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Riccardo Primo

Oper in drei Akten (HWV 23)
Libretto von Paolo Antonio Rolli nach Isacio Tiranno von Francesco Briani
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 5' (eine Pause)

Premiere im Badischen Staatstheater am 21. Februar 2014
im Rahmen der 37. Händel-Festspiele

 
 
 
Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

Barocke Pracht im Kerzenschein 

Von Thomas Molke / Fotos von Falk von Traubenberg

Als Händels Oper Riccardo Primo am 11. November 1727 am King's Theatre am Haymarket ihre Uraufführung erlebte, befand sich dieses Genre in England bereits in einer Krise, die ein Jahr darauf zur Auflösung von Händels erster Musikakademie führte. Grund waren zum einen die hohen Gagen, die seine drei Starsänger, der Kastrat Senesino und die beiden Sopranistinnen Faustina und Cuzzoni, verlangten, zum anderen die ein Jahr darauf uraufgeführte Beggar's Opera von Gay und Pepusch, die mit einer Parodie auf Händels Opernstil der italienischen Oper das Publikum abspenstig machte. Dennoch kam Riccardo Primo bis Dezember 1727 insgesamt auf elf Vorstellungen, was wohl einerseits der Starbesetzung, andererseits dem patriotischen Sujet über Richard Löwenherz zu verdanken war, womit auch gleichzeitig dem neuen englischen König Georg II. gehuldigt wurde. Auch in Hamburg und Braunschweig kam dieses Werk auf die Bühne, bis es dann 1734 von den Spielplänen verschwand und in Vergessenheit geriet. Nachdem im Rahmen des London Handel Festival 2012 die szenische Erstaufführung der kritischen Neuausgabe der Hallischen Händel-Ausgabe stattgefunden hatte, wurden nun auch die 37. Händel-Festspiele in Karlsruhe mit diesem Werk eröffnet, wobei nicht nur die musikalische Gestaltung sondern auch die bezaubernde Inszenierung von Benjamin Lazar regelrechte Begeisterungsstürme beim Publikum hervorrief.

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Riccardo I. (Franco Fagioli) zwischen Costanza (Emily Hindrichs, links) und Pulcheria (Claire Lefilliâtre, rechts)

Das Stück basiert auf der historisch belegten Eroberung Zyperns am 6. Mai 1191 durch Richard Löwenherz (Riccardo I.), als dieser sich auf seinem Weg nach Jerusalem zum Dritten Kreuzzug befand. Der zypriotische Kaiser Isaak Komnenos (Isacio) hatte dessen Braut Berengaria von Navarra (in der Oper: Costanza) gefangen genommen, als sie vor Zypern Schiffbruch erlitten hatte. Im Zentrum der Opernhandlung stehen aber neben der Befreiung Costanzas weitere Verwirrungen und Verwicklungen. So befiehlt Isacio seiner Tochter Pulcheria, sich selbst als Costanza auszugeben, um durch eine Hochzeit mit Riccardo die englische Königskrone zu erlangen. Pulcheria wiederum liebt den syrischen Fürsten Oronte, den sie allerdings für untreu hält, so dass sie sich aus Wut auf ihren Verlobten und aus Pflichtgefühl ihrem Vater gegenüber auf den Betrug einlässt. Doch Oronte deckt den Schwindel auf. Pulcheria will nun ebenfalls Riccardo und Costanza zusammenführen, aber Isacio ist bereit, gegen Riccardo und seine Truppen für Costanza in den Krieg zu ziehen. Mit Orontes und Pulcherias Hilfe gelingt es Riccardo, Costanza zu befreien und Zypern einzunehmen. In seiner großen Güte begnadigt Riccardo Isacio, übergibt den zypriotischen Thron an Pulcheria und Oronte und schwört seiner Costanza ewige Liebe.

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Isacio (Lisandro Abadie) führt Böses im Schilde.

