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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2013 - 23.08.2013


Il viaggio a Reims

Cantata scenica in einem Akt
Libretto von Luigi Balocchi
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Wiederaufnahme-Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 13. August 2013
(Produktion von 2001)


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Rossini Opera Festival

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Reise ins Nirgendwo

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)


Als Rossini Ende 1824 künstlerischer Leiter des Théâtre Italien in Paris wurde, vergrößerte er als eine der ersten Maßnahmen Solisten-Ensemble, Chor und Orchester erheblich. So konnte er anlässlich der Krönung des französischen Königs Karl X. mit seiner letzten italienischsprachigen Oper Il viaggio a Reims ein Stück herausbringen, das über enorm viele vergleichbar große solistische Partien verfügte. Seit 2001 steht dieses Werk nun jedes Jahr beim Rossini Opera Festival an zwei Vormittagen in einer Inszenierung auf dem Programm, die beim alljährlichen Festival Giovane mit jungen Sängerinnen und Sängern der Accademia Rossiniana erarbeitet wird. Diese langjährige Tradition der Nachwuchsförderung bietet jungen Künstlern, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, die Möglichkeit, zum einen Erfahrungen zu sammeln, die ihre jungen Stimmen nicht schädigen dürften, zum anderen sich für Intendanten und Festspielleiter auf der Suche nach künftigen Sängern zu empfehlen. So sind beispielsweise Mariangela Sicilia und Elena Tsallagova, die Darstellerinnen der Corinna in den letzten beiden Jahren, beide in diesem Jahr in den Hauptproduktionen verpflichtet. Sicilia übernimmt die Partie der Elvira in L'Italiana in Algeri und Tsallagova die Partie der Berenice in L'Occasione fa il ladro. Randall Bills, einer der beiden Darsteller des Cavalier Belfiore, übernahm in Bad Wildbad in diesem Jahr mit großem Erfolg die Partie des Königs Agorante in Rossinis Ricciardo e Zoraide, und Davide Giusti, der andere Darsteller des Belfiore aus dem letzten Jahr, wird im Herbst in Wexford in der Partie des Fadinard in Nino Rotas Il cappello di paglia Firenze zu erleben sein. Wer also eine Gelegenheit sucht, die ersten musikalischen Schritte der Stars von morgen mitzuerleben, sollte sich diese beiden Vormittagsveranstaltungen bei einem Besuch in Pesaro nicht entgehen lassen.

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Don Profondo (Sergio Vitale, Mitte vorne) mit den Gästen und Bediensteten im Kurhotel (kniend von links: Corinna (Sandra Ferró), Don Alvaro (Seiji Ueda), Don Luigino (Dempsey C' Rivera), mittlere Reihe von links: Marchesa Melibea (Tatia Jibladze), Delia (Sara Blanch Freixes), Contessa di Folleville (Sophie Gordeladze), Madama Cortese (Valentina Teresa Mastrangelo), Zefirino (Vassilis Kavayas), Cavalier Belfiore (Dmitry Ivanchey), Don Prudenzio (Davide Giangregorio), Barone di Trombonok (Paolo Ingrasciotta), hintere Reihe von links: Modestina (Mai Kusuno), Maddalena (Natalya Boeva), Antonio (Matteo Loi), Conte di Libenskof (Marco Stefani) und Lord Sidney (Dmitri Pkhaladze))

Emilio Sagis Inszenierung der Oper über eine illustre Reisegruppe, die im Kurhotel "Il Giglio d'Oro" (Goldene Lilie) in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen, dort aber nie ankommt, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht, deshalb im Hotel bleibt und dort ihr eigenes Fest veranstaltet, bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird nur mit neuen Interpreten unter der szenischen Leitung von Elisabetta Courir umgesetzt. Sagi hat die Geschichte auf einem Schiff angesiedelt, das, wie der blaue Hintergrund andeutet, nirgends ankommt. Während das Personal des Kurhotels in der weißen Kleidung mit den Namensschildern eher an Krankenpfleger erinnert und die Gäste einheitlich in weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, wechseln alle Figuren, wenn klar ist, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann und folglich im Hotel gefeiert werden soll, die Kleidung und legen schwarze Abendgarderobe an. So feiern sie nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff ihre eigene Party. Dass am Ende der Aufführung zu Corinnas Schlussgesang der König Karl X. als Kind mit Krone höchstpersönlich auftritt und mit drei Luftballons als Szepter Hände schüttelnd durch den Zuschauerraum schreitet, wird von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, so dass sich der junge Monarch schließlich an der Bühnenrampe niederlässt und, während die anderen mit Champagner anstoßen, genussvoll in sein Butterbrot beißt.

