Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Der Freischütz

Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto von Johann Friedrich Kind nach der Novelle Der Freischütz. Eine Volkssage von J. A. Apel
Musik von Carl Maria von Weber


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere in der Oper am Dom am 12. April 2014
(rezensierte Aufführung: 27.4.2014)


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Der Generalmusikdirektor verabschiedet sich mit Paintball und Grillparty

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bernd Uhlig

Der Freischütz ist eine schwierige Oper. Zugegeben: Das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis, und seit vielleicht 40 Jahren arbeiten sich Regietheater-Regisseure am Wolfsschlucht-Spektakel ebenso ab wie am rettenden Erimiten ex machina. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass Friedrich Kinds Libretto nicht der ganz große psychologische Wurf und manches an der Figurenkonstellation arg biedermeierlich gearbeitet ist. Und doch reibt man sich angesichts der Kölner Neuinszenierung verwundert die Augen: Da scheint der lettische Regisseur Viestur Kairish mit grell auftrumpfender Geste die Sehgewohnheiten über den Haufen werfen wollen. Aber welche Sehgewohnheiten? Dem deutschen Wald lauscht doch schon lange niemand mehr nach.

Szenenfoto

Wolfsschlucht mit Kaspar (Oliver Zwarg)

Bekanntlich beginnt der Freischütz damit, dass Bauer Kilian beim Wettschießen den Jäger Max besiegt. Hier schießt man ganz modern mit Farbkugeln aufeinander: "Paintball" heißt das bei Jugendlichen nicht unattraktive Freizeitvergnügen, und hier spielt die Mannschaft der "Jäger" gegen die der "Bauern". Sieht auf den ersten Blick neckisch aus, unterschlägt auf den zweiten aber ein wichtiges Element, nämlich die lebensbedrohende Dimension des Schießens. Weil sich die Regie immerhin einigermaßen treu bleibt, wird Agathe am Ende eben auch nur von einer Farbkugel getroffen, blutrot natürlich, und schuldbewusst versucht Max, mit einem Fleckenmittel den Schaden zu beheben. Damit ist die Geschichte schon weitgehend in ihrer Banalität erzählt: Quietschbunt geht's hier zu, Agathe räkelt sich auf der Gartenliege neben dem Kugelgrill (auf dem das per Freikugel geschossene, gleich gerupft und geköpft vom Himmel gefallene Hähnchen sofort gegart werden kann). Die Choristinnen in rosa Kleidchen und blonden Perücken kommentieren das wechselnd mit kreischen oder kichern.

Szenenfoto

Gießen Freikugeln: Kaspar (Oliver Zwarg) und Max (hier: Andreas Schager)

Nichts gegen den Ansatz, allzu hehre Opernbilder ironisch zu erden oder eine im Libretto mehr schlecht als recht erzählte Geschichte comichaft aufzufrischen - nur müssten die wesentlichen Elemente dadurch angemessen pointiert werden und eine zentrale Inszenierungsidee deutlich werden. Beides fehlt hier. Die Figuren werden weitgehend zu leblosen Abziehbildern, noch viel schematischer als ohnehin schon, denn die Regie arbeitet oft gegen die Musik. "Wie nahte mir der Schlummer" - ach Agathe, so schön das Herr Weber auch komponiert hat, auf der Gartenliege unterm Sonnenschirm verliert dieses Nachtstück doch ziemlich viel Sinnzusammenhang, da kann Claudia Rohrbach mit lyrischer, klarer, ganz leicht eingedunkelter Stimme noch so betörend schön singen (etwas weniger kurzatmig phrasieren dürfte sie aber doch, bei aller Schönheit bleibt es nicht zuletzt deshalb ein wenig neutral im Ausdruck). Und zu Ännchens Arietta "Kommt ein hübscher Bursch gegangen" blättern die beiden Frauen zwar nicht ohne Witz im Kamasutra und bemühen sich neckisch, die eine oder andere Sexualstellung anzudeuten, aber das ist zu wenig auf die Musik hin gedacht und verläuft sich zum Ende hin ziemlich wirkungslos - da wird die blitzsoubrettensaubre Gloria Rehm um ihren verdienten Applaus gebracht. Immerhin haben die beiden dann doch die schönste Szene des Abends: Die Verwechslung des Jungfernkranzes mit der Totenkrone ist ein Produkt von Agathes Phantasie - da bekommt doch tatsächlich mal eine Figur echtes Bühnenleben eingehaucht.

