne d'Arc au bûcher» oder das Weihnachtsoratorium. Bei dem Schweizer Komponisten aus Frankreich kann es auch sehr witzig und spritzig zugehen – wie in «Les Aventures du roi Pausole», einer einst erfolgreichen, heute selten gespielten Operette von 1930. Das ist zurzeit und noch bis Ende Jahr im Genfer Grand Théâtre zu erleben, und dort in einer rundum gelungenen Produktion. Wann darf man sich in einem Opernhaus so königlich amüsieren wie hier? Nämlich über einen König, der sich eines schönen Tages dafür entschieden hat, nichts anderes als nichts zu tun.

365 Ehefrauen

Weshalb Pausole nicht weniger als 365 Ehefrauen hat, eine für jeden Tag des Jahres, und jede von ihnen freut sich ungemein auf ihre Nacht. Eine freilich könnte frustriert sein, denn ausgerechnet die Begegnung mit Diane (Ingrid Perruche) wird ausserordentlicher Umstände wegen um ein Jahr verschoben – doch die Hübsche hält sich wacker schadlos. Die Ausserordentlichkeit der Umstände geht auf Aline (Sophie Angebault) zurück, die sich mit der als Mann verkleideten Tänzerin Mirabelle aus dem Staub gemacht hat. Folgt eine Suchaktion, in welcher der junge, in jeder Hinsicht agile Page Giglio dem alten, bürokratischen Chef-Eunuchen Taxis (Mark Milhofer) den Teppich unter den Füssen wegzieht. Der Anforderungen seines Amtes müde, zieht sich der König am Ende in die Abdankung zurück.

Albert Willemetz erzählt das in einem Libretto, das mit Ironie und virtuos gezügelter Frechheit zur Sache geht. Erheiternd ist es aber vor allem, weil Arthur Honegger darauf mit einer leichtfüssigen, anspielungsreichen Musik reagiert hat und dafür ein kleines, nur dreissig Mitglieder zählendes Orchester einsetzt. Reichhaltig sind die Allusionen – im ersten Akt, wo sieben Damen des Hofstaates dem König in einem halsbrecherischen Vokalensemble Rat erteilen, an das Juden-Sextett aus «Salome» von Strauss, im Mittelakt, wo die Königstochter in einem nicht eben standesgemässen Hotel Station macht, an Verdis «Rigoletto» und im Schlussakt mit seinen wirbelnden Verwechslungen ans Finale von Mozarts «Figaro». Darüber hinaus gibt es manchen verschmitzten Anklang – und dennoch behält die Partitur Honeggers klares persönliches Profil.

Es ist klar zu hören: dank dem Dirigenten Claude Schnitzler, einem alten Hasen und Spezialisten des Fachs, unter dessen Leitung das Orchestre de la Suisse Romande rhythmisch vorzüglich und klanglich exquisit agiert. Und auf der Bühne kommt es zu grandiosen Momenten. Zum Beispiel mit Jean-Philippe Lafont, der als Roi Pausole kräftig, aber mit Geschmack auf die Pauke haut. In der Rolle des Pagen Giglio gibt sich Loïc Felix als ein wendiger Darsteller mit einer schlanken Stimme von grosser Treffsicherheit zu erkennen. Eindrücklich auch Lamia Beuque (Mirabelle) mit ihrem seidenen Alt und Elisa Cenni (Thierette) mit ihrer herrlich soubrettenhaften Beweglichkeit. Die Krone von Roi Pausole gebührt freilich dem von Ching-Lien Wu geleiteten Damenchor des Grand Théâtre, der sich, alles andere als selbstverständlich, in klarer Lineatur übt.

Schweizer Multitalent

Zudem bewegt er sich quirlig und verspielt – der Regisseur Robert Sandoz hat da ganze Arbeit geleistet. Wie überhaupt dieses junge Schweizer Multitalent ein Optimum aus der Vorlage herausgeholt hat. Höchst amüsant, wie hier in der grossen Oper armes Theater vorgespiegelt wird, wie nahtlos die Szenen ineinandergreifen, wie gezielt auch helvetische Tagesaktualität aufs Korn genommen wird – und wie schön das anzuschauen ist. Allein der Anfang mit der ganz leeren bläulichen Bühne, die der Ausstatter Gian Maurizio Fercioni nach und nach zum Theaterraum formt, gehört zu den Bildern, die lange nachwirken.