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Musiktheater
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Don Carlo

Oper in vier Akten (Mailänder Fassung)
Libretto von Josephe Méry und Camille du Locle nach Don Karlos von Friedrich Schiller
Italienischer Text von Antonio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 25' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 22. Dezember 2012

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Große Emotionen mit großartigem Ensemble

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Nachdem bereits das Theater Hagen im vergangenen Monat mit der Premiere von Don Carlo seinen Beitrag zum anstehenden Verdi-Jubiläumsjahr 2013 geleistet hat (siehe auch unsere Rezension), hat sich nun auch das Musiktheater im Revier dieser letzten der vier Schiller-Vertonungen Verdis gewidmet. Wie in Hagen hat man sich auch in Gelsenkirchen für die "kürzere" vieraktige Mailänder Fassung entschieden, was einerseits schade ist, da es sicherlich für zahlreiche Opernliebhaber einen gewissen Reiz gehabt hätte, eine vieraktige und eine fünfaktige Version des Werkes in relativer Nähe präsentiert zu bekommen. Andererseits bietet allerdings die Beschäftigung mit der gleichen Fassung, eine bessere Möglichkeit, einen Vergleich zwischen den beiden Produktionen zu ziehen, die, was die Inszenierung betrifft, kaum unterschiedlicher ausfallen könnten.

Während Philipp Kochheim in Hagen die Handlung in das Milieu einer Großindustriellen-Familie des ausgehenden 19. Jahrhunderts verlegt, bleibt Stephan Märkis Inszenierung eher zeitlos. Das Bühnenbild von Sascha Gross verzichtet auf jegliches Inventar und besteht lediglich aus einem gewaltigen farblosen Raum, der nach hinten in mehreren Ebenen stufenförmig ansteigt. Dabei kann die Tiefe dieses Raumes durch Wände, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden, verändert werden. Die vorderste Wand, die auch den Vorhang ersetzt, beinhaltet ein riesiges Kreuz, das durch die Lichtregie (Patrick Fuchs) wie ein funkelndes Schwert erstrahlt und damit Zeichen der heiligen Inquisition wird. Die Kostüme von Anna Eiermann sind sehr dunkel gehalten und korrespondieren mit der düsteren Aussage des Stückes.

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Don Carlo (Daniel Magdal) und Elisabeth (Petra Schmidt) im ersten Bild des ersten Aktes (im Hintergrund Alfia Kamalova als Stimme vom Himmel)

Eine besondere Rolle wird Alfia Kamalova als Stimme vom Himmel zuteil, die als Mädchen in einem weißen Kleid mit roten Schuhen und einem weißen Kranz auf dem Kopf das ganze Stück einrahmt. Vor der Ouvertüre springt sie in einem ausgelassenen Kinderspiel über die Bühne, bis sie vor dem riesigen Kreuz halt macht. Die Musik beginnt, und die Wand wird in den Schnürboden gezogen. Auf der nächsten Ebene steht Elisabeth (Petra Schmidt) in einem weißen Hochzeitskleid, misstrauisch beäugt von Philipp (Renatus Mészár). Gemeinsam mit Tebaldo (Dorin Rahardja) zieht Kamalova der neuen Königin das Hochzeitskleid aus und presst sie in ein aufwendiges schwarzes Gewand, das ihr kaum Bewegungsfreiheit lässt. Dabei hält Elisabeth eine kleine Kette in der Hand. Ist das das Bildnis des Infanten, das Philipp später in ihrer Schmuckschatulle findet und ihn veranlasst, ihr Untreue vorzuwerfen? Don Carlo (Daniel Magdal) steht bei dieser Umkleideszene auf einer tieferen Ebene und sieht den Wechsel von der Braut zur Königin quasi vor seinem geistigen Auge, was sein Leiden noch einmal intensiviert. Da kann auch Rodrigo (Günter Papendell) nicht viel ausrichten, der mit seiner Mütze ein wenig an Che Guevara erinnert. Eindringlich gestalten die beiden das berühmte Freundschaftsduett "Dio, che nell'alma infondere", wobei Rodrigo hinter dem Infanten steht und die Stellung eines Kreuzes einnimmt, was schon andeuten könnte, dass er bereit ist, sich für Carlo später zu opfern.

