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Musiktheater
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Don Carlo

Oper in fünf Akten
Libretto von Joseph Méry und Camille Du Locle nach dem Drama Don Karlos von Friedrich Schiller
Italienische Übersetzung von Achille de Lauzières, Angelo Zanardini und Piero Faggioni
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Aachen am 9. Februar 2014

 

Logo: Theater Aachen

Theater Aachen
(Homepage)

Und der Totenkopf schaut zu

Von Thomas Molke / Fotos: Carl Brunn

Während Friedrich Schiller von 1787 bis 1805 insgesamt vier Fassungen seines historischen Dramas Don Karlos erstellte, arbeitete auch Giuseppe Verdi über einen Zeitraum von nahezu 20 Jahren seine Vertonung dieses Stoffes immer wieder um. So haben die Opernhäuser, die dieses Stück auf den Spielplan stellen, die Qual der Wahl zwischen insgesamt sieben unterschiedlichen Fassungen. Am häufigsten ist dabei die sogenannte Mailänder Fassung zu erleben, die auf den Fontainebleau-Akt verzichtet, in dem Carlo in Frankreich auf seine designierte Braut Elisabetta trifft und sich beide ineinander verlieben, bevor die Nachricht kommt, dass Filippo II. für den Friedensschluss mit Frankreich die französische Prinzessin nun selbst heiraten wolle. Nachdem die Theater in Hagen, Gelsenkirchen und Dortmund im Rahmen des Verdi-Jubiläums im letzten Jahr alle diese vieraktige Fassung auf die Bühne gebracht haben, ist nun in Aachen erfreulicherweise die letzte fünfaktige Version von 1886, die sogenannte Modena-Fassung, zu erleben, die den Fontainebleau-Akt wieder als ersten Akt voranstellt.

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Das Volk (Chor) bittet Elisabetta (Irina Popova), Filippos Heiratsantrag anzunehmen.

Stolz verkündet man in Aachen auch, dass man dieses große Werk mit nur zwei Gastsängern stemme und die restlichen Partien alle mit Ensemble-Mitgliedern besetzen könne, was für ein Haus der Größenordnung Aachens durchaus bemerkenswert ist. Zur Inszenierung scheint Michael Helle allerdings nicht allzu viel eingefallen zu sein. Zwar ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, alle fünf Akte in einem Einheitsbühnenbild spielen zu lassen. Aber muss es ein abgeschlossener Raum mit brauner Blumentapete sein, wobei die Blumen in ihrer Form entweder an ein Wappen oder ein beliebtes Muster der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnern? Darüber könnte man noch hinwegsehen, genauso wie über die kärglich verwendeten Requisiten, die größtenteils nur aus einem Stuhl und einem Totenkopf bestehen, den der Mönch zu Beginn des zweiten Aktes auf den im Bühnenboden eingelassenen Souffleuse-Kasten stellt und den Carlo am Ende der Oper mitnimmt, wenn er von der Erscheinung, die alle für den Geist Karls V. halten, ins Kloster gezogen wird. Doch auf eine ausgeklügelte Personenregie hofft man auf der leeren Bühne vergeblich.

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Carlo (Andrea Shin) ist verzweifelt, weil er Elisabetta verloren hat (im Hintergrund links: ein Mönch (Eui Hyun Park), rechts: Rodrigo (Hrólfur Saemundsson)).

Helle lässt Schlüsselmomente der Oper szenisch regelrecht verpuffen. Beim großen Terzett zwischen Eboli, Posa und Carlo beispielsweise im ersten Bild des dritten Aktes sind die drei Figuren ziemlich statisch angelegt, so dass weder Ebolis Raserei über Carlos Zurückweisung noch Posas Versuch, die rachsüchtige Prinzessin zu stoppen, glaubhaft umgesetzt werden. Von dem in der Musik liegenden Pathos ist auf der Bühne nichts zu spüren. Gleiches gilt für die Abschiedsszene zwischen Elisabetta und Carlo im letzten Akt. Nach einer kurzen Umarmung weist Elisabetta ihren Stiefsohn absolut beherrscht von sich und präsentiert sich wesentlich kälter als die Musik und der gesungene Text sie in dieser Szene beschreiben. Unglaubwürdig ist auch Posas Todesszene. Während Rodrigo sein Leben aushaucht, kauert Carlo meterweit vom Freund entfernt am Rand der Bühne. Wieso der tote Rodrigo nach dem vierten Akt, wenn das Volk sich zurückgezogen hat, plötzlich aufsteht, seine Stiefel und Strümpfe auszieht und barfuß durch den Zuschauerraum die Bühne verlässt, bleibt genauso unverständlich wie die anschließend auftretende Putzfrau, die zu Beginn des fünften Aktes auftritt und vor Elisabettas großer Arie die Bühne wischt.

Carlo (Andrea Shin) fordert mit Waffengewalt Freiheit für Flandern (im Hintergrund von links: Tebaldo (Soetkin Elbers), Königlicher Herold (Taejun Sun) und Rodrigo (Hrólfur Saemundsson) mit dem Chor).

