Opernhaus Linz: Wagners „Ring“ und seine Erben

Michael Bedjai
Michael Bedjai Opernhaus Linz/ Karl Forster
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Die Neuinszenierung von Richard Wagners Tetralogie ging mit der „Walküre“ in die zweite Runde. Regisseur Laufenberg reichert das Geschehen kräftig an.

Entrümpeln war gestern. Regisseur Uwe Eric Laufenberg hat bei seiner Linzer Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ Aufmöbeln im Sinn. Auch Naturschauplätze sind Innenräume, Statisten mischen sich in die Handlung, Protagonisten treten selbst dann auf, wenn nur von ihnen die Rede ist oder manchmal nicht einmal das. Dabei findet Laufenberg seine Deutung durchaus nah am Text – und erzählt die Handlung wie viele andere im kriegerischen Ambiente des 20. Jahrhunderts (Bühnenbild: Gisbert Jäkel). Wotan rüstet ja zum Kampf gegen den Feind Alberich – also sehen wir ihn im Zelt der obersten Heeresleitung als Generalissimus im Überrock, bei der Lagebesprechung umringt von Offizieren, die mit Karten hantieren, Strategien besprechen, salutieren und eifrig Ja sagen.

Das Nein kommt später überraschend von der Kommandantin einer Spezialeinheit: Die „Hojotoho“-Rufe waren einer der besseren Momente von Elena Nebera, der zentralen Enttäuschung der insgesamt niveauvollen Besetzung. Die kaum verständliche Brünnhilde der Russin klang in Mittellage und Tiefe weitgehend unschön kehlig. Da war Gerd Grochowski aus anderem vokalen Holz geschnitzt – auch wenn sein Wotan nicht das Format eines Weltherrschers besitzt. Immerhin schlägt er sich wacker, doch ist sein kerniger Bariton um entscheidende Nuancen zu leichtgewichtig.

Die Gattin und die „Letzten Tage“.

Wenn Fricka aufkreuzt, wirkt das wie eine nie geschriebene Szene aus den „Letzten Tagen der Menschheit“: Als müsste etwa Ludendorff überraschend den obersten Kriegsherrn empfangen: seine Gattin. Beim scharfen Nachdruck, den Karen Robertson in Abendgarderobe in jedes Wort investiert, ist ihr Sieg von Anfang an klar.

Schwerer wog jedoch, dass Laufenberg in der Personenführung keine rechte Spannung zwischen Vater und Tochter erzeugen konnte – ein Manko, das leider auch für das Wälsungenpaar galt. Freilich ist Brit-Tone Müllertz von der Ausstrahlung her eher bieder, doch legt sie dafür alle Intensität in wunderbar ausgeglichenen, leuchtenden Gesang: Die schön erblühenden Kantilenen ihrer fein differenzierten Sieglinde waren der unbestrittene vokale Höhepunkt des Abends.

An ihrer Seite gab Michael Bedjai nach einem großartigen Loge nun einen in allen Lagen wortdeutlichen, stets präsenten und bei aller Durchschlagskraft doch auch mühelos sauber phrasierten Siegmund – merklicher Premierennervosität zum Trotz. Bis auf Kleinigkeiten ganz sicher agierte dagegen das Bruckner Orchester unter Dennis Russell Davies, dem nach dem etwas trägen „Rheingold“ nun eine konzisere Darstellung gelang.

Weil der Regisseur Wagner aber nicht nur beim Wort, sondern manchmal auch einfach wörtlich nimmt, um zu einem passablen neuen Sinn zu gelangen, spielt der erste Aufzug („Des Dach dich deckt, des Haus dich hegt, Hunding heißt der Wirt“) in einer Wirtsstube – mit Schank, Jagdtrophäen, abhängendem Schwarzwild nebst Schlachtstock und Beil, einer geflügelrupfenden Muhme und einem jungen Mädchen, Magd oder gar Tochter des Hauses. Sie taucht im zweiten Aufzug nochmals auf, hat die Fliehenden verfolgt, verschwindet aber ungesehen: Nach Freias Kindern im „Rheingold“ offenbar ein weiterer Verweis Laufenbergs auf die mitleidenden nächsten Generationen. Mit dem exemplarisch brutalen Hunding ist freilich wirklich nicht gut Kirschen essen: Albert Pesendorfers Schergen vergewaltigen Sieglinde, bevor er (peinlich unbeholfen in Zeitlupe inszeniert) Siegmund mit aufgepflanztem Bajonett ersticht – eine Reichsadlerskulptur, schon im „Rheingold“ als Machtsymbol zitiert, ist auch hier zugegen, wenn es ans Sterben geht.

Am wenigsten geglückt scheint die Reithalle des dritten Aufzugs. Hier häuft, überflüssigerweise von einem echten Pferd unterstützt, zu Bildern von Ruinen ein vokal tadelloses Walkürenoktett Leichen und Leichenteile von Helden auf – und Brünnhilde wird in ein patriotisches Denkmal ihrer selbst nach Art wilhelminischer Germania-Monumente eingeschlossen. Das macht freilich aus Wotans intimem Abschied eine kultische Haupt- und Staatsaktion, bei der die wiedergekehrten Walküren schon lange vor dem Feuerzauber Grabfackeln entzünden. In die Flammen der Schlussprojektion mischen sich dann Filmszenen von Bombenabwürfen und schließlich, überraschend, die bunten Lichter einer Großstadt unserer Zeit. Überraschend lässt Wotan auch seinen Speer am Denkmal zurück – das macht auf „Siegfried“ neugierig: Premiere am 1.November.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2014)

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