Kammeroper: Händels pubertierende Punker

Theaters an der Wien
Theaters an der Wien(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
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Das Junge Ensemble des Theaters an der Wien versucht sich an Händels „Orlando“. Das ist sympathisch, aber am Ende doch etwas mager.

Händel immer wieder im großen Haus, Händel jetzt auch in der kleinen Dependance: Das Theater an der Wien hat bekanntlich seit Kurzem die Kammeroper unter seine Fittiche genommen und dafür eine Handvoll Sänger am Beginn ihrer Laufbahn engagiert, die als Junges Ensemble des Theaters an der Wien sowohl in kleineren Rollen im Haus an der Wienzeile als auch, tragender, im kleinen Haus auf dem Fleischmarkt wirken.

Das ist grundsätzlich eine hübsche Idee. Anhand der „Orlando“-Premiere lässt sich dann aber fragen: Was kann, was soll eine Kammeroper sein, und welches Repertoire soll sie bringen? Werke, die für das Genre an sich geschrieben sind, in bestmöglicher Qualität? Natürlich auch mit jungen hoffnungsvollen Kräften, wenn sie sich für das Stück eignen. Oder will man dem Publikum vorführen, wie sich der Nachwuchs mit den größeren und großen Stücken im kleinen Rahmen tut? Immerhin war bereits eine auf Kammermusikfassung diminuierte „Bohème“ hier zu erleben und für die nächste Saison sind „große“ Brocken wie Rossinis „La Cenerentola“ und Mozarts „La clemenza di Tito“ avisiert.

Junges Regieteam

Händels „Orlando“ lässt sich natürlich auch ins kleine Haus versetzen. Rubén Dubrovsky am Pult seines überschaubar besetzten Bach Consort Wien beweist das weitgehend überzeugend. Bei den Sängern sieht die Sache schon anders aus. Von Mimì, Musetta oder Colline in der „Bohème“ zur Angelica, Dorinda und Zoroastro in „Orlando“ zu switchen, das ist wohl auch für ausgewachsene Säger kein leichtes Unterfangen. Auf großen Opernbühnen werden Rollen des Alte-Musik-Repertoires nicht ganz ohne Grund meist mit Spezialisten besetzt. Insofern darf man die Leistungen von Çiğdem Soyarslan (Angelica), Anna Maria Sarra (Dorinda) und Igor Bakan (Zoroastro) wohl als sympathische Versuche an Händel bewerten.

Der Countertenor Rupert Enticknap zeigt dagegen in der Titelrolle, dass er in diesem Repertoire zu Hause ist. Ebenso weiß Gaia Petrone ihren aparten Mezzosopran als Medoro meist stilgerecht einzusetzen. Ob es eine Königsidee ist, so viel Jugend auf der Bühne auch noch dem Regie- und Ausstattungsnachwuchs anzuvertrauen, steht in jenen Sternen, die der Zauberer Zoroastro in diesem Orlando-Furioso-Stoff zu Beginn befragt. An Händels Libretti haben sich schon Arriviertere die Zähne ausgebissen. Stefania Panighini versucht es mit Blumen und blühender Pubertät. Der rasende Orlando und die Opfer seiner Begierde und Eifersucht bevölkern als bunt gestyltes Punkertrüppchen ein Gewächshaus im Jahreszeitenrhythmus. Eine recht dünne Regie-Idee. Das Konzept „Kammeroper“ sollte doch etwas mehr Potenzial als eine ambitionierte Konservatoriumsaufführung zu bieten haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2013)

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