Benjamin Lazar, der mit seinem Team in Frankreich bereits in den letzten Jahren mit Inszenierungen in barocker Aufführungspraxis Furore gemacht hat und nun zum ersten Mal in Deutschland Regie führt, setzt auch in Riccardo Primo auf barocke Gestik im Vortrag. So schreiten die Figuren mit ausladenden Gesten über die Bühne und unterlegen ihre Arien und Rezitative mit Bewegungen, die trotz ihrer Langsamkeit keineswegs statisch wirken und mit den opulenten Kostümen von Alain Blanchot gewissermaßen zu bewegten Bildern werden, die beim Zuschauer das Gefühl erwecken, dass hier Barockoper in ihrer ursprünglichen Form wieder zum Leben erweckt wird. Auch wenn dabei auf den in der heutigen Aufführungspraxis häufig angestrebten Realismus verzichtet wird, wirkt dieser Ansatz keineswegs museal oder verstaubt, sondern übt auf das Publikum eine regelrecht magische Faszination aus. Hinzu kommt das Lichtdesign von Christophe Naillet, das auf elektrische Scheinwerfer verzichtet und mit Kerzenlicht arbeitet, was zum einen mehr Wärme ausstrahlt als mit elektrischem Bühnenlicht, zum anderen faszinierende Schatteneffekte erzeugt und Teile der Bühne bewusst im Dunkeln lässt.

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Riccardo (Franco Fagioli) erkennt seine Braut Costanza (Emily Hindrichs, Mitte) (im Hintergrund links: Pulcheria (Claire Lefilliâtre)).

Das Bühnenbild von Adeline Caron übt eine ähnliche Faszination aus. Wenn Costanza und ihr Vetter Berardo zu Beginn der Oper in Zypern an Land gespült werden, erscheinen die beiden zunächst auf einer leeren Bühne, auf der nur wehende Tücher an der Rampe das Gefühl vermitteln, dass die beiden Figuren gewissermaßen dem Toben des Meeres entkommen. Erst wenn sie sich der Festung des zypriotischen Kaisers nähern, tauchen wie aus dem Nichts riesig hohe Mauern in gelbem Sandstein aus dem Hintergrund auf, die zunächst noch recht feindlich wirken. Durch Einsatz der Drehbühne und Drehen der einzelnen Elemente erhaschen die Zuschauer später einen Blick in das Innere der Burg, das mal mit hohen Wänden an einen Kerker erinnert, dann mit weichen runden Bögen einen mittelalterlichen Thronsaal zeigt und mit gold glitzernden Bäumen einen pittoresken Park wie auf einem historischen Gemälde andeutet. Bei soviel Opulenz in Bühnenbild und Kostümen lässt sich von einem Augenschmaus im wahrsten Sinne des Wortes reden.

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Riccardo (Franco Fagioli, Mitte) hat Zypern erobert (auf der linken Seite: Berardo (Andrew Finden) und Costanza (Emily Hindrichs), auf der rechten Seite: Pulcheria (Claire Lefilliâtre) und Oronte (Nicholas Tamagna)).

Die musikalische Gestaltung des Abends bewegt sich mit der Inszenierung qualitativ auf Augenhöhe, wobei man sich ernsthaft die Frage stellen muss, wieso einem solchen musikalischen Juwel bis jetzt nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Händels Musik erweist sich als absolut abwechslungsreich, was den Einsatz der einzelnen Instrumente unter lautmalerischen Gesichtspunkten betrifft. Zu nennen ist hier die Ouvertüre, die mit heftigem Schlagen der Streicher den tobenden Sturm auf dem Meer regelrecht spürbar macht, oder der Einsatz der Holzbläser, wenn Pulcheria am Ende des zweiten Aktes in ihrer Arie "L'aquila altera" Riccardo Treue versichert, dass er sich wie ein "Adler" auf "seine Kinder" verlassen könne, oder wenn Costanza sich kurz vor dem glücklichen Ende im dritten Akt in ihrer Arie "Il volo così fido" mit einem kleinen Vogel vergleicht, der treu und glücklich in sein Nest zurückkehrt. Musikalisch außergewöhnlich ist auch das Duett zwischen Riccardo und Costanza "T'amo sì", in dem sie sich inniglich nach ihrer ersten Begegnung ihre große Liebe versichern. All diese Momente arbeitet Michael Hofstetter mit den Deutschen Händel-Solisten äußerst filigran heraus und lässt den Zuhörer in eine magische barocke Klangwelt eintauchen.

