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Musiktheater
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Attila

Oper in drei Akten und Prolog
Libretto von Temistocle Solera
Musik von Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra de Monte Carlo

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 20. September 2013



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)
Hunnenkönig in klassischem Ambiente

Von Thomas Molke / Fotos von Jacques Croisier


Wenn ein Sänger nach vielen erfolgreichen Jahren auf der Bühne die Seiten wechselt und selbst als Regisseur tätig wird, sind immer zwei unterschiedliche Ausprägungen denkbar. Entweder ist er von dem Konzept eines modernen Regietheaters so überzeugt, dass er dies ebenfalls in seinen Inszenierungen umzusetzen versucht, oder er macht genau das Gegenteil. Letzteres ist wohl bei Ruggero Raimondi der Fall, der jetzt in Liège Verdis Attila in Szene gesetzt hat. Raimondi vertraut dabei auf die musikalische Kraft des Werkes und belässt die Geschichte im fünften Jahrhundert. Ob die Handlung in dem nahezu monumentalen Bühnenbild von Daniel Bianco mit riesigen hochragenden Säulen, die an den Podesten mit detaillierten Fresken verziert sind, und mit den aufwendig gestalteten Kostümen von Laura Lo Surdo, bei denen zumindest die Kleider des Damenchors mit ihrem teilweise folkloristischen Touch eher an die Schweizer Bergwelt, und damit dem im letzten Jahr gespielten Guillaume Tell, erinnern, dadurch allerdings stimmiger wird, ist fraglich. Schön anzusehen ist es auf jeden Fall, und das Publikum dankt es dem Regieteam mit großem Jubel, dass Attila eben nicht als moderner Herrscher gezeigt wird, der mit Chemiewaffen oder Ähnlichem das Massaker in Aquileia ausgelöst hat.

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Ezio (Giovanni Meoni, rechts) schlägt Attila (Michele Pertusi, links) ein Bündnis gegen den weströmischen Kaiser vor.

Neben Attilas historisch belegter Eroberung Aquileias im Jahr 452 n. Chr. greift die Oper auch eine Episode auf, wonach Attila nach einem Treffen mit Papst Leo I. (Leone) von einer Eroberung Roms wieder Abstand genommen habe. Auch die Figur des Ezio (Flavius Aetius) als bedeutender römischer Feldherr, der die Vernichtung des späten Weströmischen Reiches durch die Goten und Hunnen verhindern konnte, ist historisch verbürgt. Dass er allerdings Attila, den er schon von Jugend an kannte, angeboten haben soll, sich mit ihm gegen den römischen Kaiser Valentian III. zu verbünden, dürfte wohl eher aus dramaturgischen Gründen in die Vorlage des Librettos, der romantischen Tragödie Attila, König der Hunnen von Zacharias Werner, eingefügt worden sein. Auch Odabella, die Tochter des Herrschers über Aquileia, die nach der Ermordung ihres Vaters durch Attila von Rache getrieben wird und sich auf eine Hochzeit mit dem Hunnenkönig einlässt, um diesen mit seinem eigenen Schwert zu erdolchen, basiert auf einer Umgestaltung der Überlieferung, wonach Attila ein Jahr nach der Eroberung Aquileias in der Hochzeitsnacht von seiner gotischen Braut Hildico ermordet worden sein soll. Der junge Foresto, der aus dem zerstörten Aquileia fliehen konnte und zunächst um seine Geliebte Odabella bangt, sich anschließend von ihr verraten fühlt, kommt in Werners Tragödie nicht vor und ist für die Oper hinzugefügt worden, um zum einen nicht auf die mehr oder weniger obligatorische Tenor-Partie zu verzichten, zum anderen das Libretto um eine Liebesgeschichte zu erweitern.

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Odabella (Makvala Aspanidze) und Foresto (Giuseppe Gipali) planen Attilas Ermordung.

Raimondi lässt den Solisten beim Gesang viel Spielraum zum Ausdruck der emotionalen Befindlichkeiten der Figuren, was allerdings teilweise zu Lasten einer detaillierten Personenregie geht. So gibt es während der großartigen Arien und Ensembles größtenteils nur Rampensingen auf der Bühne und kaum irgendeine Interaktion. Auch die aufragenden Säulen erwecken kaum den Eindruck einer so eben gebrandschatzten und zerstörten Stadt, in der die Hunnen ihren Sieg feiern. Im weiteren Verlauf werden die riesigen Säulen zwar auf der Bühne mal nach rechts oder links geschoben, sind allerdings für einige Szenen eher im Weg, beispielsweise bei der Waldszene im dritten Akt. Da hätte der pittoreske Hintergrund mit einer großflächigen Projektion von einem schattigen Wald mit einem leuchtenden Mond gereicht, die Atmosphäre einzufangen. Beeindruckend hingegen gelingt die Traumszene im ersten Akt, wenn Attila in seinem Zelt erwacht und seinem Sklaven Uldino von dem alten Mann vor den Toren Roms erzählt, der ihm den Weg in die Stadt versperrt habe. Raimondi lässt dafür den Bühnenboden hochfahren und Leone in schummrigem Licht auf der emporgefahrenen Bühne erscheinen - jetzt passen die Säulen wirklich ins Bild -, während Attila darunter in seinem Bett aufschreckt. Wie im weiteren Verlauf der Szene die Bühne langsam heruntergefahren wird, Attila dann wirklich auf Papst Leo (Leone) trifft und dieser dann tatsächlich den Angriff auf Rom verhindert, ist bewegend umgesetzt. Auch der aus Waffen zusammengesetzte Thron, auf dem Attila zu Beginn Platz nimmt und der die Macht des Hunnenkönigs demonstriert, gefällt als Regieeinfall. Warum allerdings nach der Ermordung Attilas ein Gitter aus Waffen aus dem Schnürboden herabgelassen wird, bleibt unklar. Soll hier gezeigt werden, dass auch die Römer ihren Machtanspruch nur auf Waffengewalt begründen?

