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Musiktheater
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Lady Macbeth von Mzensk

Oper in vier Akten
Libretto von Alexander Preis und Dmitri Schostakowitsch nach der gleichnamigen Erzählung von Nikoai Leskow
Deutsch von Jörg Morgener und Siegfried Schoenbohm
Musik von Dmitri Schostakowitsch

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Eine Koproduktion mit dem Staatstheater Kassel

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 9. Februar 2013

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Musiktheater im Revier
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Die russische Madame Bovary

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Karl Forster


Als seine zweite Oper Lady Macbeth von Mzensk im Januar 1934 in Leningrad uraufgeführt wurde, war der Komponist Dmitri  Shostakovich gerade mal 28 Jahre alt. Zwei weitere Werke über berühmte russische Frauen sollten folgen. Doch diese Projekte des begabten, aufstrebenden Komponisten blieben unverwirklicht.  Die Musik entsprach nicht dem Kunstideal des Sozialistischen Realismus. Nachdem Stalin die Oper im Januar 1936 besucht hatte, begann mit dem folgenden Prawda-Artikel eine offizielle Verurteilung des Werkes, die eine unvorstellbare  Verleumdungskampagne nach sich zog. Und obwohl die Oper bei den Zeitgenossen beliebt war - bis Jahresende 1935 gab es 83 Vorstellungen in Leningrad und 97 in Moskau -,  verschwand diese Urfassung im März 1936, zwei Jahre nach ihrer Uraufführung, aus den sowjetischen Spielplänen. 1963 kehrte sie in einer revidierten, geglätteten Fassung als Katerina Ismailowa auf die Bühne zurück.  Und 1980 erlebte die bei Sikorski erschienene Urfassung in Wuppertal ihre offizielle Erstaufführung. Die Oper  greift den von Nikolai Leskow  1865 erschienenen, naturalistisch erzählten realen Kriminalfall der Lady Macbeth von Mzensk, wie Leskow seine Erzählung titelt, auf.  Die Handlung erscheint leicht gekürzt und aus der psychologischen Perspektive der Katerina Ismailowa.  Aus der russischen Lady Macbeth ist mithilfe des Komponisten eine „russische Madame Bovary“ geworden.

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Katerina schaut zu, wie der Schwiegervater Sergej ertappt.

Von ihrem Ehemann vernachlässigt und ihrem Schwiegervater kritisch, mit ständigen Vorwürfen bewacht, beginnt die kinderlose, leidenschaftliche Kaufmannsfrau Katerina ein Verhältnis mit dem neu eingestellten Arbeiter Sergej, während ihr Mann auf Geschäftsreisen weilt.  Um ihre Liebe ungetrübt zu genießen, vergiftet sie den Schwiegervater, nachdem dieser das Verhältnis entdeckt und Sinowi auspeitschen lässt.  Später, als der in der Nacht heimkehrende Ehemann beide überrascht, bringen sie ihn gemeinsam um.  Sie wollen heiraten, doch am Hochzeitstag wird der Mord entdeckt.  Während des Gefangenentransports – beide sind zu lebenslanger Zwangsarbeit nach Sibirien verbannt – verliebt sich Sergej in Sonjetka. Katerina bringt auch diese Rivalin um und begeht anschließend Selbstmord. In der Gelsenkirchener Inszenierung wird sie erschossen.

Regisseur Michael Schulz  erzählt die Geschichte packend, in differenzierter Personenregie. Er legt den Schwerpunkt auf das Musiktheater als Spiel und zugleich die menschliche Brisanz des Werkes, ohne den politischen, historischen Kontext völlig auszublenden. Der alte Zwangsarbeiter im 4. Akt ist allerdings kein Gefangener, sondern infolge der neuen, zusätzlichen Perspektive des Akte ein außerhalb des Geschehens stehender Bürger. Schulz legt den suggestiven Charakter der Musik Schostakowitschs offen. Wie die Musik zwischen Pathos, Verzerrung, Ironie und Karikatur changiert, stehen in der Inszenierung Lachen und Weinen nebeneinander. Und es entsteht ein facettenreiches Gesellschaftsbild, das uns in grotesken Überzeichnungen auf die mal im Text, mal in der Musik anklingenden,  derben, satirischen Kommentare aufmerksam macht.  Selbst die schreiende Plastizität, mit der Schostakowitsch z.B. die Auspeitschung Sergejs nach dem Ehebruch in Musik setzt, wird in den Regiebildern nachvollzogen.

