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Jesus Christ Superstar

Rockoper
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber


in englischer Sprache mit deutschen Inhaltsangaben

Aufführungsdauer: ca. 2h 5' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Theater Dortmund
Premiere im Bonner Opernhaus am 13. Oktober 2013

(rezensierte Vorstellung: 2. November 2013)


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Theater Bonn
(Homepage)

Jesus Christ Superstar 2013

Von Thomas Tillmann / Fotos von Thilo Beu



Szenenfoto

Jesus (Mark Seibert) wird von seinen Anhängern gefeiert.

Der Jesus-Darsteller liegt schon auf dem der eigentlichen Bühne vorgelagerten Kreuz, das bis in die ersten Parkettreihen der Oper Bonn reicht, er schläft, wird von einem Alptraum gequält - Regisseur Gil Mehmert nimmt die Geißelung des Endes hier vorweg und verweigert dem Zuschauer damit ein ruhiges Sichhineinfinden in eine Handlung, die an Aktualität (Beatrice von Bombards Kostüme unterstreichen dies) kein bisschen verloren hat und nach wie vor unter die Haut geht, wenn sie so stimmig, prägnant und mit vielen eigenen Akzenten erzählt wird. So finden sich unter Jesu Anhängerschaft durchaus auch junge Menschen, die anderen Religionen zuzuordnen sind, nicht nur verkleidete Musicaldarsteller mit gestählten Körpern, Außenseiter unserer Gesellschaft (und auch ein Fan eines Dortmunder Fußballclubs, dies vielleicht eine übertriebene Verbeugung vor dem zweiten Aufführungsort dieser Produktion), auch die Vertreter des religiösen Establishment erinnern in ihren Kutten eher an katholische Priester als an diejenigen des Judentums der Zeit Jesu, die Besatzer an Polizisten. Und doch sind diese Aktualisierungen nicht vordergründig oder platt, sondern bleiben meistens angedeutet oder künstlerisch verfremdet. Die Reinigung des Tempels wird so zu der Auflösung einer Fashion Show eines schrill-tuntigen Designers, der aber eben nicht genauso aussieht wie Harald Glöckler, sondern blonde hochgestellte Haare trägt. Dass Jesus im Slip ins Bett steigt und Maria Magdalena ihm nach dem berühmten Song in BH und Höschen dorthin folgt, dass beim letzten Abendmahl Shisha geraucht wird, dass jemand eine Coladose auskippt, wenn Jesus vom Kreuz herunter seinen Durst bekundet, all das regt 2013 niemanden mehr wirklich auf (ich erinnere mich noch gut an wilde Flugblattaktionen von Fundamentalisten vor Theatern, die die Rockoper aufführten). Dass Mehmert auch theologisch auf der Höhe ist, wurde etwa an dem Einfall deutlich, dass er am Ende von "Gethsemane" Bilder von sterbenden Menschen in verschiedenen Zeiten und an diversen Orten dieser Welt zeigt - Jesu Tod steht stellvertretend für das Sterben so vieler Unschuldiger. Ebenso eindringlich ist es, wenn das aufgeheizte Volk die Peitschenhiebe des Pilatus pantomimisch mitmacht. Dass am Ende Grablichter, Blumen und selbst geschriebene Zettel am Fuße des Kreuzes abgelegt respektive angeheftet werden, mag mancher kitischig finden, aber so sehen Trauerrituale heute aus, das hat der Regisseur richtig beobachtet.


Szenenfoto

Jesus (Mark Seibert) kann sich der Hilfesuchenden kaum noch erwehren.

Nikolaj Alexander Brucker hatte die undankbare Aufgabe, den in der Musicalszene durchaus prominenten Mark Seibert in einigen Vorstellungen als Jesus zu ersetzen (der Kollege spielt in Wien immer noch den Tod in Elisabeth), ohne dessen vokale Qualitäten zu besitzen, da wurde manche Phrase abgekürzt, mancher hohe Ton klang schwach und unfreiwillig gequält. Immerhin, der junge Künstler ist ein intensiver Darsteller, gerade in seiner Zerbrechlichkeit und eher zarten Physis, es war beklemmend, ihm in den Minuten vor der eigentlichen Kreuzigung an einem Mikrofonständer hängend aus zwei Metern Entferung zuzuschauen, Schweiß und möglicherweise auch Tränen laufen zu sehen. David Jakobs hatte mit seiner durchdringenden, in allen Lagen kraftvoll auftrumpfenden Stimme aber als Judas in jedem Fall die Nase vorn, allerdings habe ich diese Rolle schon intensiver und mit mehr Schattierungen gespielt erlebt.


Szenenfoto

Herodes (Dirk Weiler) verspottet Jesus (Mark Seibert).

