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Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen

Mit Standing Ovations wurden am Freitag zum Auftakt der Salzburger Pfingstfestspiele Cecilia Bartoli und ihr Team für eine überwältigende Aufführung von Bellinis Oper "Norma" bedankt.

Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
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Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
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Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen
Das Wunder "Norma" bei den Pfingstfestspielen

Es ist Krieg, und da ist man, egal auf welcher Seite, nicht zimperlich mit den Mitteln. Während der Ouverture blickt man in einen Schulraum, in dem sich Kinder um ihre Lehrerin sammeln. Wenig später marschiert eine Patrouille auf und die Frau wird vorgeführt und kontrolliert. Sie kommt noch einmal davon. Man ahnt: Es ist keine gute Zeit. Kurze Zeit später hat sich der Raum in ein Widerstandsnest verwandelt. Die Kämpfer formieren sich gegen die Besatzer. Einer von diesen wird aufgespürt und sofortzu Tode malträtiert. Man sieht: Es ist eine böse Zeit. Doch die Seherin Norma will das Blutvergießen nicht dulden. Sie bittet um Frieden. Das Gebet "Casta Diva" ist die berühmteste Nummer aus Vincenzo Bellinis 1831 in der Mailänder Scala uraufgeführter Oper "Norma".

Cecilia Bartoli macht im "Haus für Mozart" daraus weder eine Primadonnennummer noch eine obligate, wunschkonzertmäßige Vorzeigearie. Sie bettet "Casta Diva"unaufdringlich, logisch und schlüssig in den Zusammenhang des Geschehens ein. Aber sie öffnet mit ihrer Stimme umso mehr ihr Herz.Schlicht und innig zieht sie eine einfache, aber ungemein bewegende Melodielinie, die aus der zuvor spielenden Soloflöte herauszuwachsen scheint. Sie spannt den vokalen Bogen gleichsam instrumental weiter auf. Der dann sanft unterlegte Chorsatz gibt eine neue Farbe hinzu, die das Gebet noch einmal intensiviert, und in der Wiederholungsstrophe reichert Cecilia Bartoli die Melodie noch mit zartesten, zärtlichsten Koloraturen sanft und unspektakulär, aber umso anrührender an.Eine magischer Moment folgt dem nächstenViele solcher magischer Momente tauchen, im Einzelnen wie in den Ensembles, im Bau von Solonummern und von größeren Szenen, im Verlauf dieser außergewöhnlichen Aufführung auf. Sie erweitern die Dimensionen einer formelhaften Belcanto-Oper zu einem aufregenden Musikdrama. Dafür haben die Sängerin und ihr Dirigent Giovanni Antonini viel Forschungsarbeit investiert, eine quellenkritische Neuedition zur Grundlage genommen, um aus einem tragödischenHeroinendrama einen aufregenden Opernkrimi zu filtern. Die Musiker des Orchesters "La Scintilla" spielen auf (Blas-)Instrumenten der Entstehungszeit und in historisch informierter Aufführungspraxis, was sich sowohl auf die Klangrhetorik als auch auf die Flexibilität von Tempo und Farbe, Phrasierung und Artikulation und somit auf die Vielfältigkeit des Ausdrucks entscheidend auswirkt. Auch das Solistenensemble trägt der neuen Gewichtung, die dem Stück gegeben wird, Rechnung.

Norma ist ein reifer Mezzosopran - und welches schimmernde Gold Cecilia Bartoli in der Kehle hat, mit welchen stimmtechnischen Finessen sie aus einer pompösen Primadonnenrolle(so wie sie die "Norma alles Normas", Maria Callas, gestaltet hat) eine liebende, leidende, zerrissene Frau im Hier und Heute macht, eine Frau, die hin- und hergerissen ist zwischen Pflicht und das Gesetz verletzender Liebe, Hoffnung, Enttäuschung, Mitleid, Aufbegehren, Wut und Trotz bis zur Selbstaufgabe im Feuertod, in unglaublichen Varianten, Steigerungen und Versenkungen singenden Sprechens und sprechenden Singens, offenbart sich da ein schieres Wunder. Dazu kommen noch ihre unbedingte Spielleidenschaft und Bühnenpräsenz, die entscheidend mithelfen, einen bewegend gegenwärtigen Charakter zu formen, der in keinem Moment unbeteiligt lässt.Die Gegenspielerin AdalgisaIhre Gegenspielerin, Adalgisa, Schülerin und Vertraute, von jenem Mann verführt, der schon Norma betört, geschwängert, mit ihr zwei Kinder gezeugt hat, welche sie jetzt versteckt halten muss, ist das anrührend unschuldige Opfer. Rebeca Olvera liefert mit ihrem leichten, offenen, "weißen" Sopran die komplementäre Farbe bis hinein in die fast geschwisterliche Stimmenverschmelzung. Das ist keine große, aber eine umso passgenauere Stimme, die sich auf dem transparenten Orchestergrund feingliedrig entwickeln kann.

Auf diese Basis kommt es denn auch an. Es tut nichts zur Sache, dass das Orchester "La Scintilla" vielleicht nicht im Letzten perfekt ist, dass sich da und dort Unschärfen einstellen im Spiel, in Intonation und Präzision des Zusammenklangs. Viel wichtiger ist, mit wie vielen Facetten der Klang aufwartet, wie er korrespondiert, spricht und atmet, und wie der Dirigent Giovanni Antonini das, straff im richtigen Moment, tempodramaturgisch überlegt, dynamisch reich aufgefächert, pointiert umsetzt, flexibel auf Sprache und Melos der Partitur reagierend.

Solche Agilität und Beweglichkeit bringt auch der Tenor ins Spiel, John Osborn, geschult an extremen Rossini-Höhen, hier für Bellini mehr und mehr kernig fokussiert, zunehmend dunkel abgetönt, ein zwielichtiger bis fieser Charakter, Politiker und Feldherr mit wenig Skrupel, wie eine Frau zu nehmen ist, aber noch als Gefangener seinem Opfer Norma unterlegen: eine großartige Duettszene. Das ist keine einfache noch gar eine sympathische Figur. Hätte da das Regieduo Moshe Leiser und Patrice Cauriervielleicht doch noch vertiefen, schärfen, genauer zuspitzen können?Nachvollziehbare Figurenzeichnung Wie auch immer: Der Regie, die das ferne archaisch-heidnische Geschehen aus der gallo-römischen Epoche in die Resistance der Nazizeit verlegt, gelingt eine klar nachvollziehbare Figurenzeichnung, eine logische Personenführung. Im Stil des filmischen Neorealismus entwickelt die Handlung Konsequenz und jederzeit packende Einsehbarkeit und Glaubwürdigkeit, legt einen spannenden Thrill vor, der wie die Musik den Hörer auch den Zuschauer in Bann zieht.

Bellinis "Norma" in Salzburg ist die Neuentdeckung eines Meisterwerks, so leidenschaftlich wie subtil, auch in kleineren und kleinsten Partien und im präsenten Chor sorgfältig besetzt und durchgestaltet, so wie man sich eine Festspielaufführung wünscht. Nach einer Wiederholung am Pfingstsonntag um 19 Uhr wird die Oper ab 17. August fünf Mal im Sommer gezeigt. Man sollte diesen bedeutsamen Abend nicht versäumen.

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