Szenenfoto

Trockenes Laub statt Jungfernkranz: Agathe (Claudia Rohrbach) und Brautjungfer (Erika Simons)

Auch der Kaspar, von Oliver Zwarg ohne besondere Schwärze, aber mit vokaler Energie und viel schauspielerischem Engagement gegeben, hat seine starken Momente. Ein Bundeswehrsoldat mit Afghanistan-Trauma - das hätte ja eine Idee werden können, manifestiert sich aber nur im Kostüm. Ohnehin will die Regie lieber im Unverbindlichen bleiben (oder im Programmheftdeutsch: "Häufig an der Grenze zwischen Realität und Irrsinn angesiedelt, werden seine Inszenierungen nicht selten zu einer Reise ins Traumhafte und Visionäre"). Wenn der Samiel hier als Inkarnation des MacDonalds-Clowns erscheint (und auf Max' Ausruf "Gott" panikartig in eine Tiefkühltruhe für Speiseeis hüpft), dann scheint das doch näher am Regie-Irrsinn als am Visionären. Das Böse in Clownmaske, warum nicht - in der Wolfsschluchtszene (mit vielen, vielen solcher Samiels) darf sich der Samiel-Clown nicht nur der Perücke, sondern gleich aller weiteren Kleidungsstücke bis auf eine Krawatte entledigen. Renato Schuch spielt das immerhin angemessen dämonisch. Die Wolfsschlucht selbst gelingt angemessen spektakulär - gespielt wird ja derzeit sowieso im Musical-Zelt, da darf es wohl auch nach Musical aussehen.

Szenenfoto

Agathe (Claudia Rohrbach) und Max (hier: Andreas Schager)

Die Figur des Max hätte der Regisseur eigentlich nicht gebraucht, Hauptfigur hin oder her - der gerät derartig konturlos, dass man auf ihn gut verzichten könnte. Beim Paintball nicht aufgepasst? Kein Fall für die Oper, sollte man denken. Nur hat die Oper Köln ausgerechnet hier großes Heldentenorkaliber aufgefahren, und zwar in der hier besprochenen Aufführung Lance Ryan (in anderen Vorstellungen sang Shootig-Star Andreas Schager). Der Kanadier tapst ein wenig verloren durch die Aufführung, ist in den Sprechstellen teilweise nicht gut zu verstehen (warum nur würgt er Agathe?). Die an Wagners Siegfried geschulte Stimme kommt mit dem Max, eine merkwürdige Zwischenfachpartie, ganz gut zurecht, hat natürlich Strahlkraft, ist aber (meistens) auch beweglich und lyrisch genug. So gibt es wenig auszusetzen, das ganz große Glück will sich allerdings auch nicht einstellen - Ryans passend helle Stimme ist wohl doch zu groß, wird zwar klug vom schweren zum jugendlichen Heldentenor heruntergedimmt, aber das Existentielle der Partie (das die Regie unterschlägt) bleibt auch musikalisch etwas unterbelichtet.

Sehr eindrucksvoll ist der väterlich sonore Kuno von Dirk Aleschus, souverän mit schlankem (nicht dünnen) Operettencharme der Zirkusdirektor-Ottokar von Miljenko Turk, ziemlich matt der Eremit von Young Doo Park, dessen Bedeutung die Regie völlig offen lässt - er darf Max eine Tätowierung verpassen. Nun gut, die Regie und die Produktionsdramaturgin Birgit Meyer (die nebenbei ja noch als Intendantin des Hauses irgendwie die Gesamtverantwortung für diesen höheren Blödsinn trägt) werden schon wissen, warum. Die Brautjungfern sind jugendlich leicht und klangschön, der Chor, von ein paar kleineren Wacklern abgesehen, zuverlässig und präsent. Für Dirigent Markus Stenz war dies die letzte Opernaufführung als Kölner Generalmusikdirektor überhaupt (er wurde nach der Vorstellung mit viel Applaus vom Ensemble verabschiedet). Mit dem guten Gürzenich Orchester entwickelt er bei zügigen, unpathetischen Tempi einen samtenen Wohlklang - auch da werden, wenn auch auf andere Art als in der Regie, manche Abgründe überspielt, da bleibt die Musik eine Spur zu gefällig, zu glatt. Webers harmonische Überrumplungseffekte klingen allzu selbstverständlich, die Welt der Jäger und noch mehr die der Bauern zu wenig derb. Aber irgendwann sind wir sowieso beim unverbindlichen Weber-Wunschkonzert in Kindergeburtstagsatmosphäre gelandet, da spielt das auch keine Rolle mehr.


FAZIT

Wenn man kein Regie-Konzept für den Freischütz hat, könnte man das Inszenieren eigentlich auch lassen, denn ein paar freche Bilder machen noch lange keinen auch nur einigermaßen ansprechenden Opernabend. Musikalisch keine brillante Abschiedsproduktion für Markus Stenz, eher solider Durchschnitt.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Stenz

Inszenierung
Viestur Kairish

Bühne und Kostüme
Ieva Jurjane

Licht
Nicol Hungsberg

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Birgit Meyer


Chor der Oper Köln
Statisterie der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Ottokar
Paul Armin Edelmann /
* Miljenko Turk

Kuno
Dirk Aleschus

Agathe
Claudia Rohrbach

Ännchen
Gloria Rehm

Kaspar
Oliver Zwarg

Max
Andreas Schager /
* Lance Ryan

Ein Eremit
Young Doo Park

Kilian
Martin Koch

Vier Brautjungfern
Aoife Miskelly
Erika Simons
Ji-Hyun An
Anna Herbst

Samiel
Renato Schuch



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -