Rossini-Triumph in Pesaro: Juan Diego Flórez im „Tell“

Umjubelt: Juan Diego Flórez als Arnold in Rossinis „Wilhelm Tell“, hinter ihm der Chor.
Umjubelt: Juan Diego Flórez als Arnold in Rossinis „Wilhelm Tell“, hinter ihm der Chor.(c) Rossini Opera Festival
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Tenor Juan Diego Flórez, demnächst in Salzburg mit einem Rezital zu erleben, sang in Rossinis Geburtsstadt den Arnold perfekt.

Der „Tell“? Für die Partie des Arnold in Gioacchino Rossinis Grand Opéra sei seine Stimme viel zu „leicht“, sagte Juan Diego Flórez noch vor einigen Jahren, kurz nach seinem Debüt als Herzog in Verdis „Rigoletto“ in Dresden. Mittlerweile hat seine Stimme an dramatischem Potenzial gewonnen. Auf das Debüt im Frühling in Lima folgte nun Flórez' erster Arnold in Europa – in Rossinis Geburtsstadt.

In einer Koproduktion mit dem Teatro Comunale Bologna zeigt Pesaro eine Neuinszenierung der vieraktigen französischen Version des „Wilhelm Tell“ durch Graham Vick, die im April 2014 – allerdings ohne Florez – in Turin zu sehen sein wird. Der Erfolg in Pesaro ist durchschlagend, zumindest musikalisch: Flórez bewältigt die alle Kraftreserven fordernde, technisch anspruchsvolle Partie mit gewohnt mühelos wirkender Perfektion. Großer Jubel dankt ihm bereits nach Arie und Cabaletta, „Asile héréditaire“. Selbst die für Rossini ungewohnt dicht orchestrierten, dem Pariser Geschmack jener Ära angepassten dramatischen Passagen singt er ohne merkbare Anstrengung – obwohl die Aufführung in der riesigen Arena Adriatica stattfindet, in der das Orchester nicht, wie in Opernhäusern üblich, in einem tiefer liegenden Graben musiziert.

Die Titelpartie singt der junge Bariton Nicola Alaimo, der seine große Aufgabe zunächst vorsichtig angeht, dann aber zu einem berührenden Tell wächst, der stimmlich restlos überzeugt: Weniger kraftstrotzend als besorgt um seine Mitstreiter und das Wohl seiner Familie verleiht er der Figur sympathischen Charakter. Mut zu mehr darstellerischer wie stimmlicher Prägnanz, die in den entscheidenden Momenten der Rolle mehr Wirkung verschaffen könnte, wird er gewiss noch erreichen. Marina Rebekka als Mathilde gelingt eine expressive, beseelte Darstellung, die sowohl in dramatischen als auch in lyrischen Passagen dank strahlender Höhen und sicherer Stimmführung überzeugt. Veronica Simeon singt und spielt Tells Gattin Hedwig wohltuend zurückhaltend, Amanda Forsythe gefällt als Tells Sohn Jemmy vor allem dank szenischer Spielfreude, die auch Luca Tittotos Gessler im insgesamt sehr homogenen Ensemble auszeichnet.

Dümmlich überzeichnete Österreicher

Chor und Orchester des Teatro Comunale präsentieren sich unter Leitung des Bologneser Chefdirigenten Michele Mariotti bestens disponiert und folgen den Sängern mit hoher Sensibilität, ohne die große Linie der Grand Opéra aus den Augen zu verlieren. Großer Jubel nach dem langen Abend für Musiker und Solisten – Skepsis gegenüber der Inszenierung, die nicht mit der hohen musikalischen Qualität der Produktion mithalten kann: Im weißen Einheitsbühnenbild lässt Graham Vick die Schweizer Fußboden putzend und epileptisch verkrampft tanzend gegen die dümmlich und arrogant überzeichneten Österreicher – offenbar allesamt Kettenraucher – antreten.

Jede Menge – historisch meist nicht enträtselbarer – aktionistischer Details lenken von der Handlung ab, bleiben aber gottlob auf die (im Formgefüge einer Grand Opéra allerdings zahlreichen) Chorszenen und die zu verkrampften Turnübungen stilisierten Balletteinlagen beschränkt.

Juan Diego Flórez singt bei den Salzburger Festspielen am 29. August (18 Uhr) begleitet von Vincenzo Scalera Lieder und Arien von Donizetti, Bellini und Verdi. Sein nächster Opernauftritt findet in der Wiener Staatsoper statt: 26., 29. Oktober, 4. November in Donizettis „Regimentstochter“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2013)

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