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Das Glück is a
Vogerl
Von Bernd
Stopka /
Fotos von N. Klinger
Eine komische
Vorlage komisch auf die
Bühne zu bringen ist
eine größere Herausforderung als die Erschaffung und den
Untergang der Welt
halbwegs überzeugend in Szene zu setzen. An diese Aufgabe hat sich
Regisseur Volker
Schmalöer mit der Operette der Operetten, Johann Strauss’ Fledermaus, nun in Kassel gewagt. Dabei versucht er gar
nicht erst
eine realistische Geschichte zu erzählen, sondern zeigt die
Personen als
schematisierte Abziehbilder. Hierzu hat Andreas Janczyk sie in
schwarz-weiße
Kostüme aus dicken steifen Stoffen gesteckt, in denen sie wie
Marionetten oder
billige Anziehpuppen aussehen. Diese clownesk geschminkten Kunstfiguren
veranstalten ein Theater, das mal witzig, mal komisch, sehr oft
klamottig und
albern erscheint. Aber es ist immer (nur) Theater, das auf Distanz
bleibt.
Bild aus der
inszenierten Ouvertüre
Lars Peter hat die Bühne mit einem
weißen Bilderrahmen
umgeben, der diesen Abstand zur lebendigen Menschlichkeit verdeutlicht.
Der
Pudel als szenisches Leitmotiv beherrscht die Bühnenbilder.
Zunächst sind in
der inszenierten Ouvertüre 3 lebende Tiere zu sehen, im ersten Akt
durchbricht
ein großes Fenster in den Umrissen eines Pudels die Tapete bei
Eisensteins, und
im zweiten Akt sitzt eine riesengroße Nachbildung neben einem
riesengroßen Mond
auf der Bühne. Nur die nötigsten Requisiten ergänzen
diese Bilder. Das
Gefängnis befindet sich schlicht und einfach zwischen den
Metallstreben
eines hochgefahrenen Hubpodiums, das zum
Finale einfach wieder heruntergefahren wird, um Orlofskys Gästen
reichlich
Platz zum Umjubeln des Champagners zu geben, das Groteske ihres
Auftritts im
Gefängnis aber verschenkt.
Über allem schwebt eine digitale Uhr mit roter
Ziffernanzeige. Zunächst mit Echtzeit, bei Orlofsky ab 23:00 Uhr
und zum
verwirrenden Aktschluss mit tanzenden Dioden und wirren Anzeigen – vom
früheren
ARD-Tagesschau-Logo bis zum Batman (= Fledermaus, ha ha) -Bild und der
allseits
nur zu gut bekannten „Error“ – Meldung. Dr. Falke programmiert sie
schließlich
mittels archaischer Fernbedienung auf 6:00 Uhr und versetzt den
Gefängnisdirektor
und seinen zukünftigen Gast in den Schrecken des
Zuspätkommens.
Marian Pop
(Gabriel von
Eisenstein) und Hulkar Sabirova (Rosalinde)
Zur Ouvertüre sehen wir die mit vielen
Details
angereicherte, liebevoll ausgestaltete Vorgeschichte als lebendigen
Scherenschnitt mit schwarzen Figuren vor einem hell leuchtenden
Hintergrund.
Wunderschön gemacht und auch sehr musikalisch umgesetzt. Szenisch
sind dies vielleicht
die schönsten Minuten des ganzen Abends. Auffällig erscheint, dass die Herren
unter den Fräcken keine
Hemden tragen. Kragen, Fliege, Piquébrust und Weste müssen
reichen und beim
Umziehen bzw. bei angedeuteten sexuellen Handlungen sieht man die
blanken Arme
der Herren. Die der Damen sowieso, vor allem bei Adele und Ida, die ab
dem
zweiten Akt bunte Mieder tragen dürfen und sich damit gegen das
schwarz-weiße
Einerlei abheben, das ansonsten nur noch Prinz Orlofsky
peitschenschwingend mit
seinem rosaroten Fantasie-Barockkostüm durchbricht.
