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Aida geht am Rhein spazierenVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Siege, insbesondere militärische, müssen gefeiert werden! Man kann das, wie seinerzeit George Bush Senior nach dem ersten Irakkrieg, mit einer großen Parade tun. Geholfen, und das ist die Kehrseite solcher Jubelparaden, hat's meist wenig; Bush wurde abgewählt, auf den ersten folgte später bekanntlich der zweite Irakkrieg, zurück blieben zerstörte Familien und traumatisierte Menschen. Als Dietrich Hilsdorf 1989 (da war der Irakkrieg noch nicht einmal begonnen) in Essen die Aida mit ihrer einkomponierten Triumphfeier inszenierte, ließ er spöttisch die Kriegsversehrten humpelnd an Volk und König vorbeidefilieren. Der Triumphmarsch als groteske Revue, die Pyramide als mathematisches Objekt der Abstraktion jenseits aller Klischees verärgerte Hilsdorf mit seinem Verdi-Triptychon (hinzu kamen noch, ähnlich mit Gegenwartsbezügen geschärft, der Don Carlo und der Trovatore) das konservative Publikum, hievte aber mit diesen Inszenierungen das damals gerade neu erbaute Essener Aalto-Theater auf überregional diskutiertes Niveau das waren Regiearbeiten, die auch 30 Jahre später noch in Erinnerung bleiben. Die Bonner Oper hat den inzwischen altersmilde gewordenen Ex-Provokanteur vor einiger Zeit überredet, den Trovatore neu zu deuten was seriös-respektabel gelang (unsere Rezension). Jetzt folgt Aida. Und siehe da: Der Zorn auf das hohle Gerede vom Kriegsheldentum ist immer noch da. Spaziergang am Rheinufer: Aida.
Den Kern seiner Essener Inszenierung hat Hilsdorf beibehalten und inszeniert die Siegesfeier als Festakt, bei dem das Publikum unversehens zu Mitwirkenden wird. In den ersten beiden Akten wird der Zuschauerraum immer wieder in das Spiel einbezogen, dient als Aufmarschbereich für die Chöre, der König grüßt vom Balkon (und wird, eine Hilsdorf-Zutat ohne nennenswerte Bedeutung für die weitere Handlung, dort wie einst Abraham Lincoln von einem Attentäter erschossen). Auch die anderen Solisten singen immer mal wieder vom Rang aus. Akustisch ist das ganz großes Theater, Rundumbeschallung mit Sogwirkung. Die Triumphszene, durch zwei Pausen von der eigentlichen Opernhandlung separiert, erscheint wie gehabt als zynische Revue, bei der die Kriegswitwen ihre Neugeborenen dem Herrscher weihen. Aber eines ist anders als vor 25 Jahren: Das Publikum, zumindest dessen allergrößter Teil, lässt sich davon nicht mehr provozieren. Festakt zur feier des erfolgreichen Feldzugs. Dazwischen Aida und Amonasro.
Das Verfahren mag in die Jahre gekommen sein und man mag inzwischen solchen Aktionismus auf der Bühne belächeln (manche Idee ist sicher auch eine Spur zu bemüht), aber Hilsdorf erinnert eben auch daran, dass vor gar nicht langer Zeit Bundeswehreinsätze eben nicht Krieg genannt werden durften. Die Kostüme (Renate Schmitzer) sind in Ihren Bezügen zur Bundeswehr und den Blauhelmen eindeutig, und wenn das Bühnenbild (Dieter Richter) den Innenraum des Bonner Theaters fortsetzt und solchen verschleiernden Umgang mit dem Krieg genau hier verortet, dann verweist das eben auch auf bundesrepublikanisches Repräsentationsbedürfnis. Verdis Oper wird hier als Staatsaktion hinterfragt und das in Bonn als ehemaligem Regierungs- und Parlamentssitz (ein bisschen unfair, denn die Bundeswehreinsätze gehören, selbst wenn sie im Bonner Bundestag ihren Ursprung haben, doch eher zur Berliner als zur Bonner Republik). Auch der Katholizismus kommt schlecht weg der Oberpriester, ein mephistotelischer Glatzkopf mit blutroten Handschuhen, lässt das Blut der geopferten Mädchen wie beim Abendmahl in Kelchen auch im Publikum herumreichen. Ziemlich affektiert? Sicher, aber weil Hilsdorf vielschichtige Assoziationen vom Ersten Weltkrieg bis in die Bonner Lokalpolitik knüpft, stimmen die Bilder doch nachdenklich. Und man hat wahrlich schon langweiligere Opernabende erlebt. Gereizte Stimmung nach erfolgtem Vaterlandsverrat: Amneris und Radames.
