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Il Trovatore (Der Troubador)

Libretto von Salvatore Cammarano
Musik von Giuseppe Verdi


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 2. Februar 2013




Theater Dortmund
(Homepage)

Verdi wird am Hindukusch verteidigt

Von Stefan Schmöe / Fotos von Björn Hickmann / Stage Pictures

Achtung: Die Handlung des Troubador ist "verworren und wenig plausibel"! Nein, hier warnt nicht der Verfasser dieser Zeilen, sondern das Theater Dortmund. „Und was die verworrene Handlung angeht“, so liest man auf der Homepage, „Bekanntermaßen gibt es nur eine Chance, sie wirklich zu durchschauen – indem man das Stück live und echt und in voller Länge auf der Bühne sieht“. Denn Regisseurin Katharina Thoma glaubt Rat zu wissen, wie man mit den schicksalsgebeutelten Hauptfiguren umzuspringen hat: „Dieses Schicksal ist leider gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man eine realistische Kriegssituation zugrunde legt“, erklärt sie im Programmheft – und verlegt die Handlung an irgendeinen Krisenherd unserer Gegenwart, wo offenbar gerade unsere westlichen Werte verteidigt werden. Na gut, schauen wir uns das live und echt und in voller Länge auf der Bühne an.

Szenenfoto

Soldatinnen im Auslandseinsatz: Ines (Vera Fischer, oben) und Leonora (Susanne Braunsteffer)

Plausibler wird der Trovatore dadurch nicht, im Gegenteil, fehlt doch jetzt die historische Distanz zum irgendwie ja immer dunklen und rätselhaften Mittelalter und der historisch-gesellschaftliche Rahmen. An der Außenmauer eines denkbar schlecht gesicherten Feldlagers (nicht nur bewaffnete Feinde, selbst Zigeunerinnen finden unbeobachtet Einlass) sehen wir zwei Soldatinnen in hochhackigen Schuhen, die aus unerklärlichen Gründen Opernarien singen. Das erweckt das Interesse von Major Graf Luna und Partisan Manrico, die sich prompt einen Kampf liefern, der zum Schlechtesten gehört, was in dieser Art in jüngerer Zeit auf Opernbühnen zu sehen war. Und in diesem Stil geht's weiter: das Stück ächzt und kracht unter solcher Pseudoaktualisierung, die vielleicht vor 30 Jahren innovativ war. Hölzerne Personenregie und vordergründig-plakative Kostüme geben der Szene den Rest. (Wen es tröstet: Es ist wohl doch nicht unsere Bundeswehr, die da schlecht ausgebildet kämpft, sondern eine durchgeknallte eher südamerikanische Truppe. Was die Angelegenheit nicht interessanter macht.)

Bleibt die Frage, wieso man den Trovatore überhaupt „plausibel" machen muss, denn Verdi hatte sicher nichts weniger im Sinn als eine Reality-Oper. Statt dessen bieten die holzschnittartig einfachen Tableaus dramatische Situationen, die Verdi mit extrem angespannter Musik füllen konnte. Das müsste man inszenieren. Und was tut Frau Thoma? Während Leonore ihre erste Arie singt, kaut Freundin Ines an einem Sandwich. So banal kann Oper sein.

Szenenfoto

Hat sich doch ein Feind ins Lager eingeschlichen: Manrico (Stefano La Colla, links), Graf Luna (Sangmin Lee) und Leonora (Susanne Braunsteffer)