Passend dazu hat Renée Listerdal Kostüme gewählt, die Herkunft, Beruf bzw. Situation andeutenden. Die in das Spiel einbezogene Bühnenbanda aus Trompeten, Hörnern, Posaunen und Tuben tragen schwarze Anzüge und sind mit Zylindern und weißen Handschuhen wie Trauermusiker ausgestattet. Das Bühnenbild Dirk Beckers beschränkt sich auf eine schmucklose, weiße Raumarchitektur, die nach schnellen Änderungen und einer die Atmosphäre hervorhebenden Lichtregie den Rahmen für neue Szenen bildet.  Die wenigen Requisiten sind multifunktional. Mal ist die Holzbadewanne ein Brunnen auf dem Hof, mal ist sie das Bett oder erhöht das Zimmer Katerinas, von dem aus sie das Geschehen auf dem Hof betrachtet. Alles fließt wunderbar ineinander, ist binnendynamisch verknüpft und aufeinander bezogen.

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Gefangenentransport mit schlafender Katerina und Sergej auf der Brücke (vorne rechts am Bühnenrand der "alte Zwangsarbeiter")

Ob gehetzter Parlandoton, walzernde Streicherromantik oder peitschend scharfe Orchestertutti - die Neue Philharmonie Westfalen weiß unter der Leitung Rasmus Baumanns die manchmal nur kurz aufblitzenden, aus verschiedensten Formen und Formvarianten montierten  Orchesterbilder bruchlos ineinanderfließen zu lassen und  dynamisch expressiv und effektvoll vor Augen zu führen – eine Darbietung, die neben der der Protagonistin in der Premiere zu Recht mit besonders viel Applaus und Bravi bedacht wurde.  Ebenso präsentieren der Chor und das große, passend besetzte Solistenensemble das zwischen Tragik und Satire schwankende Musikdrama in textverständlichem Gesang und einfühlsamem, differenziertem Schauspiel. Einziger Wehrmutstropfen ist die verzerrende Mikrophonverstärkung des Polizeichefs bzw. Popen.

Mit klangvollem, dramatischen Sopran und bruchlos ausgeführtem Tonsprung, mit leise angesetztem Spitzenton gestaltet Yamina Maamar die Arie der dritten Szene und gibt ein differenziertes Charakterbild der mit provozierendem Selbstbewusstsein ausgestatteten Katerina. Tomas Möwes ist ein geradezu sadistischer Schwiegervater Boris Ismailow,  der seinen Charakterbariton zu Beginn der vierten Szene ironisch zu färben weiß, während er sich als arthritischer Boris seiner jugendlichen Liebeseroberungen rühmt. Tenor Hong Jae Lim ist ein lyrische und dramatische Momente gleichermaßen gestaltender Sohn und Ehemann Sinowi. Lars-Oliver Rühl stellt überzeugend einen eher baritonal gefärbten Liebhaber Sergej dar.

FAZIT

So etwas sieht und hört man nicht alle Tage.  Sänger und Musiker präsentieren eine in jeder Hinsicht faszinierende, überzeugende Musikdarbietung und Inszenierung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Dirk Becker

Kostüme
Renée Listerdal

Licht
Albert Geisel/
Jürgen Rudolph

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Dr. Ursula Benzing

 

Opern- und Extrachor
des MiR

Statisterie des MiR

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

*Premierenbesetzung

Boris Timofejewitsch Ismailow
Renatus Mészár/
*Tomas Möwes

Sinowi Borissowitsch Ismailow
Hongjae Lim

Katerina Ismailowa
Yamina Maamar

Sergej
Lars-Oliver Rühl

Axinja
Noriko Ogawa-Yatake
  
Der Schäbige
William Saetre

Verwalter / Polizist
Vasilios Manis

Mühlenarbeiter
Michael Dahmen

1. Vorarbeiter
Sun-Myung Kim

2. Vorarbeiter
Apostolos Kanaris

3. Vorarbeiter
Sergey Fomenko

Kutscher
Sun-Myung Kim

Pope
Joachim G. Maaß

Polizeichef / Wächter / Sergant
Piotr Prochera

Lehrer
Sun-Myung Kim

Betrunkener Gast
Birgit Brusselmanns

Sonjetka
Almuth Herbst

Alter Zwangsarbeiter
Dong-Won Seo

Zwangsarbeiterin
Elise Kaufman/
Tina Stegemann


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