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Corinna (Sandra Ferró, 2. von links) wird zur Feier des Tages ein Lied über Karl X. vortragen (von links: Delia (Sara Blanch Freixes), Zefirino (Vassilis Kavayas), Don Luigino (Dempsey C' Rivera), Don Profondo (Sergio Vitale), Madama Cortese (Valentina Teresa Mastrangelo), Cavalier Belfiore (Dmitry Ivanchey), Contessa di Folleville (Sophie Gordeladze), Barone di Trombonok (Paolo Ingrasciotta), Conte di Libenskof (Marco Stefani), Marchesa Melibea (Tatia Jibladze), Antonio (Matteo Loi), Modestina (Mai Kusuno) und Lord Sidney (Dmitiri Pkhaladze)).

Das junge Ensemble, dem bei der Gestaltung der Bühnenfiguren im Rahmen des Regiekonzeptes großer Freiraum gelassen wird, besteht aus 17 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. Direkt zu Beginn fällt Natalya Boeva in der relativ kleinen Partie der Maddalena auf, wenn sie in der Einleitung "Presto, presto" die Bediensteten des Hotels, in diesem Fall des Schiffes, mit voluminösem Mezzo zur Arbeit antreibt und dabei spielerisch den Chor und das Orchester übertönt. Dass sie mit ihrer expressiven Darstellung beim ersten Auftritt ein wenig übertreibt, mag der anfänglichen Nervosität geschuldet sein. Aufhorchen lässt auch Valentina Teresa Mastrangelo als Madama Cortese. Mit beweglichen und absolut höhensicheren Koloraturen gibt sie ihren Angestellten vor dem Erscheinen der Gäste die letzten Anweisungen. Immer wieder schön anzusehen ist dabei auch, wie das Personal mit Seifenblasen zu dieser Szene eine verträumt kitschige Atmosphäre schafft. Es folgt ein darstellerisch und stimmlich großartiger Auftritt von Sophie Gordeladze als Contessa di Folleville, die mit einer vorgetäuschten Ohnmacht und übertriebenen Bewegungen ihrem Namen alle Ehre macht und eine herrliche Karikatur einer französischen Adeligen abgibt. In den Höhen ist Gordeladzes Sopran stellenweise noch etwas schneidend, verfügt aber bereits über eine enorme Strahlkraft. Das Brimborium über den von Modestina (Mai Kusuno mit großem Spielwitz) geretteten Hut avanciert musikalisch und szenisch zu einem Höhepunkt der Aufführung.

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Bei den Feierlichkeiten nimmt den kleinen Karl (Statist vorne links) keiner zur Kenntnis.

