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Festival „Justice Injustice“ der Opera de Lyon

Claude

Musik von Thierry Escaich
Libretto von Robert Badinter nach einer Novelle von Vicotor Hugo

In französischer Sprache mit Übertiteln

Uraufführung am 27. März 2013 an der Opera de Lyon

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

Fidelio

Oper in zwei Aufzügen
Libretto von Joseph Sonnleitner und Friedrich Treitschke nach Jean Nicolas Bouilly
mit Texten von Garry Hill nach Harry Martinsons 
Musik von Ludwig van Beethoven

In deutscher und englischer Sprache mit französischen Übertiteln

Premiere am 28. März 2013 an der Opera de Lyon

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)


Homepage

Opera de Lyon
(Homepage)
Gefangen zwischen Mauern und im Weltall

Von Joachim Lange / Fotos ©Stofleth


Dass die Oper in Lyon mitten im Leben der Stadt steht, also ein lebendiges Zentrum der Kommune ist, gehört zum Programm des Intendanten Serge Dorny. Er hat in Lyon ein Opernmodell etabliert, das nicht nur für Frankreich beispielhaft ist, sondern ihn längst zur Personalreserve für die Spitzenposten im europäischen Opern- und Festivalbetrieb qualifiziert. Spitzenauslastungen, ein ungewöhnlich hoher Anteil von jugendlichen Zuschauern und all das mit einem Programm, das nicht nur auf die Renner des Repertoires setzt. So umrahmt er heuer bei seinem kleinen österlichen Festival unter dem Titel „Justice/Injustice“ einen Fidelio mit der Uraufführung von Thierry Eschaichs Claude und einem Doppel aus Dallapiccolas Prigioniero und Schoenbergs Erwartung. Alles für ein ausverkauftes Haus, versteht sich.

Vergrößerung

Claude: Der Blick in die Einsamkeit der Gefängnis-Zellen

Diesmal wurde sein Ehrgeiz, zum politischen Leben der Kommune bzw. des Landes zu gehören, nicht ganz freiwillig, aber auch nicht zufällig durch eine lautstarke Demonstration nach der Uraufführung auf dem Opernvorplatz illustriert. Die amtierende Justizministerin Christine Taubira hatte sich die Ehre gegeben, weil einer ihrer prominentesten Vorgänger im Amt, Robert Badinter (85), der Librettist für die Opernnovität Claude ist. Er hat Victor Hugos so kurzes wie vehementes Novellen-Plädoyer gegen die Todesstrafe Claude Gueux von 1834 zu einem dichten Libretto über die verhängnisvoll eskalierende Gewalt im Gefängnis verarbeitet. Und Regisseur Oliver Py hat die Story zwischen wuchtigen Gefängnismauern mit drei Etagen voller Zellen in seiner gewohnt drastisch obsessiven Erzählweise verdeutlicht.

Vergrößerung Claude: Überall Mauern - im Gefängnishof bei der Arbeit

Badinter kann für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, die urfranzösische Guillotine aus dem Justizbetrieb ins Museum verbannt und unter Präsident Mitterand die Todesstrafe abgeschafft zu haben. Christine Taubira wiederum setzt sich mit ihrem vehementen Engagement für die Homo-Ehe den verbissenen Angriffen der vereinten französischen Rechten aus. Py macht aus dem Verhältnis des „anständigen“ Gefangenen Claude (Bariton Jean-Sébastien Bou), der zum Mörder am Gefängnisdirektor (Jean-Philippe Lafont) und dafür zum Tode verurteilt wird, eine homoerotische Liebesbeziehung zu jenem Albin (Counter: Rodrigo Ferreira), dem er in einer Massenvergewaltigung durch seine Mitgefangenen zur  Hilfe kommt und zu dem er (eine typische Zuspitzung von Py) dann selbst eine homoerotische Beziehung entwickelt. Die Musik ist dabei so wuchtig, und unter emotionalem Dauerhochdruck wie die Szene. Gesungen und musiziert wird unter der Leitung von Jérémie Rhorer exzellent. Wobei die Geschlossenheit der Ästhetik im Graben und auf der Bühne mehr die kafkaeske Eigendynamik einer Gefängniswelt vor Augen führt, als zu einem Plädoyer gegen staatlich sanktionierte Exekutionen zu werden.

