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Musik als AusbruchVon Joachim Lange / Fotos: Florian MerdesDer Gott Dionysos, nach dem Wolfgang Rihm seine ausufernd mäandernde Opernphantasie benannt hat, kommt in seinem selbst gemachten Text gar nicht vor. Und was heißt schon Text. Es ist ja eher ein freies Spiel mit Bruchstücken und Assoziationen. Bei denen der Komponist ziemlich fasziniert von der dunklen Poesie in Friedrich Nietzsches Dionysos-Dithyramben war, die der kurz vor seinem geistigen Zusammenbruch 1888/89 schrieb. Da irrt der Mensch im Labyrinth Leben und Gott ist sowie schon tot. Weil das N., mit dem der Protagonist der männlichen Gesangshauptrolle benannt wird, wohl am ehesten für Nietzsche steht, hatte sich Jonathan Meese 2010 bei den Salzburger Festspielen für die zurückhaltende Inszenierung von Pierre Audi mit seiner keineswegs zurückhaltenden Ausstattung vom berühmten Schnauzbart des Philosophen anregen lassen und die große graphische Keule herausgeholt (unsere Rezension). Diese von Ingo Metzmacher musikalisch erstklassig zelebrierte Uraufführungsinszenierung war danach in Amsterdam und schließlich auch auf Einladung des früheren Salzburger Festspiel- und jetzigen Staatsopern-Intendanten Jürgen Flimm in einer Ausweichspielstätte der Lindenoper in Berlin zu sehen. Was eher auf Zurückhaltung bei der Kritikerzunft traf. Den Ruhm der echten deutschen Erstaufführung, also Neueinstudierung, freilich darf das Theater in Heidelberg für sich verbuchen. Intendant Holger Schultze und sein Operndirektor Heribert Germershausen füllen damit den neuen Saal des gerade überholten und im Gefüge des Innenstadtquartiers sichtbar und mit freizügigen Einblicken in den Betrieb für 60 Millionen erweiterten Hauses mit einer Opern-Großtat.
Was jede Zweitinszenierung einer neuen Oper potentiell ist. Eine in der Qualität wie in Heidelberg aber tatsächlich! Regisseur Ingo Kerkhof und seine Bühnenbildnerin Anne Neuser lassen sich dabei, im Unterschied zur Uraufführung, eher vom dunkel dräuenden Hintergrund leiten. Sie suchen nicht den Blick in die Weite, sondern richten ihn nach innen. Entgehen dabei aber gleichwohl der Gefahr, in die Realismusfalle einer biographischen Anverwandlung des Stoffursprungs zu geraten. Ihr Raum bleibt, trotz seiner realistischen Versatzstücke, genügend weit in der Alptraumwelt verwurzelt. So entsteht eine Spannung zwischen der Szene und einer Musik, die in einem spätromantischen Nachhall auf Orchesterpracht setzt, sich ihr eigenes Hochplateau der Erinnerung schafft und von da aus auch den Sichtkontakt zu den klingenden Hochgebirgen eines Richard Strauss nicht scheut. Samt der klingenden Wasserfälle, die da am Wege liegen. Was unter der geradezu lustvoll leichten Stabführung des Heidelberger GMD Yordan Kamdzhalov vom Orchestergraben in den gerade eingeweihten nagelneuen Heidelberger Theatersaal aufsteigt, ist die pure Opulenz, die dem sinnlichen Genuss allemal den Vorzug vor der avancierten Novität einräumt.
Durch die beklemmende Düsternis des Einheitsbühnenraumes, der gut ein von N. geträumter Ort der Enge sein könnte, profiliert sich die Musik gleichsam als Ausbruch: Für einen N. in Bergeshöhen und als Anführer einer Gemeinschaft. In der Grenzüberschreitung und als scheiternder Künstler und erfolgloser Gottsucher. In allem maßlos und ungeordnet. Holger Falk macht ihn zum darstellerisch und vokal überzeugenden Zentrum dieser auf einen Untergang zusteuernden Gesellschaft, die sich auch schon mal in trauerndem Schwarz an einer Tafel versammelt. Während das Leben im irdischen Labyrinth vergeht. Und die Spiegelungen des Protagonisten in die Gestalten eines alten Mannes und eines Kindes sozusagen auf das ganze Leben hindeuten. Mit Weg-Begleitern wie dem als Gast mitspielenden Gott Apollon (Namwon Huh) oder Sehnsuchtsprojektionen wie der Ariadne, für die Sharleen Joynt ihre Präsenz und ihre atemberaubenden Koloraturen aufbietet. Jubel für diesen Kraftakt!
Die deutsche Erstaufführung von Wolfgang Rihms Dionysos am Theater Heidelberg ist eine Großtat. Die musikalische und szenische Qualität der Aufführung stehen beispielhaft für das, was das deutsche Stadttheater zu leisten vermag. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Video
Chor
Dramaturgie
Solisten
N.
1. hoher Sopran / »Ariadne«
2. hoher Sopran
Mezzosopran
Alt
»Ein Gast« / »Apollon«
Der Alte
Das Kind
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- Fine -