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Philipp (Renatus Mészár, links) und Rodrigo (Günter Papendell) im Gespräch

Leider schafft Märki nicht in allen Szenen eine so ergreifende Personenregie. Bisweilen wirkt die Personenführung ein wenig statisch, so beispielsweise im ersten Bild des zweiten Aktes, wenn Eboli (Carola Guber) erkennt, dass Carlos Liebesschwüre nicht ihr, sondern der Königin gelten. Die folgende Auseinandersetzung zwischen Rodrigo, Eboli und Carlo wird zwar von Papendell, Magdal und Guber großartig gesungen, die szenische Umsetzung bleibt dabei allerdings auf der Strecke. Im vorherigen Duett zwischen Carlo und Elisabeth macht das fehlende Spiel noch Sinn, da Elisabeth sich ja aus Pflichtgefühl dem Werben des Infanten verschließen muss. Im letzten Akt hätte das Zusammenspiel zwischen den beiden allerdings durchaus etwas intensiver ausfallen können. Bei den Massenszenen hingegen versteht Märki es, den Chor recht wirkungsvoll zu positionieren. Das gilt sowohl für die Gartenszene im zweiten Bild des ersten Aktes, wenn er die Damen des Chors in schwarzen Kleidern im Takt der Musik auftreten lässt - nur die roten Schuhe erschließen sich dabei nicht -, als auch für die Autodafé-Szene, wenn der Chor mit der Statisterie um die Stangen wandert, die aus dem Schnürboden herabgelassen worden sind und an denen die Ketzer später hingerichtet werden sollen. Wie aus dieser schweigend laufenden Masse scheinbar wahllos einzelne Opfer für die Hinrichtung herausgegriffen werden, geht unter die Haut.

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Der Großinquisitor (Michael Tews) gebietet dem aufrührerischen Volk (Opern- und Extrachor) Einhalt.

Diskutabel ist der Auftritt des Großinquisitors (Michael Tews). Märki lässt ihn mit Dornenkrone und zerschundenem Körper in weißem Gewand auftreten, wobei er das Kreuz wie Jesus auf dem Weg nach Golgatha hinter sich herzieht. Dass es dabei keinerlei empörte Reaktion im Publikum gibt, zeigt, wie weit man auf deutschen Bühnen mittlerweile gehen kann. Dabei ist bei genauerer Betrachtung dieser Ansatz gar nicht so falsch. Wenn man sich fragt, wieso der Großinquisitor eigentlich die Macht besitzt, zum einen Philipp und zum anderen das Volk in die Knie zu zwingen, ist vielleicht das Bild Jesus' auf dem Weg zur Kreuzigung das einzige, was niemanden die Vorgehensweise der Kirche zur Zeit der Inquisition hinterfragen lässt. So sieht vielleicht Philipp ein, warum er Rodrigo opfern muss, obwohl er glaubt, in ihm den einzigen wahren Freund gefunden zu haben, und nur so lässt sich vielleicht das Volk im Zaum halten, wenn es von Eboli zur Befreiung des Infanten zur Revolution aufgerufen worden ist. Dass in letzterer Szene das Kreuz in der Hand des Großinquisitors auch noch leuchtet, verstärkt diese Aussage noch. Wer sich dennoch durch dieses Bild in seinem Glauben verletzt fühlt, dem sei vielleicht als Entschuldigung gesagt, dass der Großinquisitor ja nicht Jesus darstellt, sondern nur in dessen Rolle schlüpft, um das Volk zu manipulieren, und dass die Kirche zur Zeit der Inquisition kein Mittel zur Manipulation ausgelassen hat, kann sicherlich kaum bestritten werden.

Enden lässt Märki das Stück in großer Hoffnungslosigkeit. Nachdem Carlo und Elisabeth im Kloster San Yuste von Philipp und dem Großinquisitor gestellt worden sind, legt sich Carlo zu der Vielzahl der Leichen, die bereits die Bühne füllen, und auch Elisabeth bricht entkräftet zusammen. Da nützt es auch nichts, dass sie jetzt ähnlich wie Posa eine Mütze als Zeichen der Revolution trägt. Ganz zum Schluss sieht man erneut Kamalova in ihrem weißen Mädchenkostüm, die ihr Kinderspiel vom Beginn der Oper nun zwischen den zahlreichen Leichen ausführt, während die vordere Wand langsam herabgelassen wird. Das Publikum verharrt in einem Moment der Stille, bis euphorischer Applaus losbricht.

