Familienaufstellung aus Aix für alle Opernwelt

Familienaufstellung fuer alle Opernwelt
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Patrice Chéreau inszenierte am Grand Théâtre de Provence in Aix-en-Provence eine nur mäßig aufregende „Elektra“ von Richard Strauss. Evelyn Herlitzius beeindruckt in der Titelrolle.

Wo bleibt Elektra? So singt es nicht nur die erste Magd. Das durfte man sich auch ein wenig in Aix-en-Provence fragen, wo die mit Spannung erwartete Premiere der „Elektra“ von Strauss beim Opernfestival stattfand. Immerhin hatte man Patrice Chéreau als Regisseur gewonnen. Er ließ sich von Richard Peduzzi einen nüchternen, mäßig inspirierten Hinterhof zwischen Antike und Moderne bauen. Dort putzen die Mägde zunächst still vor sich hin. Bis ein Garagentor aufspringt, aus dem Elektra zu den machtvollen Orchesterstößen des Beginns herausschießt.

So weit der effektvolle Start eines Abends, der jedoch ohne größere Höhepunkte weitererzählt wird. Natürlich beherrscht Chéreau sein Handwerk. Dennoch bleibt diese „Elektra“ hinter seinen letzten Arbeiten zurück, etwa hinter der „Così fan tutte“ und besonders hinter dem grandiosen Wurf mit Janáčeks „Aus einem Totenhaus“, das als Ko-Produktion mit Aix in Wien aus der Taufe gehoben wurde. Auch diese „Elektra“ ist reichlich ko-produziert, wird nach Mailand, New York, Berlin, Barcelona und Helsinki weitergereicht.

Mord an Agamemnon als Trauma aller

Dort wird man ebenso sehen können, wie Chéreau den Mord an Agamemnon nicht so sehr als das große Thema der Titelheldin denn als ein Trauma aller zeigt. Ein wenig wirkt der Abend, in dem die Hauptfiguren Elektra, Chrysothemis und Klytämnestra von ihrer menschlichen Seite beleuchtet werden, wie die Familienaufstellung einer nach dem Tod ihres Zentrums disparaten Familie. Elektra ist der Outlaw, der mit Hose und ärmellosem Top die Wilde markiert. Evelyn Herlitzius bewältigt das mit großer Intensität, wortdeutlich und prägnant und nur gelegentlich in der Höhe übersteuernd. Dem weiß Adrianne Pieczonka als bemühte, aber nur bedingt strahlende Chrysothemis weniger entgegenzusetzen. Selbst Waltraud Meier, die als Klytämnestra nicht hysterisch antritt, sondern eine verängstigte, traumgeplagte Mutter sein darf, bleibt blass. Mikhail Petrenko ist der brave und ebenso brav singende Bruder Orest, der dem Treiben dann ein Ende setzt: Er meuchelt seine Mutter, nicht hinter der Bühne, sondern erwürgt sie auf offener Szene. Angesichts ihrer Leiche bekommt Aegisth den Dolch in den Rücken.

Am Ende tanzt Elektra doch noch ein wenig wild herum, stirbt aber nicht, sondern setzt sich starr auf einen Steinquader. Orest verlässt den Hof, und Chrysothemis ruft ihm nach. Aus. So weit ist das alles souverän in Szene gesetzt, doch letztlich seltsam blutleer und erstaunlich distanziert. Hilfe kommt auch keine aus dem Orchestergraben, wo Esa-Pekka Salonen seine erste „Elektra“ am Pult des tüchtigen Orchestre de Paris recht unsubtil durchschlägt. Man kann nur hoffen, dass diese „Elektra“ auf ihrer internationalen Reise noch Feuer fängt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

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