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"Jenufa" - Tragödie unter Strom

Neue Titelheldin: Karita Mattila, als Jenufa weltweit gefeiert, sang die Partie erstmals in München.
Neue Titelheldin: Karita Mattila, als Jenufa weltweit gefeiert, sang die Partie erstmals in München. © Wilfried Hösl

München - Die Wiederaufnahme von Leoš Janáčeks „Jenufa“ an der Bayerischen Staatsoper wurde heftig gefeiert. Nichts wirkte künstlich aufgeheizt oder aufgegrellt. Eine Kritik:

Welch ein Sog! Er speiste sich aus einer enormen Intensität, die aus dem Graben aufstieg, sich in der Szene manifestierte und vom Gesang eines leidenschaftlichen Ensembles gekrönt wurde: Leoš Janáčeks „Jenufa“, am Mittwoch im Münchner Nationaltheater wiederaufgenommen, geriet zum Ereignis, das am Schluss heftig gefeiert wurde.

Vom ersten Ton an bis zum letzten, den Zuhörer erlösenden Akkordschlag setzte Tomáš Hanus am Pult des Bayerischen Staatsorchesters die Aufführung unter Strom. Dabei wirkte nichts künstlich aufgeheizt oder aufgegrellt, entfaltete sich Janáčeks Klangsprache in all ihrer rhythmischen Vielgestaltigkeit und in ihrem instrumentalen Reichtum unter einem großen Spannungsbogen. Das Holz tönte in vielen Schattierungen, Harfe und Xylophon setzten ihre Akzente, und aus dem satten, dunkel grundierten Streicherklang erhob sich die Solovioline mit Inbrunst.

Der sanfte Lyrismus und die Heiterkeit der mährischen Volksweisen, die der Komponist immer wieder anklingen lässt, versöhnten, zumindest für Augenblicke, mit der Bitternis des Geschehens, das unausweichlich in die Katastrophe steuert. So stringent, wie Hanus Janáčeks prägnante, nicht arios versöhnende Musik entwickelte, so klar und punktgenau hat Barbara Frey das Geschehen in den unverschnörkelten Bildern von Bettina Meyer verdichtet. Unsentimental agierten auch die Personen – Einsame, Verlorene, Verletzte allesamt.

Erstmals gastierte in dieser Inszenierung eine in vielen Produktionen gestählte Jenufa: Karita Mattila. Ihr souverän geführter, bis in die Höhen gerundeter Sopran entsprach in seiner Herbheit genau dem Rollenbild, das die Sängerin zeichnete. Bis hin zum berührenden Gebet und zum hoffnungsvollen „Epilog“ mit dem treuen Laca, dem Stefan Margita mit hellem, durchdringendem Tenor Profil verlieh. Gabriele Schnauts Küsterin wuchs zu archaischer Größe empor, und ihre innere Verzweiflung spiegelte sich in kleinen, versuchten Gesten der Zuwendung. Mit mächtigem Sopran umriss sie eine Tragödin antiken Formats.

Der junge Tscheche Aleš Briscein trumpfte als Steva mit verführerischem Timbre auf und gefiel im Spiel als von der Großmutter (Renate Behle) verwöhnter Taugenichts. Stimmig besetzt überzeugten auch die kleinen Partien und der überwältigende Chor.

von Gabriele Luster

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