Patricia Meeden ist nicht nur eine der schönsten Frauen, die ich je auf einer Bühne gesehen habe (es ging ein Raunen durchs Parkett, als sie ihren ersten Auftritt hatte), sondern auch eine ausdrucksstarke Sängerin, die vor allem aus "I Don't Know How To Love Him" mit sehr individuellen, betörenden Töne eine Menge machte. Mark Weigel war ein überaus engagierter, präsenter Pontius Pilatus (den der Regisseur in einer Szene beim Spritzen von Medikamenten oder Drogen zeigt, ein Mächtiger, der an seinem Amt zerbricht, das ist kein schlechter Einfall), der bei den Auspeitschungsszenen auch körperlich alles gab und trotzdem Zwischentöne fand, überraschenderweise aber als Hannas an den hohen Tönen scheiterte und mehrfach peinlich kiekste. Schwächer war da nur noch Alexey Smirnov als völlig textunverständlich singener Kaiaphas mit kaum erreichten tiefen und brüchigen sonstigen Tönen - solche Leistungen dürfte man Opernsängern eigentlich nicht durchgehen lassen. Viel Stimme und Ausstrahlung besaßen dagegen Tim Ludwig als Petrus und Marc Lamberty als Simon Zelotes, und Dirk Weiler nutzte alle Möglichkeiten (auch seine bemerkenswerten Kenntnisse im Steptanz), um aus Herod's Song einen Showstopper zu machen, wobei in dieser Produktion kurz vor Ende der Nummer das ruhige "Could We Start Again?" von Maria Magdalena und Petrus eingeschoben wird, während Herodes und seine Entourage sehr wirkungsvoll ihre Verhöhnung Jesu im Zeitlupentempo fortsetzen - einer von vielen gelungenen Einzeleinfällen eines Regisseurs, der viel von Timing versteht und der sich von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen auf ein hervorragendes Ensemble verlassen konnte. Ich empfand es auch als Pluspunkt der Aufführung, dass hier endlich einmal wieder die Bühne voll war bei den großen Szenen, wurde doch der Chor geschickt in das Bühnengeschehen einbezogen, ohne sich mit doch meistens lächerlich wirkenden Choreografieeinfällen abmühen zu müssen. Solche hätte Kati Farkas (selber eine gute Musicaldarstellerin übrigens, ich sah sie vor einigen Jahren in Düsseldorf in Chicago und habe eine sehr gute Jazz-CD von ihr im Regal) vermutlich ohnehin vermieden, der großartige Tanzszenen eingefallen sind. Patricia Martin war diesmal die musikalische Leiterin, die zusammen mit ihren hinten oben ins vorwiegend in schwarz gehaltene, beeindruckende, mit seinen Rängen an Amphitheater erinnernde Bühnenbild integrierten Musikern für einen professionellen, mitreißenden Sound sorgte. Einziger wirklicher Wermutstropfen der besuchten Vorstellung war der wiederholte Ausfall der Mikrofontechnik, solche Probleme sollten sich doch nach einigen Abenden eingespielt haben.


Szenenfoto

Maria Magdalena (Patricia Meeden) gelingt es, Judas (David Jakobs) und Jesus (Mark Seibert) für einen Moment Ruhe zu verschaffen.


FAZIT

Wow, diese hochkarätig besetzte, bewegende Neuproduktion von Jesus Christ Superstar hat es wirklich in sich, hebt sie sich doch von vielen anderen wenig originellen Reprisen und allzu braven Stadttheateraufführungen des bekannten Werks erfreulich ab. Anschauen, bitte!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patricia Martin

Inszenierung
Gil Mehmert

Choreografie
Kati Farkas

Bühnen- und Kostümbild
Beatrice von Bomhard

Lichtdesign
Thomas Roscher

Choreinstudierung
Volkmar Olbrich

Einstudierung Jugendchor
Ekaterina Klewitz


Chor
des Theater Bonn
Mitglieder des Jugendchores
des Theater Bonn

Musiker:
Marcus Schinkel (Keyboards)
Christian Kiefer (Gitarre)
Michael Marciniak (Gitarre)
Andy Pilger (Drums)
Stephan Schott (Percussions)
Rainer Wind (Bass)
Martin Reuthner (Trompete)
Gabriel Perez (Reeds)
Isabelle van de Wiele (Horn)


Solisten


Jesus Christus
Nikolaj Alexander Brucker

Judas
David Jakobs

Maria Magdalena
Patricia Meeden

Pontius Pilatus/Hannas
Mark Weigel

Kaiaphas
Alexey Smirnov

Petrus
Tim Ludwig

Simon Zelotes
Marc Lamberty

Herodes
Dirk Weiler

Erster Priester
Boris Beletskiy

Zweiter Priester/
Alter Mann
Eduard Katz

Dritter Priester
Johannes Marx

Mädchen am Feuer
Inga Krischke *

Soldat
Jan Bastel

Soul Girls
Patricia Meeden

Judas
David Jakobs

Soul Girls
Patricia Meeden
Dionne Wudu
Yoko El-Edrisi

Jünger
Jan Bastel *
Dirk Weiler
Marc Lamberty
Merlin Fargel *
Alexander Sasanowitsch *
Taras Ivaniv
Josef Michael Linnek
Johannes Mertes
Dong Soon Park
Christian Specht

Frauen bei Jesus
Yoko El-Edrisi
Yvonne Forster *
Inga Krischke *
Vera Weichel *
Hanna Mall *
Anna Winter *
Dionne Wudu

Models
Jan Bastel
Yoko El-Edrisi
Dionne Wudu
Yvonne Forster *

* Studentinnen und Studenten
der Folkwang Universität
der Künste Essen





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Theater Bonn
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