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Verwirrung der Gefühle: (v. li.) Martin Mitterrutzner (Ferrando), Luca Pisaroni (Guglielmo), Marie-Claude Chappuis (Dorabella), Gerald Finley (Don Alfonso) und Malin Hartelius (Fiordiligi).

Foto: APA/BARBARA GINDL

Salzburg - Hätte Regisseur Sven-Eric Bechtolf eine Fortsetzung von Così fan tutte gedichtet, es wäre womöglich noch interessant geworden: Am Ende der von ihm dirigierten Triebwanderung liegt Don Alfonso leblos auf dem Boden, dahingerafft vom Giftsäftchen, das Guglielmo aus Don Alfonsos Ledertasche gezogen und ins Sektglas gekippt hatte. Ein Opernmord? Auch zeigt sich: Die Beziehungen der zwei Pärchen werden nach absolviertem Gefühlsspielchen nie wieder die ursprüngliche Form annehmen.

Es zwingt zwar Don Alfonso das erschöpft-ernüchterte Quartett zum finalen Besingen der Treue - das Experiment hat jedoch Beziehungsruinen hinterlassen: Guglielmo plagt bedrohlich üble Laune ob der erwiesenen Wankelmütigkeit seiner Fiordiligi. Und sein Unheil vorbereitender Seelenzustand wird nicht gelassener, wie es sich weist, dass es seine Fiordiligi nunmehr heftigst Richtung Ferrando zieht.

Da wäre am Ende also doch Stoff zum Weiterspinnen des Themas vorhanden gewesen - doch leider: Bechtolf hat keine Fortsetzung geschrieben, auch wenn im Programmheft - Hoffnung spendend - stand, es würde nach dem zweiten Akt der (nach wie vor zweiaktigen) Oper eine Pause geben.

So blieb es bei der Negativüberraschung: Bechtolf, der im Salzburger Vorjahr eine vorzügliche Ariadne präsentiert hatte und dessen Fähigkeit, Figuren mit feinsten Nuancen auszuschmücken und so psychologische Regungen subtil auszuleuchten etwa am Rheingold (der Wiener Staatsoper) zu studieren ist, zieht sich hier zurück auf plumpe Anbandelungskomödie und großteils ungestaltet wirkende Interaktion.

In einer Art Orangerie mit Planschbecken (die Damen nehmen, von ihren hinter Topfpflanzen versteckten Männern beobachtet, in der Ouvertüre ein Bad) trampeln also Guglielmo und Ferrando am Beginn des "Verstelldicheins" herein wie Rokoko-Neandertaler, die wenig erfolgreich einen Charmeschnellkurs absolviert haben.

Da sieht man schon: Sie sind mehr Konkurrenten als Freunde. Bereits zu Beginn geraten sie aneinander, wobei Guglielmo (vokal meist profund Luca Pisaroni) gockelhaft daherkommt, während Ferrando (mit tragfähiger, aber sicher ausbaubarer lyrischer Qualität Martin Mitterrutzner) eher das verträumte Sensibelchen gibt. Was man jedoch zu wenig sieht, sind jene seelischen Abgründe, die sich nach und nach auftun, jene szenischen Vertiefungen, die sich aus dem amourösen Aufeinanderprall der Figuren ergeben müssten.

Galanter Don Alfonso

Als wäre Bechtolf nicht mit seiner Arbeit fertig geworden (einer Arbeit, die sich schon sehr an die Züricher Produktion aus 2009 anlehnt), überlässt er die Sänger zu oft jenen Opernschablonen, die gerade diesem Werk Schmerzen des Trivialen bereiten. So bleibt es lediglich dem sehr kultiviert singenden Gerald Finley vorbehalten, eine rundum plausible Figur zu formen: Sein Don Alfonso ist jener galante Gelehrte mit pädagogischem Ansinnen, der mit höfischem Gehabe das Geschehen vorantreibt.

Von aufklärerischem Optimismus beflügelt, tangiert es ihn dabei kaum, dass Dorabella (Marie-Claude Chappuis schwankt zwischen Schönklang und Überdramatik) und Fiordiligi (angestrengt und etwas schrill Malin Hartelius) in heftige Seelennöte geraten, die Spielhelferin Despina (solide Martina Jankova) mitverursacht.

Groß ist auch die musikalische Not: Die Koordination zwischen Bühne und Orchestergraben funktioniert auffällig oft nicht. Und Dirigent Christoph Eschenbach (für Franz Welser-Möst eingesprungen) scheint mehr die Oberfläche der Musik zu verwalten, als tiefgründig zu gestalten. Ein paar dramatische Ausbrüche gibt es. Ansonsten klingen die Wiener Philharmoniker erstaunlich flach und irgendwie nicht interessiert an den konfliktbeladenen Vorgängen.

Mozart - zumal in Salzburg - müsste anders klingen. Angesichts der Tatsache, dass in den kommenden Jahren Figaro und Don Giovanni von den durchaus auch ausgebuhten Eschenbach und Bechtolf (der auch Theaterchef ist und zudem 2015 und 2016 die Gesamtheit der Festspiele mitgestalten soll) umsorgt werden, bleibt allerdings wenig Hoffnung auf ideenvolle Mozart-Exegese.  (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 23.8.2013)