Möglicherweise ein Hinweis
auf irgendwelche festgefahrenen und hier überschrittenen
Strukturen, zumal
Lachen und Fröhlichkeit auf des Prinzen Party überwiegend als
schematisierte
künstliche Gefühlsbezeugungen zu sehen sind. Vielleicht aber
auch nicht. Der Zauber von Eisensteins
„Rattenfänger-Uhr“
zeigt sich Zeitlupenbewegungen auslösend als Beleuchtungseffekt.
Auch zu den „Klängen
der Heimat“ verändert sich das Licht: Es wird grün und
Hubpodien versetzen den
Bühnenboden in Stufenform, ähnlich wie zum „Brüderlein
und Schwesterlein“, das
rosarot ausgeleuchtet und mit diversen Monden am
Sternenhimmelhintergrund dekoriert
wird. Kitsch as kitsch can.
Tomasz Wija (Frank), Hansung Yoo (Falke), Maren Engelhardt (Orlofsky)
Immer wieder lässt der Regisseur seine internationale Sängerbesetzung in ihre
Muttersprachen verfallen. Aber auch damit kann er nicht ersetzen, was der ganzen
Inszenierung fehlt: Das Liebenswerte, das geistreich Komische, das „ach ja“-Lächeln, ohne das die Fledermaus
zum billigen Klamauk wird. Der ganzen
Inszenierung? Nein, nicht der ganzen
Inszenierung, denn es gibt einen Moment, der vom oberflächlichen
Spaß abweicht:
Der Gefängniswärter Frosch wurde von allen platten und
veralteten Witzchen
befreit und hält eine launige Rede, die er mit dem zur Zither
gesungenen
Wienerlied Das Glück is a Vogerl
(Melodie: Karl Kratzl) abschließt und damit
endlich auch ein bisserl morbiden Wiener Charme versprüht. Bei all
dem
erscheint er zwar trinkfreudig, aber nicht volltrunken – das sind der
ankommende
Direktor und die später erscheinende Ida viel viel mehr.
"Brüderlein,
Brüderlein
und Schwesterlein"
Kassels GMD Patrik
Ringborg entfesselt mit dem sehr gut
disponierten Staatsorchester ein feurig-leidenschaftliches, sehr
dynamisches
und mitreißendes, ja hinreißendes musikalisches Feuerwerk,
setzt immer
wieder
spannende Akzente und Effekte und setzt damit den dringend
benötigten
emotionalen Gegenpol zum belanglos und distanziert wirkenden
Bühnengeschehen. Auch sängerisch gibt es einige
Glücksmomente: Allen
voran
Hansung Yoo mit klar fokussiertem, sehr
angenehm timbrierten Bariton als Dr. Falke und LinLin Fan mit hellem,
leichtem,
koloraturfreudigem und –sicherem Sopran. Bassem Alkhouri singt den
Alfred mit wohlklingendem, aber nicht
immer sicherem Tenor. Die Rosalinde wird
von Hulkar Sabirova innig gestaltet, ihr farb- und substanzreicher
Sopran ist
geradezu ideal für diese Partie. Marian Pop bleibt als Eisenstein
hingegen
stimmlich blass und wenig präsent. Maren Engelhardt macht als
Prinz Orlofsky
auch stimmlich eine sehr gute Figur. Tomasz Wija als
Gefängnisdirektor Frank,
Sabine Hoppel als Ida, Jürgen Appel als Notar und Bernhard Modes
als Frosch werden ihren Partien mehr als
gerecht. Chor und Ballett sind ein Ohren- bzw. Augenschmaus. Szenisch kein großer Wurf, aber ganz nett und unterhaltsam. Unter einem mitreißenden Dirigat sind ein paar sehr gute sängerische Leistungen zu hören. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
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