Tatia Jibladze punktet als polnische Witwe Marchesa Melibea mit kräftigem Mezzo und entwickelt vor allem in den Tiefen ein gewaltiges Volumen. Leider können ihre beiden Verehrer stimmlich da nicht ganz mithalten. Seiji Ueda verfügt als spanischer Edelmann mit seinem Bass bei schönem Spiel leider noch nicht über das erforderliche Volumen, um dieser Figur das nötige Profil zu verleihen. Auch Marco Stefani ist der Partie des stets eifersüchtigen Conte di Libenskof in den tenoralen Höhen noch nicht gewachsen. Seine Stimme muss noch reifen, um tenoralen Schmelz versprühen zu können. Dennoch versteht er es, das fehlende stimmliche Volumen mit einer erfrischenden Darstellung wettzumachen. So bereitet es große Freude Jibladzes Spiel mit den beiden Herren zuzusehen. Einen großen Auftritt hat auch Sandra Ferró als Corinna aus einer Loge im Publikum, wenn sie zu den sanften Klängen der Harfe mit warmem, beweglichem Sopran die aufgeheizte Stimmung auf der Bühne beruhigt. Darstellerisch zeigt Ferró Parallelen zu der Marchesa, da sie einerseits den ständigen Avancen des Cavalier Belfiore grundsätzlich nicht abgeneigt ist, andererseits auch den sie anschmachtenden Lord Sidney hoffen lässt. Dimitri Pkhaladze verfügt als englischer Lord über einen fundierten Bass und überzeugt darstellerisch mit herrlicher Melancholie, die von Mastrangelo, Boeva, Kusuno und Sara Blanch Freixes als Delia mit roten ausgeschnittenen Papierherzen, die im Takt der Musik schlagen, amüsant karikiert wird. Dmitry Ivanchey macht als Cavalier Belfiore vor allem optisch eine hervorragende Figur, wenn er, um Corinna zu beeindrucken, seine Muskeln spielen lässt. Sein Tenor ist zwar in den Höhen noch ein bisschen ausbaufähig, verfügt aber schon über eine tragfähige Mittellage, so dass das Liebesduett mit Ferró einen weiteren Höhepunkt der Aufführung markiert.

Zum regelrechten Publikumsliebling avanciert Sergio Vitale als Don Profondo, der mit beweglichem Buffo-Bass in seiner Arie "Medaglie imcomparabili" eine Liste von Wertgegenständen für die Reise erstellt und dabei die einzelnen Nationalitäten der Gäste mit ausdrucksstarkem Spiel und Gesang persifliert. Auch das Duett "Più vivace e più fecondo" mit Mastrangelo, in dem Don Profondo und Madama Cortese vor Corinnas Lobgesang auf König Karl X. an die Tiroler Herkunft der Madama erinnern und in traditionell angehauchten Klängen die Alpenmusik persiflieren, darf als Kabinettstückchen betrachtet werden. Interessant ist für deutsche Ohren auch immer wieder, dass Rossini im Rahmen der traditionellen Melodien, die die einzelnen Gäste bei der Feier am Ende des Stückes auf ihre Heimat anstimmen, mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhundert komponierte, bereits die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat. Paolo Ingrasciotta präsentiert als Barone di Trombonok diese kurze "Hymne" mit beweglichem Bariton. Abgerundet wird die Vormittagsveranstaltung durch das akkurat aufspielende Orchestra Sinfonica G. Rossini, das Daniel Smith mit sicherer Hand in fein abgestimmten Tempi durch die vielschichtige Partitur führt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch Elisabetta Courir einreiht.

FAZIT

Obwohl diese Inszenierung nun schon einige Jahre auf dem Buckel hat, wirkt sie durch die ständig neuen Solisten immer wieder frisch und sollte deshalb bei einem Besuch des Festivals nicht versäumt werden.

Weitere Rezensionen zu dem Rossini Opera Festival 2013




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Smith

Regie und Bühne
Emilio Sagi

Szenische Leitung
Elisabetta Courir

Kostüme
Pepa Ojanguren

 



Orchestra Sinfonica
G. Rossini



Solisten

*rezensierte Aufführung

Corinna
*Sandra Ferró /
Damiana Mizzi

Marchesa Melibea
*Tatia Jibladze /
Na'ama Goldman

Contessa di Folleville
*Sophie Gordeladze /
Sara Blanch Freixes

Madama Cortese
Valentina Teresa Mastrangelo

Cavalier Belfiore
*Dmitry Ivanchey /
Dempsey C' Rivera

Conte di Libenskof
*Marco Stefani /
Vassilis Kavayas

Lord Sidney
Dimitri Pkhaladze

Don Profondo
Sergio Vitale

Barone di Trombonok
Paolo Ingrasciotta

Don Alvaro
*
Seiji Ueda /
Matteo Loi

Don Prudenzio
Davide Giangregorio

Don Luigino
*Dempsey C' Rivera /
Dmitry Ivanchey

Delia
*Sara Blanch Freixes /
Sandra Ferró

Maddalena
Natalya Boeva

Modestina
Mai Kusuno

Antonio
*Matteo Loi /
Seiji Ueda

Zefirino / Gelsomino
*Vassilis Kavayas /
Marco Stefani

 

 

 


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