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Musiktheater
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Thaïs

Comédie-lyrique in drei Akten und sieben Bildern
Text von Louis Gallet nach dem gleichnamigen Roman von Anatole France
Musik von Jules Massenet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 18. Mai 2014


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Theater Bonn
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Fleischeslust gegen Seelenheil

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Als Jules Massenet der Vorschlag gemacht wurde, den Roman Thaïs von Anatole France zu vertonen, mag wohl einer der Gründe für seine Zustimmung gewesen sein, dass er mit Sibyl Sanderson eine für ihn prädestinierte Interpretin der Titelpartie vor Augen hatte. Seit einiger Zeit feierte Sanderson nämlich bereits als Manon und als Esclarmonde große Triumphe an der Opéra-Comique, so dass Massenet beschloss, die neue Oper ebenfalls für dieses Haus zu konzipieren. Doch kurz vor dem Beginn der Proben nahm Sanderson ein Engagement an der Pariser Opéra an. So kam es, dass das Werk mit der Sanderson das Haus wechselte und bei der Uraufführung zunächst sehr kritisch aufgenommen wurde, weil es natürlich nicht den Konventionen der damaligen Opéra entsprach. Erst als Massenet vier Jahre später das Stück um das Bild der Oase und ein Ballett im 3. Akt erweiterte, entwickelte sich die Oper zu einem riesigen Erfolg. Dass dieses Werk heute im Repertoire seltener zu finden ist als beispielsweise Manon und Werther, mag vor allem an den hohen Anforderungen an die Titelpartie liegen, die genau auf die Sanderson mit ihrem fabelhaften Aussehen und ihrer drei Oktaven umfassenden Stimme abgestimmt war.

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Athanaël (Evez Abdulla) kämpft gegen seine Visionen von Thaïs an (verkörpert durch die Schakale).

Erzählt wird die Geschichte des Zönobiten-Abtes Athanaël und der Kurtisane Thaïs. Bevor Athanaël Mönch wurde, wäre er beinahe den Reizen dieser jungen Frau erlegen. Auch jetzt muss er noch an sie denken und beschließt, sie aus ihrem frevelhaften Leben zu befreien und in Gottes Arme zu führen. Folglich kehrt er nach Alexandria zurück und findet sie bei seinem Jugendfreund Nicias. Thaïs ist hin- und hergerissen zwischen der Leere und Sinnlosigkeit ihres Lebens im Luxus und der himmlischen Liebe des ewigen Lebens, die Athanaël ihr verspricht. Nach langem inneren Kampf beschließt sie, Alexandria zu verlassen und sich von Athanaël in ein Kloster in der Wüste bringen zu lassen. Während Thaïs dort den Wandel zur Heiligen vollzieht, erkennt Athanaël, dass es immer noch die fleischliche Lust ist, die ihn zu dieser Frau hinzieht, und während Thaïs in eine andere Welt entrückt wird, schwört er seinem Glauben ab.

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Athanaël (Evez Abdulla, Mitte) befreit Thaïs (Nathalie Manfrino) aus dem sündigen Alexandria (oben rechts: Nicias (Mirko Roschkowski), unten: Chor).

Das Regie-Team um Francisco Negrin findet für die unterschiedlichen Lebenswelten der Thaïs und des Athanaël beeindruckende Farben, Lichteffekte und Bilder. Während Athanaëls Welt im Kloster eher durch Enge und Dunkelheit gekennzeichnet wird, thront Thaïs während ihres sündhaften Lebens in einem erhöhten Kubus auf einer weiten von weißen Säulen umgebenen Bühne. Zentraler Punkt bei beiden ist jeweils eine kreisrunde Öffnung, durch die die beiden erscheinen. Bei Athanaël sieht man hinter dieser Öffnung zunächst einen dunklen Raum mit Dornenkronen und einem Kreuz, auf dem Athanaël zu Beginn des Stückes liegt. An diesem Kreuz wird er immer wieder von vier Schakalen heimgesucht, die wohl für sein noch tief in ihm schlummerndes fleischliches Verlangen nach der Kurtisane stehen. Auch wenn er nach Alexandria kommt, um Thaïs zu befreien, trifft er nämlich erneut auf diese Schakale, die das Haus der Kurtisane bewachen. Während Athanaëls Gewand ebenso dunkel ist wie die Köpfe der Schakale und wahrscheinlich seine triebhafte Seite zum Ausdruck bringen soll, die er mit Geißelung zu zügeln versucht - so ist sein nackter Oberkörper von den Striemen einer Peitsche gekennzeichnet, ersscheint Thaïs in einem hell leuchtenden Kleid, das schon beinahe an eine Sonne erinnert. Wenn sie sich entschließt, den Weg der Buße zu gehen, legt sie ein weißes Gewand ein, welches sie gewissermaßen schon von ihren Sünden befreit erscheinen lässt. Dass sie auch als Kurtisane nicht so sündhaft ist, wie man eventuell annehmen könnte, verdeutlicht ein hell gekleideter Weiser (Yuhi-Rango Binama), der ihr bereits in Alexandria zur Seite steht. Erst wenn sie entsühnt die Welt verlässt und nur noch in Athanaëls Phantasie lebt und an ihrer in ein weißes Tuch gewickelten Leiche vorbeischreitet, trägt sie ein schwarzes Gewand wie der Mönch, der durch seine triebhafte Liebe zu der Kurtisane sein Seelenheil aufgegeben hat.

