„Rienzi“ in Salzburg: Auch ein Volkstribun tritt manchmal leise

„Rienzi“ in Salzburg: Auch ein Volkstribun tritt manchmal leise
„Rienzi“ in Salzburg: Auch ein Volkstribun tritt manchmal leise(c) Johannes Ifkovits
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Philippe Jordan dirigierte eine schwungvolle Wiedergabe von Richard Wagners Versuch im französischen Genre der Grand Opéra.

In seinen offiziellen Bayreuther Werkkanon hat Richard Wagner den für Paris gedachten „Rienzi“ nicht aufgenommen. Kenner behaupten bis heute, das Stück sei „Meyerbeers beste Oper“. Wagners Stoßrichtung war aber eine ganz andere – weshalb der „Rienzi“ späterhin aus dem Blickfeld des Meisters verbannt wurde. Da wäre denn doch allzu viel zu revidieren gewesen, hätte man dieses Werk der Bayreuther Musiktheater-Ästhetik annähern wollen.

Bis in die Zwischenkriegszeit war es dennoch beliebt. Die pathetische Beschwörung von Heldenmut, revolutionärem Aufbegehren und demokratischer Staatsstruktur hatte auch dort, wo ihr Scheitern besungen wurde, etwas Faszinierendes. Vom Mythos des Volkstribuns ganz abgesehen . . .

Nach Christian Thielemann in Bayreuth dirigierte nun Philippe Jordan bei den Salzburger Festspielen ein „Rienzi“-Remake, konzertant in der Felsenreitschule und nicht einmal im Ansatz als Versuch, das monströse Original wiederherzustellen. Man wählt im Partiturdickicht kühne Abkürzungen.
Schon der erste große Sprung im (für die Charakterisierung der Streitparteien nicht ganz unwesentlichen) Ensemble der kämpferischen Orsini- und Colonna-Clans verrät, dass man sich um die von Wagner hier immerhin schon versuchte thematisch-rhythmische Verklammerung nicht bekümmert. „Rienzi“ ist auf diese Weise von der dramaturgischen Konzentration der späteren Dramen noch weiter entfernt, dauert dafür aber nicht sechs, sondern nur vier Stunden.

Vom mitreißenden Elan der Revolution

Hatte man sich damit einmal abgefunden, erlebte man eine dank Jordans energetischen Zugriffs von großem Schwung erfüllte Wiedergabe, die nur in den Rezitativen erstaunlich gebremst wirkte – was vielleicht dem Mangel an Opernerfahrung des Gustav-Mahler-Jugendorchesters zuzuschreiben ist. Wo es um drängende, fordernde Aktivität geht, auch um federnde Eleganz, wo sich Wagner an belkantesken Vorbildern orientiert, da treibt die Begeisterungsfähigkeit der jungen Musiker das Drama voran.
Jordan fordert brillante, auch im Pianissimo pulsierend kraftvolle Agitation – und erhält sie. Auch vom Staatsopernchor, der mit Stimmfülle keinen Zweifel lässt, dass es sich hier um „große Oper“ handelt. Nicht einmal in den „Meistersingern“ gibt es für die Gruppen so viel zu tun . . .
Christopher Ventris ist der Rienzi und reüssiert, obwohl er am Premierenabend deutlich ein wenig indisponiert war, glänzend, bringt er doch die lyrischen Qualitäten mit, die zur Bewältigung dieser ersten Heldentenorpartie dazu gehören: Wagner verlangt eloquente, geschmeidige Linienführung, die Ventris ebenso bieten kann wie zuletzt die Stentorkraft, gegen den revoltierenden Mob noch einmal aufzubegehren.

Viel Applaus bekommt Sophie Koch für ihre engagierte Umsetzung der zweiten Riesenpartie dieser Oper: Doch gerät sie in den dramatischen Aufwallungen hörbar an die physischen Grenzen ihrer schönen Mezzostimme, was hoffen lässt, dass solche Ausflüge in hochdramatische Regionen für die große Gestalterin Ausnahmen bleiben mögen.

Emily Magee, zunächst auch recht angestrengt, läuft in den aufgeputschten Erregungsprotokollen des vierten und fünften Akts zur Höchstform auf und überstrahlt plötzlich auch in höchsten Höhen alle Fortissimo-Attacken. Die Patrizier sind mit Georg Zeppenfeld und Martin Gantner wirklich streitbar besetzt. Robert Bork als Kardinal, Benjamin Bernhein als Baroncelli und Oliver Zwarg als Cecco stacheln die Handlung, jeder für sich, effektvoll an. Und die junge Australierin Kiandra Howarth schwingt die Koloraturbögen des Friedensboten blitzsauber und elegant. So ist auch das „Young Singers Project“ in die Festspiele gut eingebunden – ein Liebesdienst mehr im Wagner-Jahr zum Abhaken.
„Rienzi“ in dieser Konstellation noch einmal: 14. August (19 Uhr).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2013)

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