Musikalisch ist der Trovatore einem Bonmot Carusos zufolge ganz einfach, da man lediglich die vier besten Sänger der Welt auf die Bühne stellen müsse. Für Stadttheaterverhältnisse schlägt sich die Oper Dortmund wacker, wenn auch nicht glanzvoll – weil die vier Hauptpartien eben doch letztendlich zu leicht besetzt sind. Susanne Braunsteffer hat eine schöne und durchaus große Stimme, die in das dramatische Fach noch hineinwachsen muss. Laut Programmheft waren die Figaro-Gräfin und die Micaela aus Carmen ihre Partien, im Vergleich zu denen die Leonora natürlich ein anderes Kaliber ist. Alle lyrischen Abschnitte gelingen schön, die Stimme klingt schlank, aber voll und ist tragfähig, flackert aber, wenn die Sängerin in der hohen Lage zulegen muss. Auf die weitere Entwicklung darf man gespannt sein, momentan sind es viele eindrucksvolle, einige allzu angestrengte Momente ohne die ganz große Emphase. Bei Hermine May fragt man sich dagegen schon, ob es denn unbedingt die Azucena sein muss – die wunderschön eingedunkelte, sehr sauber geführte, aber eben doch eindeutig lyrische Stimme macht aus der wilden Zigeunerin trotz hohen Einsatzes und sorgfältiger Gestaltung eine nette und gar nicht mal unattraktive Dame von nebenan. Aber halt keine Azucena.

Szenenfoto

Zwischen ziemlich vielen Kriegstoten: Leonora (Susanne Braunsteffer)

Sangmin Lee ist ein leider recht steifer, musikalisch solider Graf Luna mit schöner Mittellage, im Forte mitunter forciert, was dem Klang gelegentlich eine nicht immer angenehme Schärfe gibt. Der Stimme fehlt der Schmelz und die Geschmeidigkeit, die den Grafen als Liebhaber interessant machen könnten (für den unsympathischen General, den er in dieser Inszenierung gibt, braucht es das freilich weniger). Sein Konkurrent Manrico, gesungen von Stefano La Colla, hat mit hellem, metallischem Tenor allerdings eher weniger stimmliche Substanz. Auch hier klingt die Mittellage attraktiv, die durchaus kraftvolle Höhe ist dagegen schnell forciert, zudem ist die Intonation oft heikel. Und was hilft ein demonstrativ lang gestemmter Schlusston, wenn er schrill und angestrengt klingt? Punktgenau singt Wen Wei Zhang den Ferrando, Vera Fischer ist eine passable Ines. Zu den positiven Seiten der Aufführung gehört auch der zuverlässige Chor (Einstudierung: Granville Walker).

Szenenfoto

Gefangen: Azucena (Hermine May)

Den Dortmunder Philharmonikern wird nicht allzu viel abverlangt. Kapellmeister Lancelot Fuhry leitet die Aufführung klangschön, bleibt der Musik aber ihre Energie weitgehend schuldig: So brav und moderat, ja fast behäbig geht er vor, als habe nicht Verdi, sondern Bellini sie komponiert. Wenn Fuhry einmal wirklich Fahrt aufnimmt, lässt er sich meist ein paar Takte nach dem nächsten Sängereinsatz wieder ausbremsen. Auch das trägt dazu bei, dass die lyrischen Seiten dieser Oper überbetont und die dramatischen verschluckt werden. Zugegeben, der Trovatore ist schwer, und vieles ist mehr als ordentlich gesungen, musikalisch keine schlechte Produktion für ein Stadttheater. Aber im Vergleich ist die Bonner Produktion aus der vorigen Spielzeit (unsere Rezension), unter ähnlichen Bedingungen entstanden, die in allen Belangen bessere.

FAZIT

Holzhammer-Politregie wie aus den 80er-Jahren – den Troubador an einen der aktuellen Krisenherde der Welt zu verfrachten ist kein gelungenes Geburtstagsgeschenk für Jubilar Verdi. Gesungen wird insgesamt zufrieden stellend, selten mehr.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lancelot Fuhry

Inszenierung
Katharina Thoma

Bühne
Julia Müller

Kostüme
Irina Bartels

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Georg Holzer


Statisterie des Theater Dortmund

Opernchor des Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Leonora
Susanne Braunsteffer

Graf Luna
* Sangmin Lee
Gerardo Garciacano

Ferrando
Wen Wei Zhang

Azucena
Hermine May

Manrico
Stefano La Colla

Ines
Vera Fischer

Ruiz
John Zuckerman

Ein alter Zigeuner
Edward Steele

Ein Bote
Svilen Lazarov


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



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