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Thaïs (Nathalie Manfrino, 2. von rechts) findet Erlösung bei Albine (Susanne Blattert, 3. von links) und den Nonnen (Chor) in der Wüste.

Beeindruckend gelingt auch der Einsatz einer mit zahlreichen Scheinwerfern versehenen riesigen Lichtscheibe, die erstmals bei der berühmten "Méditation" aus dem Schnürboden herabgelassen wird, wenn Thaïs endgültig zu der Einsicht gelangt, dass sie ihr sündiges Leben hinter sich lassen möchte. Von nun an dominiert diese Scheibe genauso den weiteren Verlauf der Oper wie das immer wieder anklingende Motiv der "Méditation". Mal sind die Scheinwerfer in sanftem Gelbton gehalten und wirken wie eine Sonne, die Thaïs gewissermaßen sehend macht. Mal scheinen sie absolut grell durch Athanaëls Zelle, weil er durch seine Gefühle für Thaïs seine Einsicht verliert. Wenn Athanaël aus Alexandria zurückgekehrt ist, befindet sich in seiner Zelle auch nicht mehr das Kreuz, an dem er zu Beginn gebüßt hat, sondern ein weißer Stuhl auf einer Säule, der an Thaïs' Wohnung in Alexandria erinnert. Großen Eindruck hinterlassen auch die Feuerprojektionen. So scheint Thaïs ihren gesamten Besitz in Brand zu stecken, wenn sie mit Athanaël die Stadt verlässt.

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Athanaël (Evez Abdulla) verliert an Thaïs' Grab sein Seelenheil.

Musikalisch gelingt dem Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Stefan Blunier eine lyrisch anmutende Umsetzung der Partitur, die die lautmalerischen Elemente der Musik genauso differenziert herausarbeitet wie die sakralen Klänge im Kloster. Der Chor unter der Leitung von Volkmar Olbrich überzeugt sowohl als Volk von Alexandria als auch in der Funktion der Mönche und Nonnen. Mirko Roschkowski stattet den Nicias mit einem kräftigen Tenor aus. Priit Volmer überzeugt als alter Mönch Palémon mit markantem Bass. Evez Abdulla gelingt als Athanaël mit beweglichem Bariton und bewegendem Spiel ein eindrucksvolles Rollen-Porträt. Nathalie Manfrino stattet die Titelpartie mit verführerischem Sopran aus, auch wenn in den Höhen an einigen Stellen leichte Abstriche zu machen sind. Optisch mag sie in der Rolle der Kurtisane ebenfalls zu verzaubern. Die weiteren kleineren Partien sind ebenfalls stimmlich gut besetzt, so dass es am Ende lang anhaltenden Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Inszenierung und die musikalische Umsetzung dieser selten gespielten Oper machen eine Fahrt nach Bonn empfehlenswert, auch wenn am Ende nicht viel mehr als die "Méditation" im Ohr bleibt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Stefan Blunier /
Thomas Wise

Inszenierung
Francisco Negrin

Bühnenbild
Rifail Ajdarpasic

Kostüme
Ariane Isabell Unfried

Licht
Thomas Roscher

Video
Joan Rodón Sanjuan

Chor
Volkmar Olbrich

 

Chor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Thaïs, eine Kurtisane
Nathalie Manfrino

Athanaël, ein junger Mönch
Evez Abdulla

Palémon, ein alter Mönch
Priit Volmer

Nicias, ein reicher, junger Alexandriner
Mirko Roschkowski

Diener des Nicias
Sven Bakin

Albine, Äbtissin
Susanne Blattert

Myrtale, Sklavin
Charlotte Quadt

Crobyle, Sklavin
Stefanie Wüst

Fünf Mönche
Enrico Döring
Egbert Herold
Taras Ivaniv
Hans Müller
Christian Specht

Der Weise
Yuhi-Rango Binama

Schakale
David Laera
Olaf Reinecke
Michael Schnizler
Hayato Yamaguchi

Solovioline
Mikhail Ovrutsky


Weitere
Informationen

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Theater Bonn
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