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Elisabeth (Petra Schmidt) wartet im Kloster San Yuste auf ein Treffen mit Don Carlo.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf absolut hohem Niveau. Rasmus Baumann lässt mit der Neuen Philharmonie Westfalen die ganze Dramatik von Verdis Musik klanggewaltig aus dem Graben erschallen, was bisweilen nicht immer gerade sängerfreundlich ist, den Solisten jedoch vielleicht auch aufgrund des Aufbaus der seitlichen Bühnenwände keine Probleme bereitet. Christian Jeub hat den Opern- und Extrachor hervorragend auf die großen Tableaus vorbereitet und einen homogenen gewaltigen Klangkörper geschaffen. Auch die kleineren Partien sind hervorragend besetzt. So stellen mit Michael Dahmen, Joachim Gabriel Maaß, Nikolai Miassojedov, Vasilios Manis und Ralf Rhiel hauseigene Ensemble-Mitglieder die Deputierten aus Flandern stimmgewaltig dar. Auch Sun-Myung Kim lässt als königlicher Herold und Graf Lerma mit kräftigem Tenor aufhorchen, auch wenn sein Narrenkostüm mit dem übertriebenen Phallus sicherlich diskutabel ist. Alfia Kamalova stattet die Stimme vom Himmel mit ihrem glockenklaren Sopran wunderschön aus und überzeugt als naives Mädchen mit weißem Opferlamm auf dem Arm. Dong-Won Seo gefällt als Mönch und Karl V. mit großem Bass, und auch Dorin Rahardja überzeugt als Tebaldo mit leichtem Sopran.

Michael Tews gibt einen stimmgewaltigen Großinquisitor, der mit seinem fulminanten Bass durchaus einschüchternd wirkt. Carola Guber zeichnet die Eboli mit einem dramatischen Mezzo, der vor allem in ihrer großen Arie "O don fatale" und im Terzett mit Rodrigo und Carlo zur Geltung kommt. Daniel Magdal stattet die Titelpartie mit einem regelrechten Heldentenor aus, der in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Petra Schmidt beweist als Elisabeth erneut, wieso sie für die letzte Spielzeit mit dem Gelsenkirchener Theaterpreis ausgezeichnet worden ist. Ihre große Arie im letzten Akt, "Tu che le vanità", stellt in der Dramatik des Gesangs einen Höhepunkt des Abends dar. Besonders gut gelingt es ihr auch, die innere Zerrissenheit der Königin darzustellen. Für die Rolle des Philipp ist Renatus Mészár vom Badischen Staatstheater Karlsruhe engagiert worden. Mészár reißt das Publikum mit seinem grandiosen Bass zu regelrechten Begeisterungsstürmen hin. Seine berühmte Arie "Ella giammai m'amò" wird frenetisch vom Publikum bejubelt. Dabei singt er aber nicht nur hervorragend, sondern spielt auch absolut glaubwürdig. Von der Komischen Oper Berlin ist Günter Papendell als Rodrigo zurückgekehrt und begeistert mit seinem laut tönenden, fulminanten Bariton, der sich jederzeit problemlos gegen das Orchester durchsetzen kann. Ihm nimmt man auch optisch den Revolutionär ab. So gibt es am Ende lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten, und auch das Regie-Team erntet nicht einen einzigen Buh-Ruf, obwohl manche Einfälle durchaus diskutabel sind.

FAZIT

Vergleicht man die Gelsenkirchener Inszenierung mit der Hagener, ist dem Musiktheater im Revier auf jeden Fall die bessere Note auszustellen. Auch wenn beide Produktionen ihre Meriten haben, wird man in Gelsenkirchen weniger um seine Gefühle betrogen. Musikalisch sollte man sich keine der beiden Inszenierungen entgehen lassen. Dafür ist die Musik zu schön und das Ensemble zu gut.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Stephan Märki

Regiemitarbeit
Carsten Kirchmeier

Bühne
Sascha Gross

Kostüme
Anna Eiermann

Licht
Patrick Fuchs

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Anna Melcher
 

Opern- und Extrachor
des MiR

Statisterie des MiR

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

*Premierenbesetzung

Philipp II., König von Spanien
*Renatus Mészár /
Don-Won Seo

Elisabeth von Valois
Petra Schmidt

Don Carlo, Infant von Spanien
Daniel Magdal

Rodrigo, Marquis von Posa
*Günter Papendell /
Piotr Prochera

Prinzessin Eboli
Carola Guber

Tebaldo, Page Elisabeths
Dorin Rahardja

Der Großinquisitor
Michael Tews

Ein Mönch (Kaiser Karl V.)
Vasilios Manis /
*Dong-Won Seo

Eine Stimme vom Himmel
*Alfia Kamalova /
Tina Stegemann

Königlicher Herold / Graf Lerma
Sun-Myung Kim

Deputierte aus Flandern
Michael Dahmen
Joachim Gabriel Maaß
Vasilios Manis
Nikolai Miassojedov
Tomas Möwes
Ralf Rhiel

Gräfin von Aremberg
Monika Hüttche


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