Dieter Klaß verzichtet bei den Kostümen auf historisierende Elemente und unterscheidet bei den Herren nur zwischen dunklen Anzügen für die Spanier und braunen Anzügen für Posa und die Deputierten aus Flandern, in denen sie im Gegensatz zu den Spaniern wie Intellektuelle wirken. So passt auch das weiße Transparent, auf dem die Deputierten kurz vor dem Autodafé  - frei nach Schillers Vorlage - Gedankenfreiheit fordern, gut ins Bild, was von Verdi eigentlich im Libretto so nicht übernommen worden ist. Die Damen wirken in ihren einheitlichen weißen Kostümen wie Politikergattinnen. Dass sich Ebolis Kostüm dabei nicht von der Königin unterscheidet, begünstigt die Tatsache, dass Carlo im dritten Akt zunächst vermutet, die Königin im Garten vor sich zu haben. Auch die Stimme von oben, die die Erlösung für die verbrannten Ketzer verkündet, als Messdienerin auftreten zu lassen, lässt sich nachvollziehen. Dass Carlo aber unter seinem Hemd ein Foto-Shirt entblößt auf dem Filippo mit einem Hitler-Schnäuzer abgebildet ist, wirkt dann extrem übertrieben. Für einen Skandal reicht dieser Moment allerdings nicht aus.

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Carlo (Andrea Shin, links) und Filippo (Woong-jo Choi, rechts) beklagen Rodrigos (Hrólfur Saemundsson) Tod.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf insgesamt gutem Niveau. Star des Abends ist Woong-jo Choi als Filippo, der mit kräftigem Bass den König in allen seinen Schattierungen präsentiert. Seine große Arie "Ella giammai m'amò" zu Beginn des vierten Aktes lässt sogar die mangelnde Personenregie vergessen. Choi gelingt es, mit seinem dunklem Bass das Publikum zu bewegen, wenn er als König seine Einsamkeit beklagt. Leider kann Jacek Janiszewski als Großinquisitor stimmlich da nicht ganz mithalten. Im anschließenden Duett zwischen Filippo und dem Mann der Kirche stößt Janiszewski in den Höhen an seine Grenzen, so dass er stimmlich nicht als Sieger aus der Konfrontation mit dem König hervorgeht. Stellenweise wirkt er im Duett etwas heiser, während Choi sich stimmlich kraftvoll dem Ansinnen des Großinquisitors widersetzt, dem sich der König schlussendlich doch beugen muss.  Hrólfur Saemundsson gibt den Rodrigo mit einem variablen Bariton und bewegt in seinem Schlusslied "Io morrò ma lieto in core" mit wundervollen Bögen. Auch das berühmte Freundschafts-Duett "Dio, che nell' alma infondere amore", in dem sich Rodrigo und Carlo die Treue schwören, wird in der Interpretation von Saemundsson und Andrea Shin in der Titelpartie zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Shin, der als Gast vom Badischen Staatstheater Karlsruhe engagiert worden ist, stattet den Carlo mit einem höhensicheren Tenor aus, der sich bereits in seiner Auftrittsarie im Fontainebleau-Akt zu voller Blüte entfaltet.

Irina Popova überzeugt stimmlich als Elisabetta, auch wenn ihr Sopran in den Höhen zu einem leicht störenden Vibrato neigt. Dass sie recht kalt und herzlos präsentiert wird und man das tiefe Leid, das diese Frau seit ihrer Vermählung mit Filippo empfindet, darstellerisch nicht spürt, ist eher Helles Personenregie als Popovas Darstellung anzulasten. Ihr freundliches Lächeln an Filippos Seite, das Zufriedenheit ausstrahlt, wirkt recht irritierend. Sanja Radišic stattet die Prinzessin Eboli mit dunkel-timbriertem Mezzo aus, hat aber bei den Tempi bisweilen leichte Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Orchester. So wirkt sie sowohl in ihrer Schleiererzählung im zweiten Akt als auch in ihrer großen Arie "O don fatale", in der sie beschließt, vor ihrer Verbannung Carlo aus dem Gefängnis zu retten, und im Terzett mit Saemundsson und Shin nicht immer ganz synchron zum Orchester, was aber auch einer gewissen Premieren-Nervosität geschuldet sein kann. Kazem Abdullah führt das Sinfonieorchester mit großem Pathos durch die Partitur und auch der verstärkte Chor unter der Leitung von Andreas Klippert überzeugt, obwohl man das Autodafé bei gleichen Personenmassen schon stimmlich wuchtiger erlebt hat. So gibt es am Ende großen Applaus für die Sänger und das Orchester, der nur beim Regie-Team ein bisschen verhaltener wird.

FAZIT

Auch wenn man diesen Don Carlo szenisch nicht als einen großen Wurf bezeichnen kann, lohnt allein schon die Tatsache, die fünfaktige Version erleben zu können, aufgrund der guten musikalischen Umsetzung die Fahrt nach Aachen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kazem Abdullah

Inszenierung
Michael Helle

Bühne und Kostüme
Dieter Klaß

Licht
Eduard Joebges

Chor
Andreas Klippert

Dramaturgie
Michael Dühn




Opern- und Extrachor Aachen

Sinfonischer Chor Aachen

Sinfonieorchester Aachen


Solisten

Filippo II.
Woong-jo Choi

Elisabetta
Irina Popova

Don Carlo
Andrea Shin

Prinzessin Eboli
Sanja Radi
šic

Rodrigo, Marquis von Posa
Hrólfur Saemundsson

Graf von Lerma / Königlicher Herold
Taejun Sun

Tebaldo
Soetkin Elbers

Großinquisitor
Jacek Janiszewski

Ein Mönch / Deputierter
Eui Hyun Park

Eine Stimme von oben
Maria-Eunju Park

Deputierte
Remco Vink
Jorge Escobar
Johannes Piorek
Florian Löffler
Georgios Iatrou

Gräfin von Aremberg
Violetta Palatinus


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Aachen
(Homepage)





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