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Verhängnisvolle Begegnung vor den Toren Roms: Attila (Michele Pertusi, Mitte) und Leone (Pierre Gathier, vorne rechts) (im Hintergrund: Chor und Statisterie)

Musikalisch wartet die Produktion mit einer großartigen Solistenriege auf. Angeführt wird sie von Michele Pertusi, der die Titelfigur mit fulminantem Bass ausfüllt und auch optisch die Kompromisslosigkeit des Hunnenkönigs glaubhaft unterstreicht. Einen Höhepunkt seiner Interpretation stellt Attilas große Traumarie im zweiten Akt dar, in der Pertusi überzeugend zwischen zutiefst verunsichertem Menschen und furchtlosen Herrscher changiert. Makvala Aspanidze verfügt als Odabella über enorme stimmliche Kraftreserven, die sie die anspruchsvolle Partie der Rächerin für den Mord an ihrem Vater beachtlich umsetzen lassen. Gerade zu Beginn des Abends ist der Wechsel von den voluminösen Tiefen zu den dramatischen Höhen allerdings mit einigen Schärfen versehen. Im weiteren Verlauf des Abends werden die Übergänge allerdings weicher, so dass auch sie mit großem Sopran punktet. In der Darstellung wirkt Aspanidze stellenweise allerdings zu wenig auf die Szene konzentriert, was sich vor allem in ihrem ersten Auftritt als Gefangene und bei Attilas Ermordung zeigt. Allerdings wird auch im Libretto eigentlich nicht wirklich klar, wieso Attila Odabella zunächst als Verräterin bezeichnet und dann überrascht ist, dass sie das Schwert gegen ihn zieht.

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Verräter von allen Seiten: Ezio (Giovanni Meoni, rechts), Foresto (Giuseppe Gipali, links) und Odabella (Makvala Aspanidze) wollen Attila (Michele Pertusi) töten.

Ein weiterer Star des Abends ist Giuseppe Gipali als Foresto, der seinen Tenor scheinbar ohne Anstrengung in schwindelerregende Höhen emporschrauben kann, ohne dabei zu forcieren. Vor allem sein Duett mit Aspanidze, wenn er nach anfänglichen Vorwürfen gegen die Geliebte schließlich doch das Vertrauen zu Odabella zurückgewinnt, löst im Publikum regelrechte Beifallstürme aus. Gleiches gilt für Giovanni Meoni, der den römischen Heerführer Ezio mit durchschlagendem Bariton ausstattet. Großartig gelingen sein Duett mit Pertusi, in dem er Attila eine Kooperation gegen den weströmischen Kaiser vorschlägt, und seine große Arie im zweiten Akt "Dagli immortali vertici", wenn er den Verfall des Römischen Reiches beklagt, nachdem er vom Kaiser nach Rom zurückbeordert worden ist. Auch sein Duett mit Gipali, wenn Ezio und Foresto Attilas Ermordung beschließen, stellt einen weiteren musikalischen Höhepunkt des Abends dar. Der Herrenchor unter der Leitung von Marcel Seminara präsentiert sich als kämpferische Hunnen stimmgewaltig, und auch Renato Palumbo lotet mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie Verdis dramatische Partitur vielschichtig aus, so dass auch die musikalische Seite des Abends wie die Regie vom Publikum mit großem Jubel goutiert wird.

FAZIT

Wer sich eine "klassische" Inszenierung mit guten Sängern wünscht, sollte sich diese Produktion nicht entgehen lassen. Die Veranstaltung am 24. September 2013 wird übrigens als Live-Stream im Internet übertragen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Renato Palumbo

Inszenierung
Ruggero Raimondi

Bühne
Daniel Bianco

Kostüme
Laura Lo Surdo

Licht
Albert Faura

Chorleitung
Marcel Seminara

 

Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie

Statisterie


Solisten

Attila
Michele Pertusi

Odabella
Makvala Aspanidze

Ezio
Giovanni Meoni

Foresto
Giuseppe Gipali

Uldino
Papuna Tchuradze

Leone
Pierre Gathier


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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