Neues Haus, frischer Wind?

In seinem neuen Haus am Volksgarten wendet sich das Landestheater Linz Wagners «Ring» zu. Das «Rheingold» liess bühnentechnische Möglichkeiten und sängerische Grenzen erkennen.

Peter Hagmann
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Die Rheintöchter beim fröhlichen Spiel – in der neuen Oper von Linz. (Bild: Monika Forster)

Die Rheintöchter beim fröhlichen Spiel – in der neuen Oper von Linz. (Bild: Monika Forster)

Durchaus selbstbewusst steht es da, das Theater am Volksgarten des britischen Architekten Terry Pawson, das sich das Landestheater Linz als seinen neuen Sitz für Oper, Musical und Ballett hat bauen lassen können. Mit einer neuen Oper von Philip Glass ist es Mitte April eingeweiht worden, inzwischen hat künstlerisch der Normalbetrieb Fuss gefasst – weshalb für das von Rainer Mennicken geleitete Haus der Moment gekommen ist, sich an ein Projekt zu wagen, wie es vordem nicht denkbar gewesen wäre. So stemmt jetzt auch Linz eine Neuinszenierung von Richard Wagners «Ring des Nibelungen»: mit zwei Teilen in dieser und zwei Teilen in der kommenden Saison.

Akustisch schwierig

Viel wird da gewagt, viel steht auf dem Spiel, das hat die Eröffnung der Tetralogie mit dem «Rheingold» deutlich gemacht. Das Bruckner-Orchester Linz sitzt tief in seinem Graben und geriet doch rasch zur Bedrohung für die Sängerinnen und Sänger – erstaunlich, dass sich in einem neuen Haus, für dessen Bau auf die stark gewachsenen Erfahrungen in Fragen der Akustik zurückgegriffen werden konnte, die Problemstellung so altvertraut erwies. Zudem klang das Orchester, so schien es auf einem Platz im vordersten Drittel des Raums, leicht topfig, jedenfalls wenig fassbar in seiner farblichen Ausstrahlung. Selbst dort, wo das Instrumentale markig aufträgt, etwa beim Erscheinen der beiden Riesen oder beim Eintritt Wotans und der Seinen in die neu erbaute Burg Walhall, fand der Klang wenig Prägnanz.

Mag sein, dass Dennis Russell Davies, der Chefdirigent des Bruckner-Orchesters, hieran seinen Anteil hat. Gerade anders als bei dem konzertanten «Ring» beim Lucerne Festival, der seinen besonderen Stellenwert dadurch gewann, dass das Orchester seine ganze Pracht hören liess und das Vokale doch nirgends verlor, zielt Davies in bewundernswerter Konsequenz auf feingliedrigen Ton und kammermusikalisch ausdifferenzierte Artikulation. Und das in Verbindung mit ausgesprochen langsamen Tempi, die freilich den Atem der Sänger stets im Auge behalten. Weil die Tempi zudem ein logisches Beziehungsnetz bilden, ergibt sich ein getragener, aber kontinuierlicher Spannungsverlauf. Sehr einlässlich wird hier auf die musikalische Formung geblickt, was sich in grossartig ausgefeilten Einzelheiten manifestiert.

Wenigstens instrumental, denn das Vokale vermag diese Höhe in keiner Weise zu halten. Allerdings: Auch die Darsteller scheinen unter akustischen Problemen zu leiden; die Stimmen bleiben auf der Bühne gefangen, sie wirken, als klängen sie in einem Zimmer, in das der Zuhörer von aussen hineinzuhorchen hat. Dazu kommen aber Unzulänglichkeiten der Besetzung; sie vertragen sich schlecht mit der Geste des neuen Hauses wie mit der veränderten künstlerischen Ambition. Gerd Grochowski ist ein klangvoller Wotan, der das aufgesetzt Heldische erfolgreich umgeht, der durch die Aufgaben der Partie freilich an den Rand seiner Möglichkeiten gebracht wird. Und Oskar Hillebrandt gibt einen Alberich, der stimmlich ermüdet und im Ausdruck konventionell wirkt. Geradezu unverständlich aber die Besetzung des Loge mit Michael Bedjai, der ein blendender Darsteller ist, aber kaum über Stimme verfügt – fast müsste hier von Sprechgesang die Rede sein. Farblos die Fricka von Karen Robertson, mit dünnem Klang die Riesen Fasolt (Dominik Nekel) und Fafner (Nikolai Galkin). Mit Bangen denkt man an die Fortsetzung, aber vielleicht wird alles noch ganz anders.

Szenisch problematisch

Von erstaunlicher Naivität auch das Szenische. Die besten Effekte in dieser Arbeit von Uwe Eric Laufenberg ergeben sich aus den Wirkungen, welche die Bühne von Gisbert Jäkel und die Kostüme von Antje Sternberg erzeugen. Das ist aber erst die Ausstattung. Die Darsteller, die darin Theater entstehen zu lassen hätten, sind auf sich selbst gestellt. Loge beispielsweise ist natürlich Dirigent des Geschehens; muss er das durch heftiges Taktschlagen mit beiden Händen anzeigen? Das sieht nach Schüleraufführung aus, wo Laufenberg doch ein Welttheater in den Blick genommen hat. Bei ihm spielt das «Rheingold» in einem herrschaftlichen Zelt auf der Baustelle der eben fertiggestellten Burg. Der Mythos soll als global verstanden werden, weshalb die beiden Riesen als Dschingis Kahne auftreten, während Donner (Seho Chang) ein chinesischer Pirat und Froh (Pedro Velázquez Díaz) ein früher Eroberer der afrikanischen Wüste ist. Zugleich zeigen sich aber erste Ausrichtungen auf die Entstehungszeit der Tetralogie hin. In seinem Nibelheim lässt Alberich Kinder für sich arbeiten, während er eine Zigarre raucht. Und am Ende wird zwischen zwei Riesensäulen das Portal zu einem gründerzeitlichen Parthenon sichtbar, an dessen Seite ein bronzener Adler wartet. Wie das wohl wird?

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