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Kultur

Das Menschliche im Operntier

Mit zauberischer Poesie: Robert Carsen inszeniert Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ an der Opéra du Rhin

Ein einsamer Hund, der nicht zum Rammeln kommt, singt traurige Lieder. Ein Specht wird zum Pfarrer. In Leoš Janáčeks Oper „Das schlaue Füchslein“ gibt es auch einen stotternden Frosch und den rauchenden Dachs. Und jede Menge anderes Getier. Diese märchenhafte Oper auf die Bühne zu bringen, ist für jeden Regisseur eine Herausforderung. Wie viel Mensch steckt im Tier? Und wie viel Tier im Menschen?

An der Straßburger Opéra du Rhin trägt Bystrouška, das schlaue Füchslein, keine Maske. Rosemary Joshua kombiniert eine orangefarbene Perücke mit einem Kapuzenpulli, bewegt sich mal auf zwei Beinen, mal auf allen Vieren. Mit ihrem wendigen, lyrisch leuchtenden Sopran ist sie eine Füchsin zum Verlieben. Regisseur Robert Carsen lässt die Grenzen zwischen Tier und Mensch verschwimmen. Seine Füchse haben durchaus animalische Züge, wenn die Hochzeitsgesellschaft zu den erhitzten Klängen Paarungslust verspürt. Aber insgesamt kommen einem diese Tiere humaner vor als die Menschen, die sich durch Saufen, Grölen, Töten auszeichnen. Wie formvollendet der Fuchs (feiner Mezzo und gute Manieren: Hannah Esther Minutillo) um die Füchsin wirbt, bevor die beiden im Bau verschwinden, könnte in jedem Knigge stehen.

Für die von Janáček geliebte Natur, die in der Oper auch eine Welt der Freiheit und der verborgenen Sehnsüchte des Menschen ist, hat Robert Carsen nach seinem bedeutenden Janacék-Zyklus in Antwerpen nun im zweiten Ablauf mit seinem neuen Ausstatter Gideon Davey ein starkes, einfaches Bild gefunden. Eine laubbedeckte Hügellandschaft ist Schauplatz des Geschehens. Hier gibt es keine Grenzen und keine Hierarchien – nur ab und zu ein Loch im Boden, aus dem die süßen Jungfüchse des Opernkinderchores herauskrabbeln.

Im Laufe des ästhetischen, von feinem Humor getragenen Abends wird es Winter und wieder Frühling, als das ausgebreitete, weiße Tuch in der Bühnenmitte verschwindet und eine Wiese zum Vorschein kommt. Und wenn am Ende der Förster (mit kräftig-geschmeidigem Bariton: Scott Hendricks) wie zu Beginn auf dem Boden liegt und auch Musikalisches wiederkehrt, dann könnte die Oper glatt von vorne anfangen. Die vielen Szenenübergänge gelingen Carsen mit traumwandlerischer Sicherheit. So wird es dunkel im Opernhaus, wenn das gefangene Füchslein zur jungen Zigeunerin Terynka wird, die nicht nur dem Förster einst den Kopf verdrehte.

Leider fehlt es dem Orchestre symphonique de Mulhouse unter Friedemann Layer an der notwendigen Präzision. Die Rädchen zwischen Streichern und Bläsern greifen nicht ineinander. Die feingliedrigen melodischen Partikel Janačéks sind zu grob gestaltet. In den üppiger instrumentierten Passagen spielt man sich frei und beginnt in den Zwischenspielen mit warmem Streicherton den Abend schweben, die Gefühle zwischen den menschlichen Tieren ernst werden zu lassen. Als der Wilderer Harašta Bystrouška abknallt, pausiert Layer lange, um dem Tod Raum zu geben. So nachdenklich wird es selten. Die Hühner tragen Lockenwickler. Der Dachs wird aus seinem Bau gepinkelt. Eine wirklich vielschichtige Deutung gelingt Robert Carsen nicht. Aber der Kanadier lässt dem Stück den Zauber – und findet poetische Bilder. Man darf gespannt sein, wie der Regieästhet mit „Aus einem Totenhaus“ umgehen wird. Damit schließt er demnächst seinen unter Intendant Marc Clémeur an der Flämischen Oper begonnenen Janačék-Zyklus ab.

Termine Straßburg: 14., 16. Februar, Mulhouse: 1., 3. März

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