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Musikfestspiele
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Winter in Schwetzingen

Das Barock-Fest im Rokokotheater des Schlosses
07.12.2012 - 09.02.2013


Polifemo

Dramma per musica in tre atti
Text von Paolo Antonio Rolli
Musik von Nicola Antonio Porpora


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im Rokokotheater am 7. Dezember 2012



 

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Seelenvolles Ungeheuer

Von Christoph Wurzel / Fotos: Florian Merdes
 

Man muss sich schon ziemlich gut in den antiken Mythen auskennen, um die unterschiedlichen Handlungsstränge dieser Oper auseinander zu halten. Da ist zunächst einmal die Geschichte um Odysseus und den Zyklopen, die von Homer erzählt wurde. Wie der irrfahrende Odysseus mit seinen Mannen auf die Insel des einäugigen Riesen gerät, dieser die Gefährten des Odysseus in seiner Höhle einsperrt und nach und nach verspeist, der schlaue Ithaker sich schließlich aus der Klemme befreit, indem er das Scheusal blendet und den tumben Riesen mit seinem angeblichen Namen „Niemand“ überlistet. Die andere Geschichte ist die aus Ovids Metamorphosen von der innigen Liebe zwischen dem Schäfer Acis und der Nymphe Galathea. Nachdem der böse Polifem den sanften Acis aus Eifersucht erschlagen hat, erlösen die Götter den Armen aus der Unterwelt und Acis steigt zur Unsterblichkeit auf. Zum Dritten gibt es noch die schöne Meerfrau Calypso, die wieder laut Homer, den Helden Odysseus, nachdem er dem Zyklopen entkommen war, sieben Jahre auf ihrer Insel aufgehalten haben soll, ehe er zu seiner Penelope heimkehren kann. Dies alles hat der Textdichter Paolo Rolli zu einem einzigen für eine Barockoper relativ überschaubaren Libretto zusammengefügt,  aus dem Nicola Porpora eine seiner 53 Opern gemacht hat. Eine Oper, die nach 277 Jahren nun im Schwetzinger Rokokotheater ihre deutsche Erstaufführung erleben durfte.

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Haris Andrianos als geblendeter Zyklop

Also wieder eine Ausgrabung beim Festival Winter in Schwetzingen des Heidelberger Theaters. Die Ausgrabung einer Oper, die bisher dem Titel nach durchaus nicht unbekannt war. Wenigstens einer Arie daraus haben viele Baroccisti zwischen Kermes und Jaroussky ihre Aufmerksamkeit geschenkt: Alto Giove, dem Schlussgebet des unsterblich gewordenen Acis. Da diese Partie für den großen Farinelli geschrieben wurde, ist sie natürlich auch im gleichnamigen Film verewigt. Das ganze Werk jedoch blieb nach der recht erfolgreichen Premiere im Haymarket Theatre in London jedenfalls im deutschen Raum unaufgeführt. Im Focus steht die Oper freilich dennoch musikgeschichtlich, denn zeitgleich mit Händels Alcina (für Covent Garden) markiert sie Höhepunkt und Niedergang der italienischen Oper in London zugleich. Porpora und Händel hatten sich mit ihrer Konkurrenz der beiden Operntheater gegenseitig bis zum Ruin getrieben. Beide mussten danach das Opernhandwerk aufgeben. Händel verlegte sich auf die Oratorien und Porpora zog sich zurück auf seine Domäne des Gesangsunterrichts. Und als solcher hat er Schüler hervorgebracht, die ihn an Ruhm haushoch überragen, wie eben Farinelli oder Joseph Haydn.

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Verliebter Schäfer Acis: Terry Wey

Dennoch: Porpora erscheint in Polifemo als beachtlicher Opernkomponist. Die Orchesterbehandlung ist farbig und die Arien sind angesichts von Porporas allseits gerühmten Fähigkeiten in der Sängerausbildung hochgradig virtuos. Schließlich sind die beiden Hauptpartien dieser Oper für Farinelli (Acis) und Senesino (Odysseus) komponiert worden. Rein musikalisch spielt der Zyklop dagegen nicht die Hauptrolle, allein dramaturgisch ist er der Dreh- und Angelpunkt der Oper, weil er das Personal nach seinem Willen dirigiert und tyrannisiert. In dieser Inszenierung der jungen Regisseurin Clara Kalus allerdings wird Polifem nicht als das Monster gezeigt, als das er  angesichts seiner Taten auf der Bühne stehen könnte. Auch Polifem hat eine Seele. Da ihn niemand lieben will, erzwingt er sich Liebe mit Gewalt. Keine Sympathie kommt mit dem Übeltäter auf, aber Verständnis für den Missgestalteten. Und der griechische Bariton Haris Andrianos spielt dies deutlich aus. Auch sonst hat die Regie den Rollen viel Charakter mitgegeben: eine Portion Naivität für Galathea (Rinnat Moriah), für Acis (Terry Wey) gehörig pastoralen Sanftmut, für Odysseus (Jacob Huppmann) passende Heldenposen und Calypso (Tijana Grujic) angelt sich als Fischerin die Männer aus dem Meer. Dies alles ist mit Liebe zum Detail und doch einem gehörigen Schuss Ironie entwickelt. Ansonsten ist die Bühne nur mit schwarzem Tuch ausgekleidet, ab und zu öffnen sich Fensteröffnungen für lebende Bilder, die das Geschehen kommentieren und erklären. Ein paar Wolken, auf denen die Verliebten schweben und wenige andere Requisiten lassen in der reduzierten Bebilderung viel Raum für die genaue Erzählung der Geschichte. Am Schluss stellt sich ein glückliches Ende ein, das bildhaft bis ins Publikum zu strahlen scheint.

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Auf Wolke Sieben: Galathea (Rinnat Moriah)

Leider löst die musikalische Seite dieses Glücksversprechen nicht so stark ein. Als Acis ragt Terry Wey mit makellosem Schöngesang aus dem ansonsten soliden Solistenensemble heraus. Das Heidelberger Orchester musiziert gut informiert in historischer Spielweise, Wolfgang Katschner geht die Partitur allerdings bisweilen recht forsch an, lässt insgesamt zu laut spielen, wodurch zu viele Nuancen und Farben auf der Strecke bleiben. Zu flach und plakativ bleibt der Klang zumindest bis zur Pause.

FAZIT

Eine Oper, die diese Wiederentdeckung wert ist. Eine Regie, die großes handwerkliches Können verrät. Junge Sängerinnen, und Sänger, die sich in fordernden Rollen schlagen müssen und ein Orchester, das historisch informiert spielt, aber leider nicht alles aus der Partitur herausholt. Dennoch: ein rundum achtenswertes Engagement auf dem Feld der Barockoper.




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Produktionsteam  

Musikalische Leitung
Wolfgang Katschner

Inszenierung
Clara Kalus

Bühnenbild und Kostüme
Sebastian Hannack

Dramaturgie
Ulrike Schumann



Philharmonisches Orchester
Heidelberg

Statisterie Theater und Orchester
Heidelberg

 

 

Solisten

 

Polifemo
Haris Andrianos

Aci
Terry Wey

Ulisse
Jacob Huppmann

Galathea

Rinnat Moriah

Calipso
Tijana Grujic

Nerea
Irina Stimmes

 


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