Bei solchem Aplomb hat es allerdings die andere, kammerspielartige Ebene, nämlich die Dreiecksbeziehung Radames Aida Amneris, ziemlich schwer. Aida spielt bekanntlich am Nil, und so viel Fluss wie hier war selten: Als Prospekt und als mehrfach wiederkehrende Videoeinspielung. Allerdings ist die Landschaft keineswegs ägyptisch, sondern man sieht den Rhein samt Siebengebirge, für die Bonner eine vertraute Aussicht. Ein Uferweg mit Parkbänken, kahle Bäume, moderates Hochwasser ein Februartag am Stadtrand, an dem General Radames sich zwischen Staatsdienst und dem Migrantenmädchen entscheiden muss. Ganz schlüssig geht das nicht auf, zumal George Oniani und Yannick-Muriel Noah recht hüftsteif agieren. Aber sie singen beeindruckend: Oniani den Radames mit kraftvoll-stählernem, in der Höhe etwas schwerfälligem Tenor, Noah die Aida mit vor allem in den Mezzo-Lautstärken klangvollem Sopran, der in der Höhe etwas leichter ansprechen, in der Tiefe mehr Substanz haben dürfte und dadurch manchen schönen Effekt nivelliert, aber der Partie das nötige Gewicht verleiht. In der Gruft: Aida und Radames.
Ohnehin wird die Regie durch die mitreißende musikalische Umsetzung gestützt. Tuija Knihtilä wirkt als Amneris im Offiziersmantel zunächst arg matronenhaft, gibt der Figur aber mit satter Tiefe und großer, dramatisch zupackender Stimme markantes Profil. Rolf Bromann ist ein gespenstisch scharfer Ooberpriester Ramfis, Mark Morouse ein nicht altväterlicher, sondern heldisch heller Amonasro, Priit Volmer ein sehr solider König. Und mit Jón Rúnar Arason als Boten und Sonja Bük als Tempelsängerin sind auch die kleinen Partien gut besetzt. Der Star des Abends aber steht am Dirigentenpult, und das keineswegs nur wegen der großen Umsicht und Souveränität, mit der Will Humburg den riesigen, zwischendurch im ganzen Raum verteilten Klangkörper aus Orcherster und Bühnenmusik, Solisten, Chor und Extrachor koordiniert und mit allerbesten Kapellmeistertugenden auch dann zusammenhält, wenn mal eine Sängerin sehr frei mit den Tempi umspringt. Wobei die von Volkmar Olbrich offensichtlich hervorragend einstudierten Chöre nicht nur wuchtig und trotzdem klangschön, sondern auch ungeheuer aufmerksam und rhythmisch präzise singen und das Beethoven Orchester sich in glänzender Verfassung zeigt. Humburg dirigiert mit großer, dramatischer Geste, lässt es richtig krachen (wobei der Klang im Fortissimo ungleich differenzierter ist als etwa zuletzt bei Axel Kobers mitunter lärmigen Düsseldorfer Lohengrin), kann aber auch mit den raffinierten Klangfarben zaubern. Das versöhnte wohl auch die meisten derjenigen Premierenbesucher, die ansonsten ungehalten auf die Regie reagiert hätten: Am Ende fast einhelliger Jubel.
Ganz taufrisch ist Dietrich Hilsdorfs schon vor 25 Jahren ziemlich ähnlich erprobter, keineswegs durchweg schlüssiger Regieansatz nicht, aber er lässt in seiner Vielschichtigkeit auch nicht kalt. Und weil mit einem famosen Dirigenten und einem sehr guten Ensemble die Musik das Spektakel packend fortschreibt, ist es ein großer Opernabend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Video
Choreographie
Solisten* Besetzung der Premiere
Aida
Radames
Amneris
Amonasro
Ramfis, Hohepriester
König
Ein Bote
Eine Priesterin
Zwei Tänzerinnen
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