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Und täglich dreht sich der GartenzwergVon Joachim Lange / Fotos stellt das Theater Basel uns leider nicht zur VerfügungHelmut Lachenmanns musikalisches Opernmärchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern hat es seit seiner Uraufführung 1997 leichter, auf eine Bühne zu kommen, als das ein Jahr später, quasi als Antwort in Zürich uraufgeführte Schneewittchen von Heinz Holliger. Dabei ist diese Opern-Neuschöpfung, die zu den wenigen gehört, die Alexander Pereira auf der Habenseite seiner Intendantenbilanzen verbuchen kann, nicht mal so radikal grenzgängerisch wie die von Lachenmann. So ist es per se ein Verdienst um das Neue in der Oper, wenn man in Basel heuer einen zweiten Versuch mit Holligers Musiktheater unternimmt. Mit seinem Text folgt der Komponist einem Dramolett von Robert Walser aus dem Jahre 1901. Darin wird das Grimmsche Märchen sozusagen von seinem Ende her hinterfragt. Eine Art Familienaufstellung, in dem Schneewittchen, der Prinz, die Königin, der König und der Jäger immer wieder über das mörderische Geschehen reflektieren und nach dem das Warum forschen. Und nach dem Was-wäre-wenn. Leichte Kost ist das nicht. Und der Regisseur der Basler Neuinszenierung, Achim Freyer, vereinfacht das Ganze nicht gerade. Einer Vorlage durch eine erhellende oder auch irritierende Regie zur Seite zu springen, dererlei kommt dem auf die Achtzig zugehenden Malerregisseur nicht in den Sinn. Er verleibt stets die Stücke seinem poetisch surrealen Universum aus Figuren, Zeichen und Räumen ganz eigenen ästhetischen Rechtes ein. Egal, ob da nun Moses und Aron drüber steht oder Der Ring des Nibelungen und Arnold Schoenberg oder Richard Wagner den Orchestersound beisteuern. Oder wie jetzt Heinz Holliger. Das Ergebnis ist - wie immer - ein meist autonom zu Musik und Text zelebriertes Freyer-Exerzitium mit der Chance, dass daraus im Auge des Betrachters etwas Eigenes, Neues entsteht. Wer den Wunsch nach klaren Handlungssträngen oder Eindeutigkeiten an der Garderobe abgegeben hat, kann sich dem optischen Überwältigungstheater hingeben, das Freyer aus dem Weiss wie Schnee, Rot wie Blut und Schwarz wie Ebenholz alptraumernst aus der Grimmschen Vorlage entwickelt. Mit einer projizierten Leise-rieselt-der-Schnee-Atmosphäre, die mal beschleunigt, mal verlangsamt wird. Mit einem merkwürdigen, bis in den Zuschauerraum ausschwärmenden Figurenpanoptikum um ein Schneewittchen, das es mit Ballonkopf-Maske gleich mehrfach gibt: Darunter stecken Anu Komsi und Esther Lee. Beide singen mit bestechender Klarheit. Hinzu kommen noch eine Stabpuppe, die an der Rampe auftaucht und eine Büste, bei der immer mal die Perücke gewechselt wird. So wie mit der Titelfigur verfahren Freyer und seine für die Kostüme zuständige Tochter Amanda auch mit den anderen Protagonisten. Mit der Königin, der Maria Riccarda Wesseling im meterlangen blutroten Gewand, in der Höhe schwebend, ein eindrucksvolles vokales Profil verleiht. Oder mit dem geweihgeschmückten Jäger (Christopher Bolduc) und dem leichtfüßig tänzelnden und Joints paffenden Prinzen (Mark Milhofer). Und mit dem mit einer Bauchladenbühne ausstaffierten König (Pavel Kudinov). Vorn rechts dreht sich ununterbrochen ein kleiner Gartenzwerg, während seine Kollegen aus dem Märchen als verkleidete Tier im Gänsemarsch durch die Szene marschiert und sich an Paarungsspielchen versuchen. Wobei sie auch schon mal einem brennenden Schuh, einem riesigen Kamm oder einem Kussmund ausweichen müssen. Es ist eine rätselhafte, gleichwohl faszinierende Alptraum-Maskerade vor der sich der Gazevorhang immer mal hebt oder senkt. Dahinter lässt Freyer bei aller Entschleunigung und in der Wiederholung der choreographierten Vorgänge auch Blut fließen und das Unterbewusste aufbrechen. Dass diese kreisend überbordende Opulenz, die sich jeder narrativen Logik verweigert, zwangsläufig mit der delikaten Musikalischen aus dem Graben kollidiert, gehört zu den Herausforderungen dieses Produktion. Deren Klang-Authentizität ist in Basel durch die exzellenten Sänger, vor allem aber im Graben gesichert, weil dort der 74jährige Komponist selbst am Pult des Sinfonieorchesters steht. So kann er selbst für die Präzision seiner fein gebauten, raunend beginnenden, dann aber auch schlaglichtartig erblühenden, expressiven Musik sorgen. Wobei die Spannung des großen Bogens nach den pausenlosen zwei Stunden dann aber auch erschöpft ist. Verschreckend ist an diesem Abend nicht wirklich etwas. Es ist eher ein faszinierender Abenteuerausflug, den zwei bedeutende Künstler weit jenseits der 70 da Hand in Hand unternehmen, über deren kreative Neugier man nur staunen kann. FAZITHolligers Schneewittchen ist bei Achim Freyer ein überbordendes Opernmärchen geworden. Herausfordernd und faszinierend zu gleich.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie und bildnerische Gesamtkonzeption
Regiemitarbeit und Videoprojektionen:
Kostüme
Solisten
Schneewittchen (1)
Schneewittchen (2)
Königin
Jäger
König
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