Vergrößerung

Fidelio: Freiheitsoper, ins virtuelle All verlegt

Beethovens Fidelio dann verblüfft in mehrfacher Hinsicht. Video-Guru Garry Hill beamt ihn nämlich mit aufwendigen Projektionen in die Unverbindlichkeit eines Cyberspace. Dieser gänzlich von der Rezeptions- und Realgeschichte abgewandte Zugang zu einer der politischsten Opern überhaupt ist damit ein riskantes Experiment. Und leider erreichen das Orchester unter Leitung von Kazushi Ono und das Ensemble nicht das am Vortag (und auch sonst) in Lyon erreichte vokale Niveau. Mit Blick auf die mit Bildschirmschoner-Perfektion designte, demonstrativ außerirdische (Nicht-)-Szene wurde diesmal sehr irdisch gesungen. Von Michaela Kaune (Leonore) und Nikolai Schukoff (Florestan) über Pavlo Hunka (Don Pizarro) bis zu Christian Baumgärtel (Jaquino) und Karen Vourc'h (Marzelline) kämpften sie alle in den Weiten des Alls um Intonation und überzeugenden Klang – und hatten zu wenig Erfolg damit.

Vergrößerung Fidelio: Gefangenchor mit imaginierter Natur

Hinzu kommt, dass die Inszenierung Beethovens einziger Oper mit Harry Martinsons nobelpreisgeadeltem science fiction-Epos Aniara aufzupeppen versucht - inklusive putzig verschlimmbesserter Sprechtexte. Das Ergebnis sah aus, als wäre ein Achim Freyer auf Cyber-Speed am Werke gewesen. Zu viel Starlight-Express, zu wenig Freiheitspathos bei diesem Figurenschach auf dem Holo-Deck.  Aber nur wer nichts riskiert, macht keine Fehler. Und wer weiß schon, wenn er von außen kommt, ob das Unternehmen für das Publikum vor Ort wirklich ein Fehler ist.


FAZIT

Die Spannbreite des Opern-Angebotes in Lyon ist groß. Diese beiden Produktionen des Festivals „Justice/Injustice“ belegen das exemparisch. Sie sind allemal eine Herausforderung.   


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Produktionsteam

Claude


Musikalische Leitung
Jérémie Rhorer 

Inszenierung
Olivier Py

Ausstattung
Pierre-André Weitz 

Choreographie
Daniel Izzo 

Licht
Bertrand Killy 

Chor
Alan Woodbridge 


Orchestre et Choeurs
de l'Opéra de Lyon


Solisten

Claude
Jean-Sébastien Bou

Le Directeur
Jean-Philippe Lafont

Albin
Rodrigo Ferreira

L'Entrepreneur / Le Surveillant Général
Laurent Alvaro

Premier personnage / Premier Surveillant
Rémy Mathieu

Deuxième personnage / Deuxième Surveillant
Philip Sheffield 

La Petite fille
Loleh Pottier

La Voix en écho
Anaël Chevallier

Premier détenu
Yannick Berne

Deuxième détenu
Paolo Stupenengo

Troisième détenu
Jean Vendassi

L'avocat
David Sanchez Serra

L'avocat général
Didier Roussel 

Le Président
Brian Bruce

Danseuse
Laura Ruiz Tamayo  


Fidelio

Musikalische Leitung
Kazushi Ono 

Inszenierung und Video
Gary Hill

Kostüme
Paulina Wallenberg-Olsson  

Licht
Marco Filibeck  

Chor
Alan Woodbridge 


Orchestre et Choeurs
de l'Opéra de Lyon


Solisten

Léonore
Michaela Kaune

Florestan
Nikolai Schukoff

Rocco
Wilhelm Schwinghammer

Don Pizarro
Pavlo Hunka

Don Fernando
Andrew Schroeder

Marcelline
Karen Vourc'h

Jaquino
Christian Baumgärtel



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opera de Lyon
(Homepage)



Da capo al Fine

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