Auch die Solisten-Riege besitzt absolutes Festspiel-Niveau, wobei das Badische Staatstheater mit Andrew Finden und Emily Hindrichs zwei Ensemble-Mitglieder dazu beisteuern kann. Finden punktet als Costanzas Vetter Berardo mit kräftigem Bariton und setzt die barocke Gestik darstellerisch überzeugend um. Für seine Arie "Dell'empia frode il velo" zu Beginn des zweiten Aktes, in der er Costanza seine Treue versichert, bekommt er Szenenapplaus. Hindrichs gestaltet die Partie der Costanza mit weichem Sopran, der die tiefe Empfindsamkeit der Figur unterstreicht. Großartig gelingen Hindrichs die musikalischen Bögen und die Piani, in denen sich das tiefe Leid Costanzas ausdrückt. Nicholas Tamagna begeistert als syrischer Fürst Oronte mit einem beweglichen Countertenor, und Lisandro Abadie stattet den bösen Tyrannen Isacio mit markantem Bass aus, der mit scheinbarer Leichtigkeit durch die schnellen Koloraturen jagt.

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Franco Fagioli als Riccardo Primo

Claire Lefilliâtre und Franco Fagioli dürften ebenfalls mitverantwortlich dafür sein, dass der ursprünglich für drei Stunden und fünfundvierzig Minuten angekündigte Abend dann doch über vier Stunden dauerte, da sie nach nahezu jeder ihrer bravourösen Arien Szenenapplaus erhalten. Lefilliâtre glänzt als Pulcheria mit einem in den Koloraturen absolut geschmeidigen Sopran, der vor allem in der Mittellage eine unglaubliche Wärme verströmt, und Fagioli zieht in der Titelpartie alle Register seines Könnens. Mit scheinbar spielerische Leichtigkeit hebt er bei den Koloraturen in schwindelerregende Höhen ab, um dann in eine fundierte baritonale Tiefe abzutauchen. Hier lässt er ein Gefühl dafür entstehen, welchen Stimmumfang ein Kastrat damals wohl gehabt hat. Regelrecht komödiantisch kostet er auch die retardierenden Momente in seiner Arie "Quando tarda il caro bene" aus, wenn er sehnsüchtig auf seine Braut wartet. Mit Hindrichs findet er im Duett "T'amo, sì" am Ende des zweiten Aktes zu einer Innigkeit, die unter die Haut geht.

FAZIT

Wer diese Aufführung hört und sieht, muss Barockoper lieben. Wer für diese Inszenierung in dieser Spielzeit keine Karten mehr bekommt, sollte sich frühzeitig um Plätze für die Wiederaufnahme im nächsten Jahr kümmern (Termine: 24., 26. und 28. Februar 2015).

Weitere Rezensionen zu den 37. Händel-Festspielen 2014


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hofstetter

Regie
Benjamin Lazar

Bühne
Adeline Caron

Kostüme
Alain Blanchot

Lichtdesign
Christophe Naillet

Maske
Mathilde Benmoussa

Dramaturgie
Bernd Feuchtner

 

Deutsche Händel-Solisten

Cembalo & Leitung der Rezitative
Thomas Leininger


Solisten

Riccardo I. (Richard Löwenherz)
Franco Fagioli

Costanza, seine Verlobte
Emily Hindrichs

Isacio, Herrscher von Zypern
Lisandro Abadie

Pulcheria, seine Tochter
Claire Lefilliâtre

Oronte, Fürst von Syrien
Nicholas Tamagna

Berardo, Costanzas Vetter
Andrew Finden

 


Weitere
Informationen

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Badischen Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)



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